Von einem der auszieht, um sich anzukleiden

ICEjockey

New Member
Werte Foristi,

Bei aller Kritik an Datenkraken ala google, einen Vorteil haben sie doch: irgendwann stößt man auf eine Community, welche interessante und mithin nützliche Themen behandelt. Und voila ein solches tat sich mir hier jüngst in Form und Forum des Stilmagzins auf. Da zum Stil nicht unwesentlich auch der Begriff des guten - eben stilvollen - Benehmens gehört möchte ich mich und meine Motivation hier zunächst einmal vorstellen.

Seit nun mehr 32 Jahren teile ich die Herausforderungen des menschlichen Lebens. Selbiges hat mich schon etwas herum gebracht, wenn auch eher im beschaulichen Europa als denn in den exotischen Regionen. Von Hause aus bin ich Rheinländer und nun auch dort wieder mit Frau beheimatet.

Mein Weg ins Forum rührte aus einer einziger simplen Frage heraus: wie kann es sein, dass es mir quasi unmöglich erscheint, gute und vernünftige Kleidung zu erwerben, in der ich mich vor allem auch wohl fühle - Insbesondere ob meiner Beobachtungen im benachbarten Frankreich, wo mir die dortigen Herren (und Damen!) durchweg eleganter und stilsicherer vorkamen. Hexerei konnte / kann das ja nicht sein, und so bin ich endlich ausgezogen, mich gut anzuziehen.

Dem entgegen steht, dass meine Sozialisation in Sachen stilvoller Kleidung in einer durchweg Handwerker und Ingenieurs Familie quasi nie stattgefunden hat. Liebe Handwerker und Ingenieure, das soll nicht über den berühmten einen Kamm geschoren heißen, sondern ist einfach meine individuelle familiäre Erfahrung. Maxime bisher: Form Follows Funktion. Einige absolute Basics waren und sind mir zwar klar, aber Kleidung (nota bene: bis auf Schuhwerk) war bis dato zumindest ein Stiefkind, wenn nicht sogar Objekt der Abneigung. Letztere wohl dem schieren Unwissen geschuldet - Beispiel gefällig: ein Hemd ist aus Baumwolle... Punkt. Oxford versus was auch immer? zum ersten Mal hier gelesen. Und daraus resultierend bin (war) ich wohl der beste Kunde aller möglichen Kaufhaus- und Herrenmodenketten, indem man mir jeden (überteuerten) Schund andrehen konnte. Meine Besuche in diesen Etablissements der Mode(!)Industrie habe ich also irgendwann auf das nötigste reduziert, laufen sie doch jedes mal nach ähnlichem Schema ab. Nach der Frage, ich würde für meine berufliche Tätigkeit einen haltbaren und passendem Anzug / Hemd / Krawatte benötigen folgte mal eher, mal später der unvermeidliche Gang zum Ständer / Regal mit den bekannten teuren Marken. Trotz teils recht hoher Investition stellte sich in den allermeisten Fällen heraus, dass die Stücke nicht länger als ein Jahr hielten und so richtig passen taten sie meist auch nicht. Frust pur! Wie konnte es sein, dass ein Anzug bestehend aus bloß zwei Teilen aber zu vielen hundert Euro nur ein paar Monate hält??? Und nein, er wurde nicht täglich getragen, wohl aber durchaus belastet z.B. Durch zahlreiche Reisen. Daher auch immer meine Frage nach einem "belastbaren" Stück. Als Konsequenz daraus durfte dann irgendwann ein Hemd nicht mehr als 30 Euro und ein Anzug nicht mehr als 200 Euro kosten:" Eh zum wegwerfen" was aber so garnicht meiner Philosophie entspricht. Das wieder führte dazu, dass meine aktuelle Garderobe gefühlt fast aus nur noch schlecht sitzenden Teilen besteht, in denen ich mich nicht einmal wohl fühle. Knitterhemden, bauschige Flatterhosen, Faltensakkos... Willkommen im Universum deutschen Büroalltags der Firmen B..s und L...d!

Nach der Maßgabe Love it, leave it or change it bin ich ich zum change (die Option "leave it" kommt bei Kleidung wohl kaum in Frage ;-)) gekommen.

Abschließend noch ein paar Worte zu meiner Erwartungshaltung. In erster Linie bedeutet Stil für mich Authentizität. Was nutzt mir der beste Anzug, wenn ich mich nicht darin erkenne? Sicher ist das noch ein Weg, aber eine grobe Vorstellung habe ich durchaus... Etwa causa Einstecktuch. Vom Grundsatz her bin ich auch eher konservativ veranlagt, was aber nicht mit altbacken gleichzusetzen ist. Allzu auffällige Muster sind z.B. Nicht mein Ding, aber eine moderne Interpretation darf es schon sein. Dass es die Welt nicht umsonst gibt, ist mir als Betriebswirt auch klar. Solange ich aber für Frau, Tier, Zukunft noch etwa 14 Std am Tag unterwegs bin, sind Budget und Zeit nun einmal limitiert. Budget kann ggf. durch Geduld (im Schwäbischen: sparen) etwas ausgeglichen werden. Im Englischen nutze ich gerne die Wendung "reasonable Price" was für mich etwa bedeutet: gute Lösungen kosten gutes Geld, Namen, Marketing, Trends und Show brauche ich aber nicht. Salopp gesagt: unsere Pferde stehen im Stall und sind nicht auf die Brust gestickt. Im übrigen: ein phantastisch stilvolles Vergnügen ist es mit dem Familiengespann, historischer Break (Kutsche) auszufahren und beim Picknick (mit englischem Korb ) ein oder zwei Gläser Mercier zu genießen. Ok, das passiert vielleicht einmal im Jahr und klingt - zugegeben- schon merkwürdig abgehoben. In der Regel ist auch ein zünftiger Biergarten grossartig. Bodenständigkeit und guter Stil müssen sich eben nicht zwingend ausschließen.

Jetzt war das ein langer Text und ich hoffe, ich habe nicht zu viel gejammert ;-) es würde mich freuen, wenn dies dennoch der eine oder andere gelesen hat. Ebenso freue ich mich auf den Austausch und Tipps, wie ich mit eurer Hilfe aus meinem negativen Kleidungscharma ein positives machen kann. Konkrete Fragen folgen dann.

Herzliche Grüße

P.s.: diese Zeilen habe ich im Zug auf dem Tablet geschrieben. Fehler bei Rechtschreibung und Interpunktion bitte ich nachsichtig zu entschuldigen.
 
Willkommen!
Für eine Geschichte auf Tablet im Zug für mich sensationell geschrieben.

Überleg es dir gut, es wird gutes Geld kosten:cool:
 
Welches z.B. bei Dir ganz gut aufgehoben ist, um auf das Thema Preis-Leistung zurückzukommen ;)

Liebe Grüsse
Dominik

Ich dachte eher and Textile, er wird für den Preis den er bisher für Hemden abgedrückt hat nun Strümpfe kaufen und statt eines Anzugs bekommtber nun "nur" ein Hemd;)

Man muss wirklich wissen, wenn man nur an der Oberfläche der Thematik rumwurschtelt, kostet ein Outfit komplett schnell mal 1800 und das ist wirklich nicht das Ende.......... wenn man da reinschnuppert, geht auch schnell mal n 3er übern Tisch:eek:
 
Und mit 3er ist sowohl das Geld, als auch das Kfz gemeint. [emoji2]

Herzlich willkommen - ich finde dich jetzt schon super und hoffte dass du das Forum mit Deinen zukünftigen Erfahrungen bereichern wirst.
 
Willkommen :-) kann deine ersten Eindrücke nur bestätigen - durch dieses Forum habe ich auch erst den Hauch einer Ahnung von einer zeitlosen Herrengarderobe erlangen können. Nur ein paar Worte der Warnung - der Spaß hier wird schnell zur Sucht oder auch zum Tick, je nachdem wozu man eher neigt ;-)
 
Guten Tag zusammen,

Zunächst einmal herzlichen Dank für die warmen Willkommensworte.

Und danke auch für die Warnungen... Dann nehme ich wohl besser Abstand? Nein, Scherz bei Seite.

Zum Thema Budget und Erwartungen habe ich zumindest aktuell recht klare Maßgaben. Selbstredend kann sich aus jedem Pflänzchen ein stattlicher Baum ergeben oder anders ausgedrückt aus einem Hemd eine Kleidungsobsession entstehen. Nun, dies gilt aber sicherlich für viele andere Bereiche auch .... Reminder an mich selber: denke an die Leidenschaft deiner Frau für Kutschen. Das Risiko will ich also mal eingehen.
Ich schrieb bereits, dass es in meinem Leben durchaus noch andere expensive Verpflichtungen gibt, so dass ich hier allein schon deswegen gezwungen bin Achtsamkeit zu üben ;-) ich denke es macht auch für mich als Novizen keinen Sinn direkt in teuerstes Material zu investieren, schließlich will ja auch ein Stil erstmal gefunden werden.

Zum Thema Preis versus (Kleider) Nutzen (ich sage bewusst nicht Qualität weil im persönlichen Nutzen noch viel mehr drin steckt...Freude etwa) habe ich heute morgen gedanklich mal ein kleines Modell aus der Ökonomie umgestrickt, das meinen Ansatz finde ich ganz gut umschreibt. Gerne führe ich das mal zu einem späteren Zeitpunkt weiter aus. Bei meinen Schuhen habe ich jedenfalls schon in der Kategorie Bexley und Loake deutlich gespürt, dass sich hier - zumindest nach meinem Empfinden - ein deutlich besseres Preis-Leistungsverhältnis wiederfindet, als bei den in diesen Landen eher bekannten Marken. Zumal der Nutzensprung im Verhältnis gegenüber dem Aufpreis großartig erscheint. Aber ich habe auch schon verspürt, dass es irgendwann dann doch der wirkliche Maßschuh werden wird. Quod erat demonstrandum? Allein der erstellungsprozess und das Bewusstsein ein Stück traditionelles Handwerk im besten Sinne zu erwerben und zu besitzen kitzelt. Natürlich gibt es wie so meist im Leben nach oben kaum Grenzen und ich muss diese - jedenfalls momentan - nicht ad astra ausloten.

Wie soll es nun konkret weitergehen? Ich habe bereits viel hier geschmökert und das Eine oder andere aufgeschnappt, vielleicht aber noch nicht alles ganz verstanden. Der Erste Entwurf meines Planes sieht aus wie folgt:

Schuhe sind vorhanden in Braun und Schwarz mehrere Paare, alles rahmengenäht , die für meine Begriffe zunächst tauglich sind (selbst meine 6 Jahren alte Bexleys sehen noch manierlich aus, dem Schuhmachermeister sei Dank an dieser Stelle)

Am dringendsten benötigt werden in näherer Zeit ein Satz neuer Hemden und zwei Anzüge. Offenbar dunkles Blau und ein Grau zu wählen? Im gleich benachbarten Strang wird eifrig zur Firma SuSu (eine übrigens herrlich kafkaeske Lautmalerei für einen Anzughersteller) diskutiert. Ich dachte mir, dass wäre vielleicht ein passender Einstieg, zumal weder Düsseldorf noch Maastricht weit entfernt sind. Wichtig wäre mir hier aber eine gute Beratung bzgl. Passform und das Angebot der entsprechenden Änderung wenn und wo nötig (bei mir sicher nötig!). Auf welche drei bis fünf Punkte sollte ich denn beim anprobieren besonders achten. Kein Faltenwurf...ok. Im Spiegel betrachtet stelle ich bei den aktuellen Sakkos fest, dass es vorne zwar passt - naja der Knopf geht zu - aber sich hinten so eine Art "entenbürzel" ergibt, der ein unvorteilhaftes hohlkreuz suggeriert - welch Botschaft, quasi kein Rückgrat zu haben :-(

Bei den Hemden habe ich noch keine so konkrete Idee. Es geistern hier diverse englische ? Versender (so scheint es mir) durchs Forum die, ähnlich z.b. der bexley Schuhe, nicht das non-plus-Ultra aber etwas brauchbares liefern. Allein gerade das Thema Hemd schreckt mich, weil mir bis dato nicht einmal bewusst war, dass es da neben den Kragenweiten auch verschiedene weitere grössenkriterien gibt. Umso distanzierter stünde ich hier zum online Kauf. Oder übertreibe ich? So eine richtige Empfehlung auch für den Stoff habe ich irgendwie noch nicht gefunden. Anmerkung: es ist schon wirklich traurig, dass in den 10 Jahren in denen ich nun regelmäßig Hemden kaufe! in den verschiedensten Geschäften und in den verschiedensten Städten mich nicht ein einziger sogenannter "Berater" dazu mal aufgeklärt oder wenigstens danach gefragt hat! Und wo kann ich nachlesen, was es mit den Schnitten auf sich hat? Es wird immer wieder von slim, und fittet und regulär gesprochen. Ganz ehrlich: böhmische Dörfer. Ich bin mir sicher, es findet sich dazu auch irgendwo hier oder im Netz eine prima Übersicht, für einen Link oder Tipp dazu wäre ich sehr dankbar.

Schon wieder ein recht langer Text, und wieder im Zug... Ihr seht, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass die Kleidung einiges durchmacht bei mir. Dennoch hoffe ich auf eine Antworten hier, lese parallel fleißig weiter und bedanke mich für eure geschätzte Aufmerksamkeit.

Besten Gruß derzeit aus dem Weltkulturerbe mittleres Rheintal.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier im Forum wirst Du wunderbare Unterstuetzung bei Deinem Vorhaben finden, da bin ich mich sicher. 2 Tipps, jenseits von konkreter Kleidung, konkreten Marken oder Schneidern:

Stil oder allgemeiner Bewusstsein fuer Kleidung entwickeln kostet Fehlversuche. Ein Fehlkauf hier und da schaerft Dein Wissen um das, was Dir wirklich steht.

Der Anzug, das Outfit ist imho (aber andere haben da andere Meinungen) dann gelungen, wenn es den Blick ganz natuerlich auf das Gesicht lenkt. D.h. Farbe, Muster etc. muessen zum Gesicht und damit zum Hautton, Augenfarbe, Haarfarbe passen. Unter dem Stichwort "Farbtyp" findet sich im Internet jede Menge, v.a. Anbieter von kommerzieller Farbberatung (fuer Frauen). Dafuer braucht man sicher kein Geld ausgeben, aber sich mit der Frage zu beschaeftigen, welche Farben Dein Gesicht vorteilhaft erscheinen lassen, schadet nicht.
 
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