Was trage ich heute SammelThread, Teil 2

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Vielen Dank einstweilen für die Kommentare. Auch dass ich oftmals Anstoßstein für Stildebatten bin, wirft mich keineswegs aus der Bahn. Im Gegenteil. Irgendwie inspiriert mich ja auch ein konstruktives Streitgespräch. Ich denke halt gerne auch über andere Meinungen nach.

Somit genieße ich das ja auch augenzwinkernd. ;)

Btt. Das beschriebene Optimierungspotential kann ich ja auch nachvollziehen. Natürlich hatte ich vorher nochmal die Hochzeitssammelthreads durchstöbert und kann viele Tipps dort nachvollziehen. Und allein die Tatsache, dass Man(n) sich Gedanken vorher über das persönliche Erscheinungsbild und die Wirkung eines selbstbewusst vorgetragenen, von vielen Außenbeobachtern dann als angenehm auffallenden Stils macht, punktet doch für nahezu jeden hier in einem solchen Forum.

Ich will hier keinen Hochzeitsnebenschauplatz aufmachen. Aber da ich es nun hier gepostet habe, nun kurz einige Detailausreden im Kontext zu den angesprochenen Dingen. Ich beziehe mich auch nur auf mein Outfit gestern und meine persönlichen Befindlichkeiten dazu.
1. Die Schuhe beispielsweise sind sicher aus heutiger Sicht nicht mehr der modische Kracher. Ich trage sie schlicht noch, weil das Leder und die Sohle noch im guten Zustand sind, sehr weiches und bequemes Oberleder und eine gut tanzbare Sohle. Stimmt, sicher müsste schon lange mal ein gutes Paar Captoe Oxfords her. Dafür war ich bislang zu geizig. (btw, gilt Geiz hier im Forum eigentlich als Argument? :o)

2. Haifischkragen finde ich derzeit entgegen manchem Mehrheitsgeschmack durchaus modisch und zeitgemäß. Den klassischen Kent empfinde ich gerade beim weißen Hemd als "alt"modisch. Beide Varianten hatte ich im Angebot. Mit der 7,5 cm Krawatte und dem, für den Haifisch füllenderen Knoten (in meinem Fall übrigens durchaus nur ein FIH, gar nicht mal Windsor) also diese Entscheidung für dieses Hemd.
Krawatten über 8 cm entsprächen übrigens wirklich nicht meinem Stil.

3. EST-Kritik geht klar. Ich habe mich hier wieder vorrangig von der Farbe und dem schmalen weißen horizontalen Grat leiten lassen. Somit meine Entscheidung wieder für die Seide, statt für das "regelkonformere" weiße Leinen.

4. Auch wenn das nicht angemerkt wurde, da es auf den Fotos (zu meinem Glück) vielleicht nicht genau zu erkennen ist. Ein gutes, besseres, passendes, also tailliertes Haifischhemd "mit ohne" Brusttasche und Umschlagmanschetten hatte ich hier in der Provinz nicht mehr rechtzeitig zur Verfügung. Der Einzelhandel konnte mir eine Woche vor Termin jedenfalls nichts spontan aus dem Regal zaubern. Da ich Umschlagmanschetten eher seltener trage habe ich solche Hemden eben auch nicht passend vorrätig. Das, welches noch vorhanden gewesen wäre, kann ich heute nicht mehr ansatzweise mit Bauchmaßen ausfällen.

5. Der im Laufe das Nachmittags schon leicht angeknitterte Strellson (Autofahrt, Kirche, Autofahrt, Location) sieht auf den Bildern schlimmer aus, als ich ihn meiner selbst bewusst wahrgenommen habe. Ich hatte Möglichkeiten genug, mit anderen "Herrenanzügen" zu vergleichen und gehe rein statistisch nicht depressiv als Verlierer nachhause.

Übrig bleibt nach einem Abend des facettenreichen Hochzeitsgäste-Schaulaufens noch ein Augenzwinkern, dass sich Frauen wohl im Vorfeld unendlich mehr Gedanken machen und dann doch nie wirklich zufrieden sind.
Gerade bei unkalkulierbaren Temperatur- und Wetterverhältnissen.
Schön, wenn man da einfach seinem Stil treu sein kann.

Ach ja, übrigens, Beethoven würde ich sowieso gerne mal kennen lernen. ;)
 
Nur mal als kleiner Einwand, weil ich selbst gerne kritisiere, auch wenn Outfits gelobt werden:

Bei Heiner finde ich es einfach schade, dass eine für mich erkennbare gute Intuition für Farben und Kombinationen durch handwerkliche Ungenauigkeiten in der Wahl der Komponenten beim Kauf zu für mich unstimmigen Outfits führen.

Die Kombination zur Hochzeit fand ich an sich gut und trage diese Kombination zu festlichen Anlässen selbst gerne (Blau/Anthrazit Anzug, weißes Hemd, schwarz/stark dunkelbraune Schuhe, Rot dezent gemustert, i.d.R. weiß gepunktet, dazu dann aber wirklich weißes EST, gerne aber Seide). Das Problem hier: abgesehen von dem daneben gegriffenen EST geht das an sich schöne Outfit unter, weil die Komponenten einfach nicht gut sind.

No offence, aber: die Schuhe sind ausgelatscht und mit breiter Gummisohle, der Anzug ist kastig, an den Schultern zu weit, spannt am Bauch, an den Armen verdreht und generell einfach nicht schön verarbeitet (Standard-Strellson-Kaufhausware halt). Die Krawatte wirkt auf mich vom Stoff her einfach nicht hochwertig. Das, was man vom Hemd sieht, finde ich ok.

Es ist m.E. deswegen schade, weil du damit Potenzial verschenkst. Ich kann mir vorstellen, dass du jemand bist, der mit Thriften viele spannende Sachen machen könnte. Das erfordert zu Anfang etwas Lehrgeld, ist dann aber sicherlich interessant - Alternativen im Forum gibt es ja auch und dann kostet ein Anzug auch nicht mehr als der Strellson im Sale. Ich würde mich freuen, wenn du das Risiko eingehst und dich etwas mehr an hochwertigeren Produkten versuchst.
 
...dafür ist es z.Z. höchst hip, ganze Hände in den Sakkotaschen zu versenken.

Schlimme Unsitte, weil ein sehr unhöfliches Signal sendend. Hier wird doch sonst so an Signale appelliert und gerade bei diesem allgegenwärtigen und bekannten Thema (im Gegensatz zur Signalwirkung der Regimentskrawatte zum Beispiel) siegt dann der Schlendrian.

Ansonsten sind das vermutlich andere Personen als damals, die sich Sachen in die Taschen stecken.

Es gibt aber Leute (oft gerade die trendsetter selbst), die heute jedem, und v.a. Neuligen, mit blockwarthaftem Ernst einreden, dass dies, was sie selbst vorleben, das einzig Wahre ist - und übermorgen anderen bedauernswerten Neuligen das Gegenteil, mit selbigem Bierernst, geradezu zu indoktrinieren versuchen.

Wie im realen Leben halt. Fast jeder Mensch ändert zu vielen Themen im Laufe der Zeit seine Meinung. Einziger Unterschied zu hier: Hier ist es schriftlich "nachweisbar". Ich finde solche Kehrtwendungen nicht verwerflich, sie sind höchst menschlich und auch ein Grund dafür, dass hier immer wieder neues Leben entsteht. Sonst könnte man die Sache ja read-only dichtmachen.

Gut, mich, Dich, Classic und etliche andere ficht das nicht an.

Oh, doch! Gegen fast alles, was ich tue, war ich mal. Gegen BD-Krawatte sogar explizit hier im Forum. Momentan finde ich das ganz nett, wenn das Outfit irgendwas Amerikanisches hat. Vielleicht bin ich eines Tages auch wieder dagegen, wer weiß?

Ich war auch mal gegen Tweed, ich fand das schmuddelig und unrein. Und gegen Anthrazit, Schwarz fand ich viel "reiner". Und Dimple fand ich ganz doof, habe sogar bewußt den Dimple rausgedrückt vor dem Festziehen der Krawatte. Dunkle Zeiten, die hoffentlich nicht wiederkommen.

Ganz anderes Beispiel: Früher war ich der Ansicht, ein (Piano-)Flügel müsse schwarz sein. Heute freue ich mich über jeden nicht schwarzen, da sie in den vielen Braun- und Sonstwastönen doch viel mehr zu bieten haben. Kirsche, Eiche, Nussbaum, Weiß, Rot, Bunt, her damit!

Ohne Kopf wird es tatsächlich schwierig, ich wage mir so kein vernünftiges Urteil.
In sehr vielen "kopflosen" Fällen sieht man aber das Schalfzimmer/den Hausflur/das Wohnzimmer/Balkon/etc. (oft schockierend genug) was auch sehr viel aussagt und es gibt ebenso viele Foristi, die sich mit Kopf abbilden.
Den Grad an für mich zuverlässig bestimmbar verkleidet wirkenden outfits würde ich auch 10% beziffern. Das ist nicht viel, aber auch nicht unerheblich wenig.

Ich vermute, dass man vor dem geistigen Auge zu viel dazudichtet. Da hat jemand einen Hausflur wie bei Hempels hinterm Sofa und bindet sich eine picobello Schleife um den Hals - na und? Ich finde das stark! Dass gerade diejenigen mit einem solchen Hausflur das tun, denn die mit dem ordentlichen Hausflur haben oft nur Tatzenjacken im Angebot. Außerdem kann man sich beim Anblick fein gekleideter Herrn fortan mit guten Gründen sagen: Die haben bestimmt auch so einen Hausflur. :)
 
2. Mir gefällt das Menschenbild hinter diesem Vorwurf nicht. Glaubt ihr wirklich, dass die Benutzer, die sich angeblich diesem Mehrheitsgeschmack unterwerfen, sich keine eigenen Gedanken über ihre Garderobe machen?

Das sehe ich anders: "Das Internet" ist bekanntlich voll mit Anbietern & Herstellern, "Looks" und Informationen zu Historie & Umfeld von Kleidung/Kombinationen, Inspiration galore und wohl auch eher Platz für zu viele Gedanken -
da kann sich jeder gut Appetit holen, aber gegessen wird von einigen dann offensichtlich gewohnheitstiermäßig überwiegend bei XYZ... ;).

Für diesen genannten "Mehrheitsgeschmack" hatte ich mal die Bezeichnung "Checklisten-Stil"erwähnt -
"erkennen und benennen" ist zwar immer ein wesentlicher Bestandteil in Foren mit entsprechender "Hobbythematik" (optisch-formal, technisch-inhaltlich...), aber ein "Stilforum" ist halt kein Espressomaschinen-Forum mit den jeweils relativ fixierten bzw. zu erwerbenden Maschine/Mühle/Marke-Kombinationen.

Wenn bestimmte Kleidungsstücke von bevorzugten Herstellern/Anbietern bzw. aus der jeweils aktuellen saisonalen Kollektion mehrfach zu sehen sind oder in den immer sehr ähnlichen Zusammenstellungen gezeigt werden und somit schon "auf den ersten Blick abgecheckt werden können", frage ich mich doch gelegentlich, welches Stilverständnis sich dahinter verbirgt und vor allem: ob da jetzt in gewisser Weise sozusagen das Ende der Fahnenstange erreicht ist, oder wie sich ein weiter umfassendes bzw. darauf aufbauendes Interesse ausdrücken könnte ?

Es ist ja schließlich ein sehr weites Klamotten(Hobby)-Feld ... :)
 
Ich finde diesen Vorwurf der nahezu lemminghaften ...

Diese Dinge wirst Du hier nicht diskursiv erörtern können. In allen religiösen Zirkeln wird die jeweilige Alternative zum eigenen Sermon herabgewürdigt und eine mehr oder minder dichotomische Weltsicht etabliert. Hier die Geschmackvollen, dort die Geschmacklosen – hier die Stilvollen, dort die Stillosen, ein ewig Lied, versucht zu untermauern mit vermeintlich objektiven Fakten. Näherer Betrachtung halten diese allerdings zumeist nicht stand. Ich will dagegen aber auch nicht sonderlich polemisieren, denn wahrscheinlich braucht es dies als verbindenden Kitt, um eine soziale Gruppe zu homogenisieren und sie nach außen abzugrenzen.
 
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Beide Varianten hatte ich im Angebot. Mit der 7,5 cm Krawatte und dem, für den Haifisch füllenderen Knoten (in meinem Fall übrigens durchaus nur ein FIH, gar nicht mal Windsor) also diese Entscheidung für dieses Hemd.
Also vielleicht verstehe ich dich ja falsch, aber der gestern von dir gezeigte Knoten ist sicher kein FIH.
Wenn ich länger überlegen würde, würde mir eine ganze Reihe einfallen.
Als Bsp.: BD mit Krawatte. War lange Zeit völlig unmöglich im Forum.
Noch krasser: Ich erinnere mich an Diskussionen, in denen Forumsstandard war, dass Sakkotaschen zugenäht bleiben müssen und Schlüssel o.ä. darin der Stiltod schlechthin wären. Davon schreib heute niemand mehr (oder getraut sich nicht), dafür ist es z.Z. höchst hip, ganze Hände in den Sakkotaschen zu versenken.

Nein. es ist nicht schlimm. Trends kommen, Trend gehen und das ist auch gut so.
Es gibt aber Leute (oft gerade die trendsetter selbst), die heute jedem, und v.a. Neuligen, mit blockwarthaftem Ernst einreden, dass dies, was sie selbst vorleben, das einzig Wahre ist - und übermorgen anderen bedauernswerten Neuligen das Gegenteil, mit selbigem Bierernst, geradezu zu indoktrinieren versuchen.
Das Beispiel mit BD wird oft genannt - an welcher Stelle wird denn indoktriniert, dass man das zu tragen habe? Ich bin wirklich viel im Forum, kann mich aber nicht erinnern, dass das irgendwann jemand behauptet hat?!
Dass es seit einiger Zeit vermehrt vorkommt, dass BD + Krawatte getragen wird, ist schon möglich. Wie das hier dann aber zu einem Beweis für die Uneigenständigkeit der Träger stilisiert wird, ist Großes Kino, danke dafür.
Bzgl. der Sakkotaschen: Ich kann mich an die Diskussion erinnern, Butch. Es gab noch weitere, alle aber mit dem gleichen Ausgang: Die meisten trennen die Taschen auf und empfehlen dies auch. Die Zugenähtlasser waren in der Minderheit.

Ich finde es etwas schade, dass die Diskussion bzgl. Festgefahrenheit des Stils immer wieder aufkommt, obwohl es einfach nicht stimmt. Werft einen Blick in die Wettwerbe, in den Jahreswettbewerb 2013 und blättert mal wieder ein bisschen im WTIH.

Wenn man nach Ähnlichkeiten sucht, findet man sie auch, wenn man nur fest genug will.
 
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