Leute, Leute..
Was mich hier, und in fast allen anderen Foren, fürchterlich nervt, ist der nahezu missionarische Eifer, mit dem einzelne Ihre Lebenssituation als verbindlich und einzig richtig definieren.
Die Diskussion darüber ist so alt wie die Mode selbst. Der eine findet sich im grünen Anzug toll, für den anderen ist der damit schon ein Gockel, weil dieser grundsätzlich nur grau trägt.
Für mich ist alles abseits des Anzugs "casual" Kleidung, die ich in der Freizeit trage. Selbst in der Freizeit trage ich häufig Anzug, dann halt gemustert oder in ambitionierten Farben. Damit ecke ich häufig an, damit kann ich leben, maße mir aber nicht an, diesen "Stil" anderen vorzuschreiben, zu missionieren oder zu erwarten, speziell der deutsche Mann, würde sich nur annähernd adäquat kleiden.
Ich muss nicht täglich mit dem Hummerbesteck essen, es ist aber gut, wenn ich es kann, wenn es darauf ankommt. Und dieses Grundwissen fehlt, leider, mittlerweile 95% der deutschen Männer. Was mir in den Fußgängerzonen, auch größerer Städte entgegen wankt, ist für mich eine Beleidigung aller Sinne. Den meisten gefällt Ihre Kleidung noch nicht einmal, sie denken schlicht nicht darüber nach. Soll ich mich da ereifern? Bringt wenig, ändert nichts.
Gleichwohl gibt es klar zu definierende Kriterien für gut oder schlecht, abseits jeden Modelabels oder Strömungen.
Schurwolle ist besser als Kunstfaser, pikiert ist besser als geklebt. Viele, die sich hier anmelden wissen zu Anfang vielleicht nicht einmal, das ein Anzug Einlagen hat. Dazu kommt, das eine Marke, die mal gut war, es heute nicht mehr zwangsläufig sein muss. Wenn also Leute, die sich seit zehn, zwanzig oder mehr Jahren damit beschäftigen und sicherlich viel Geld für Mist ausgegeben haben, wenn also diese Leute Ihre Erfahrungen posten, warum soll man dann nicht davon partizipieren?
Bedenkt man Einstandspreis, Haltbarkeit, Tragehäufigkeit und schaut dann noch nach klassischer Herrenmode - die sich seit den Dreißigern nur unwesentlich verändert hat - ist das PLV leicht zu berechnen. Natürlich spielt das subjektive Empfinden, das Alter und das Umfeld eine Rolle - das ändert aber nichts an objektiv zu benennenden Qualitätskriterien. Ob ich dann willens bin, diese auch zu bezahlen, steht auf einem anderen Blatt.
Die meisten Männer in Deutschland sehen ja nicht scheisse aus, weil Sie sich nichts besseres leisten können, sondern weil Sie keine Ahnung haben und viel Geld für Dreck wie Camp David, La Martina oder Lloyd ausgeben. Verkäufer, die häufig selbst nicht wissen, wie sie Qualität erkennen, sind keine Hilfe.
Das wir uns hier auf einer Insel befinden und auf hohem Niveau über "Nichtigkeiten" debattieren, sollte jedem klar sein. Aber meine Kleidung danach auszurichten, ob ich - vielleicht sogar unangenehm - auffalle, hat nichts mit eigenem Stil zu tun, das ist das typisch deutsche Mitlaufen in der Masse. Guter Stil ist es sicherlich auch, nicht aufzufallen. Das fällt aber in Deutschland schon schwer, wenn man überhaupt eine Krawatte trägt. Wenn man sich "gut" kleidet, ist es schier unmöglich.
Keiner wird auf die Idee kommen, im Tuxedo aufs Schützenfest zu gehen ( sofern man überhaupt erwägt, dahin zu gehen ) Aber warum wirke ich lächerlich, wenn ich im Anzug in den Zoo gehe? Mir ist das schlicht egal, was andere von mir halten, ich bin das, was ich bin. Und das bin ich gerne.