Stoßplättchen selber anbringen

Nun ja... dann sind alle Maßschuhe eventuell auch nur vertrödelte Zeit für Dich,
denn man könnte auch den Schaft maschinell einleisten, den Rahmen maschinell an die Brandsohle annähen
dito die Laufsohle an den Rahmen?
Der Ausputz vergebliche Liebesmüh' oder Schnickschnack?

Oder machst Du da wieder einen Unterschied zwischen Maschinen- und Handarbeit?
 
Danke für die Erklärungen.
Auf Youtube sieht man in einigen Videos diese Arbeiten des maschinellen und händischen Doppelns.

Mein Schuhmacher fertigt auch von Hand, allerdings versenkt er nicht die Naht, wenn ich das so ausdrücken darf. Ich sprach ihn auf diese Videos an, dass dort die untere Sohle (mit dem Rahmen) aufgeschlitzt und die Naht daruntergelegt wird, anschließend wird diese wieder verdeckt. Das würde er nicht machen, viel zu viel Arbeit bzw. braucht man nicht.

Ansonsten wird die Laufsohle verklebt und man sieht gar keine Naht. Habe auch einen solchen Schuh, maschinell genäht, bei dem die Doppelnaht nicht zu sehen ist.

Nachteilig ist wohl für den machinell gefertigten Schuh, dass dieser nicht beliebt oft repariert werden kann, da der Rand mit den maschinell gestoßenen Löchern irgendwann zerbröselt.

JR ist also überbewert? Der Hersteller oder das Verfahren im Allgemeinen?

PS: Was ist nun vom Anbringen (oder nicht) der Eisen an JR zu halten und an bereits getragenen Sohlen?
 
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Da gerät jetzt einiges durcheinander:
Bei einer Sohlennaht gibt es einen Ober- und einen Unterfaden - der Oberfaden verläuft ausschließlich oberhalb/auf dem Rahmen,
der andere darunter.
Durchtrennt man den Oberfaden irgendwo, dann kann man ihn grundsätzlich die gesamte Naht aufziehen.

Beim Doppeln arbeitet der Schuhmacher mit zwei Garnen, gepecht und deshalb Drähte genannt, die ihre Lage - obendrauf/drunter - von Einstichloch zu Einstichloch ändern.
Würde man die Doppelung irgendwo durchtrennen, dann würden höchstens mit Kraft ein, zwei oder drei Schlingen aufgehen,
aber niemals die ganze Naht.

Nähkanal - offen und verdeckt:
Den offenen Nähkanal kennst Du aus den Videos.
Soll die Naht, hier nun egal ob Maschinennaht oder Doppelung von Hand später verdeckt sein,
dann schneidet man die Sohle entlang ihres Randes schräg ein - eine sogenannte Rißlippe.
Diese wird hochgeklappt und in der sich so bildenden Rinne die Naht bzw. die Doppelnaht ausgeführt.
Anschließend wird die Lippe mit Leim bestrichen, runter geklappt und geglättet.
Dies nennt man "channeled" bzw. getunnelte Sohlennaht.

Die Erstperforation des Rahmens schadet ihm grundsätzlich nicht.
Wenn die Sohle abgelaufen ist, dann kann der Schuhmacher eine Langsohle per Hand andoppeln,
um die "alten" Einstichlöcher im Rahmen genau zu treffen (= Doppeln von Hand) oder
er näht die Sohle mit einer Maschine an und trifft nicht unbedingt die alten Löcher sondern
es entstehen weitere, neue beim Nähen.
Letztere Methode übersteht der Rahmen nicht unbegrenzt, so dass (theoretisch) irgendwann ein neuer Rahmen angebracht werden muss.

Der Altgerberverband hat eine Mindestgerbzeit von 24 Monaten festgeschrieben.
Bist Du der Meinung, dass eine Gerbzeit von 6 Monaten die Qualität erhöht?

Es gibt auch Ledersohlen aus Deutschland, die mind. 24 Monate lang gegerbt werden;
wirklich gute Schuhmacher werden Dir diese anbieten obwohl diese alte Gerberei keine Homepage betreibt. ;)
 
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Nachtrag:
Bei einer getunnelten Naht wird irgendwann die Lippe durch Abrieb und Alterung teilweise abbrechen...

Bei einer versenkten Naht, nur von Hand auszuführen, wird die Sohle entlang des Randes senkrecht eingeschnitten - die Tiefe richtet sich nach ihrer Stärke.
Der Schuhmacher keilt den Schnitt auf und doppelt in diesem senkrechten Riss.

Die Naht liegt versenkt in der Sohle, so dass sie sich nicht ablaufen kann;
wird sie sichtbar, dann ist es allerhöchste Zeit für eine neue Sohle.
Dies ist die hochwertigste und aufwendigste Art eine Sohle anzudoppeln und sie erfordert großes handwerkliches Geschick.

Handnähte - egal ob zur Befestigung des Rahmens am Einstichdamm oder beim Handdoppeln verleihen einem Schuh eine hohe Elastizität:
Er läuft sich viel weicher als ein maschinengenähter.

Ich kenne vier Schuhmacher, die streiten untereinander wer die weichesten, handgemachten Schuhe hervor bringt. ;)
 
Das ist ja gerade der Punkt, dass man einen wirklich guten Schuh nur von Hand machen kann genauso wie Maßhemden und Maßanzüge.;)

Dabei sind die Handnähte nicht Selbstzweck sondern sie verleihen Elastizität und Flexibilität.
 
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Ja, der funktionale Vorteil von Handnähten in Anzügen/Hemden hat sich mir zu 70% auch nicht erschlossen. Eine AMF-Naht erfüllt ihren Zweck sicher nicht schlechter als eine Handkante, und auch sämtliche Säume (inkl. EST) kann die Maschine mindestens ebensogut. Dito mit den meisten Nähten in einem Kleidungsstück.

Und dann ist da natürlich noch die ästhetische Dimension.
 
Ja, der funktionale Vorteil von Handnähten in Anzügen/Hemden hat sich mir zu 70% auch nicht erschlossen. Eine AMF-Naht erfüllt ihren Zweck sicher nicht schlechter als eine Handkante, und auch sämtliche Säume (inkl. EST) kann die Maschine mindestens ebensogut. Dito mit den meisten Nähten in einem Kleidungsstück.

Und dann ist da natürlich noch die ästhetische Dimension.


Ich denke, mit einer Maschine dürfte es unmöglich sein etwa eine Roßhaareinlage so zu pikieren, dass die gewünschte Wölbung entsteht. Ebenso bei Kragen. Der Schneider rollte das Material ja förmlich zusammen und sticht derart, dass jeder Pikierstich etwas Zug ausübt.

Dazu kommt noch die Qualitätskontrolle. Wer jeden Stich direkt unter der Nase hat, sieht eben auch sofort, wenn etwas nicht stimmt.

Bei Hemden halte ich Handnähte auch für Unsinn, von Knopflöchern mal abgesehen.
 
Ich denke, mit einer Maschine dürfte es unmöglich sein etwa eine Roßhaareinlage so zu pikieren, dass die gewünschte Wölbung entsteht. Ebenso bei Kragen. Der Schneider rollte das Material ja förmlich zusammen und sticht derart, dass jeder Pikierstich etwas Zug ausübt.


Ja, Du beschreibst die von mir erwähnten 30%.
Und natürlich kann man sich über die Zahlen unterhalten, gut möglich dass sich mir der Sinn von 50% der Nahtmeter erschließen. Und darüber wieviel davon ich aus funktionalen und wieviel aus ästhetischen Gründen nachvollziehen kann.
 
Ich denke, mit einer Maschine dürfte es unmöglich sein etwa eine Roßhaareinlage so zu pikieren, dass die gewünschte Wölbung entsteht. Ebenso bei Kragen



Ja, der funktionale Vorteil von Handnähten in Anzügen/Hemden hat sich mir zu 70% auch nicht erschlossen. Eine AMF-Naht erfüllt ihren Zweck sicher nicht schlechter als eine Handkante, und auch sämtliche Säume (inkl. EST) kann die Maschine mindestens ebensogut.

Pikieren geht nur entsprechenden Maschinen tatsächlich recht gut. Es geht eher um Belastungs- als Ziernähte, diese sind flexibler, schützen somit den Stoff und tragen sich anders. Könnt ihr ja zuhause mal ausprobieren...
 
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