Was trinke ich heute....

Bei mir heute mal was Ausgefallenes, ein zehnjähriges Fläschchen aus einer reinen Cabernet-Sauvignon-Einzellage mit dem Namen Las Flores aus einem östlichen Ausläufer des kalifornischen Napa Valleys, gekeltert von dem mittlerweile leider schon verstorbenen Münsteraner Auswanderer Volker Eisele, einem frühen Umweltaktivisten, der schon in den 1970ern dort reinen Bioweinbau eingeführt hat. Intensiv rotbeerig, Erdbeere, rote Johannisbeere, Hagebutte, Cranberry, dann auch etwas Cassis und Lakritz, Vanille, viel Fülle, satte und doch optimal eingebundene 14,8% Alkohol, schöne Länge.

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Solche Bilder zeigen mir, dass ich offenbar gar nicht so viel Wein trinke, denn ich kenne nicht einen einzigen Wein aus dieser Auswahl. ;)

Bei mir gestern der Le Petit Clos 2018 von Clos Apalta.
Clos Apalta ist ein legendärer, neuerer Cru Chiles als Cuvée aus Bordeaux-Rebsorten mit eigener Appellation, der Erstwein ist im Kern aus einem Rebgarten von 80-100jährigen, wurzelechten Reben und bringt so ein opulentes Bordeaux-Erlebnis aus längst vergangenen Epochen ins Glas. Ins Leben gerufen haben das Anfang der 1990er die französische Grand-Marnier-Erbin Alexandra Marnier-Lapostolle und ihr Mann Cyril de Bournet, Investitionseuronen waren also kein Problem und eine gute Vision für die Entwicklung und Distribution war vorhanden, natürlich Bio, CO2-neutral etc. pp. Ihr Sohn leitet das Weingut (mit angeschlossenem Relais&Chateaux-Hotel) heute. Der önologische Berater ist Michel Rolland, da schrillen bei manchem Alarmglocken bzgl. eindimensionaler Frucht- und Alkoholbomben, aber so viel sei gesagt, das ist hier nicht gegeben, der Wein kommt europäisch im Stil rüber.

Le Petit Clos ist ganz nach Bordelaiser Konzept der Zweitwein und ich hasse Zweitweine. Meist sind sie nur eine überteuerte, dünne Etikettvariante des Erstweins, mit dem sie geschmacklich gar nichts zu tun haben (Les Forts de Latour, Clos de Marquis, Pavillon Rouge seien mal als bekannte Bordelaiser Ausnahmen von dieser Regel genannt). Le Petit Clos ist dagegen qualitativ keine Sparversion, sondern ein eigenständiger, seriöser Top-Wein, der auch vielen ernsthaften Bordeaux-Liebhabern zusagen wird. Nur bei einem Aspekt muss man im Vergleich zum Erstwein Abstriche machen: Man hat keine Kontinuität zwischen den Jahrgängen, weil sich abhängig vom Jahrgangsergebnis und der daraus resultierenden Mixtur für den Erstwein die Rebsortenzusammensetzung des Petit Clos ganz grundsätzlich ändern kann, somit hat man immer wieder aromatisch einen ganz anderen Wein vor sich. 2016 war Le Petit Clos ein fast reinsortiger Cabernet Sauvignon, 2017 immer noch zu 2/3 von Cabernet Sauvignon dominiert. In 2018 ist es zu 53% Carmenère mit einem Drittel Cabernet Sauvignon mit ein bisschen Merlot und Petit Verdot zur Abrundung, dabei megakonzentriert und undurchsichtig lila-schwarz. Somit präsentiert sich der 2018er über die Carmenère rotbeerig mit fühlbarer Säure, rote Johannisbeere, Himbeere, ein wenig Kirsche, ein Anklang eines Kardamom/Zimt/Kreuzkümmel-Komplexes, Pflaume, Vanille, Eukalyptus, eher pikanter langer Abgang auf dunklen Früchten, Pfeffer und Graphit. Cabernet Sauvignon, Merlot und Petit Verdot spenden ein griffiges Tanninrückgrat, das den Wein über den Gaumen wunderbar stützt, ohne zu stören oder gar den Wein zu verschließen. Schon ohne weiteres antrinkbar (das würde einem beim Erstwein schwerfallen) und gut für 10-12 weitere Jahre.

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