Was ist Stil? Ein Definitionsversuch

Zeitgeist

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Nachdem nun bereits in einigen Threads das Thema "Was ist eigentlich Stil?" irgendwie mit angeschnitten wurde, möchte ich hier nun einen eigenen Thread dazu eröffnen.

Ich nehme als Diskussionsgrundlage mal den folgenden Abschnitt von Wikipedia:

Zu erwähnen sei noch das Spannungsfeld der Begriffe „mit Stil“, „kultiviert“, „manieriert“, „zivilisiert“:

  • Jemand hat einen Stil, orientiert also sein (Konsum-)verhalten konsequent an einem von ihm vertretenen Wertkonzept, dem meist traditionelle Qualitätsvorstellungen zu Grunde liegen
  • aber jemand hat Stil, wenn er sich innerhalb eines geschmacklichen Kanons sicher bewegt.
Quelle: Wikipedia

Danach haben die Teilnehmer hier zumeist "einen Stil", aber auch "Stil". Genau genommen hat damit auch jeder Punker Stil, wenn er sich gemäß der Geschmacksvorstellungen von Punkern kleidet. Mich würde dazu interessieren: was ist Ihr Stil?
Und was mich noch interessiert: ich kenne es eigentlich so, dass man mit dem Satz: "er hat Stil" meint, dass sich jemand in einer ausgewogenen, geschmacklich abgestimmten Komposition eher traditioneller Natur bewegt. Wobei sich das Traditionelle in der Regel auf Anzüge (inkl. Smoking, Frack, etc.) bezieht, weniger auf volkstümliche Kleidung. Also eher eine Vermischung von den beiden Definitionen von Wikipedia mit einer klaren Eingrenzung auf bestimmte Bekleidungs- und Verhaltensweisen. Ein Punker, um mal bei dieser Gruppe als Beispiel zu bleiben, hätte danach keinen Stil. Wie sehen Sie das?

Und noch einen weiteren Punkt: gibt es eine Verknüpfung von "Stil" mit den Begriffen "Manieren", "Sitten", "Werten" und "Moral"?
 
Mein Empfinden. Habe noch nie gehört, dass jemand das Tragen einer Tracht als "stilvoll" bezeichnet hat. Allerdings gibt es in meinem Umfeld auch niemanden, der Trachten trägt, meine Familie ist eher städterisch geprägt.
 
Mein Empfinden. Habe noch nie gehört, dass jemand das Tragen einer Tracht als "stilvoll" bezeichnet hat.
Das meiste, was wir vielleicht als "Tracht" bezeichnen, ist in den entspr. Herkunftsregionen oder -ländern durchaus formal wear und teilweise von der Verwendung dem westlichen black tie vergleichbar, angefangen bei Kilt und Kimono.

Ich kenne mich z.B. in Süddeutschland auf dem Lande nicht aus, aber ich nehme an, dass auch da die echten, guten Trachten (nicht der Oktoberfest-Mode-Schund) durchaus zu den förmlichsten Anlässen wie Hochzeit, 50. Geburtstag oder Verleihung des Bayerischen Verdienstordens am Enzian-Bande getragen wird. ;)

Insofern von mir ein eindeutiges "ja, klassische, passende Tracht entspricht im Zweifelsfall beiden Stil-Definitionen".
 
Ich kenne mich z.B. in Süddeutschland auf dem Lande nicht aus, aber ich nehme an, dass auch da die echten, guten Trachten (nicht der Oktoberfest-Mode-Schund) durchaus zu den förmlichsten Anlässen wie Hochzeit, 50. Geburtstag oder Verleihung des Bayerischen Verdienstordens am Enzian-Bande getragen wird. ;)

Da liegst du richtig. Im Detail ist es sogar ziemlich kompliziert wann was getragen wird, aber grundsätzlich gilt: Tracht ist auch formelle Kleidung.

Am Beispiel der Miaschbecker siehe zb hier.
 
Ein blöder Versuch

Vielleicht ein blöder Versuch: Ich habe eine Zitatsuchmaschine mit dem Wort „Stil“ gefüttert und unter anderem folgende Ergebnisse erhalten:
  • „Den Stil verbessern, das heißt den Gedanken verbessern.“ (Friedrich Nietzsche)
  • „Der Stil ist der genaue Abdruck der Qualität des Denkens.“ (Arthur Schopenhauer)
  • „Die erste, ja für sich allein beinahe ausreichende Regel des guten Stils ist diese, daß man etwas zu sagen habe.“ (Arthur Schopenhauer)
  • „Nur ein großer Geist wagt es, einfach im Stil zu sein.“ (Stendhal)
  • „Siehst du, daß der Stil ängstlich geglättet und ausgefeilt ist, kannst du sicher sein, daß sich auch die Seele des Autors mit Bagatellen befaßt.“ (Lucius Annaeus Seneca)
Interessant finde ich die gehäufte Vorstellung, dass ein Zusammenhang zwischen Stil- und gedanklicher Qualität besteht, Stil sich also als Zeichen oder Ausdruck einer dahinter stehenden Ansicht oder Haltung deuten lässt.

Übertrüge man diese Annahme einmal sorglos und ohne weitere Rücksicht auf die Kontexte, in denen die oben Zitierten sich geäußert haben, auf die beiden Themen, aus denen die Fragestellung hervorgegangen ist („Weihnachtsessen overdressed“ und „Trauerkleidung“), so ergäbe sich daraus die Schlussfolgerung, dass der stilvolle Gast (was immer das im Einzelnen bedeuten mag) seine Feierlichkeit oder Trauer nicht nur besser nach außen signalisieren kann, sondern tatsächlich auch zu einer Vertiefung oder Verfeinerung seiner Regungen in der Lage ist. Ich finde das einen spannenden Gedanken. Er erinnert mich ein bisschen an medizinische Untersuchungen, die zu dem Schluss kommen, dass Botox-Patienten nicht nur weniger Lächeln zeigen können, sondern deswegen auch weniger Freude empfinden können.

(Dass sich äußere Signale immer auch vorspiegeln und zum Vortäuschen einer feierlichen, traurigen oder sonstwie gearteten Haltung oder Stimmung missbrauchen lassen, will ich mit dieser Idee natürlich gar nicht in Abrede stellen.)
 
Über das Stilmagazin

"Wir sind zwar kein Designer-Blog und auch nicht so cool wie Stylebop, aber wir haben ein großes Herz für gute Herrengarderobe. Entdecken Sie mit uns, wie einfach es ist sich gut zu kleiden."

Genau so steht es auf der ersten Seite des STILMAGAZINS. Es ist unschwer zu entnehmen, dass mit diesen Worten Bekleidung und Herrengarderobe gemeint ist.

Wer das ausweitet auf Diskussionsstile, Lebensstil, Kampfstil oder gar "Stil als Zeichen oder Ausdruck einer dahinter stehenden Ansicht" findet hier zwar auch Diskussionspartner, wird aber wenig Zuspruch von denen erhalten, die über gute Herrengarderobe schreiben wollen.

Insofern gehören beide Themen („Weihnachtsessen overdressed“ und „Trauerkleidung“) ins Stilmagazin. Philosophische Betrachtungen müssen dagegen nicht unbedingt sein.
 
Gut, utala, dann sollte aber auch vielleicht dringend der Untertitel geändert werden, um den Leuten nicht fälschlicherweise die vermehrte Anwesenheit hier von Gentlemen oder anderen universell stilvollen oder manieren-gebildeten Menschen nahezulegen. ;)

Stilmagazin.
Online Magazin für Stil

Das ist dann zumindest mißverständlich.

Wie wäre es z.B. mit

Stilmagazin.
Online Magazin für klassische Herrengarderobe & mehr
 
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