Snapshot pOrn


Eine Postkarte von 1937
Nein, das ist natürlich Fake, und nicht einmal besonders deep: nur ein Schnappschuss vom Freitag.
Ich bin, zum ersten Mal seit vielen Jahren, mit der Bahn vom Haus am See zurück nach Hamburg gefahren. Und habe vielleicht zum ersten Mal überhaupt in Hagenow Land auf meinen Anschlusszug gewartet. Das spätklassizistische Empfangsgebäude erinnert daran, dass der Provinzbahnhof einmal Bedeutung hatte, als Kreuzungspunkt der preußischen und mecklenburgischen Streckennetze – und als Randschauplatz meiner Familiengeschichte, wie mir erst da wieder eingefallen ist: Hier wartete ab 1937 mein Vater zu Beginn der Schulferien, von seinem Potsdamer Internat kommend, auf den Zug, der ihn nach Kiel zu seiner Familie brachte. Elf Jahre war er damals alt.

Und mir fällt ein: Er war 13 an dem warmen Spätsommerabend, an dem er und seine Freunde erschrocken im Garten des Internats die Radio-Nachrichten vom Kriegsausbruch verfolgten. Sechs Jahre später gehörte mein Vater zu den wenigen Überlebenden seines Jahrgangs und hat aus Gram das Haus nie wieder besucht. Ich war einmal da; es liegt in der idyllischen Glienicker Parklandschaft. Nur wenig jünger als der Bahnhof vor Hagenow, steht das Internatsgebäude unter Denkmalschutz und ist längst umgewidmet zu einer eleganten Wohnanlage. Den Garten gibt es noch immer.

Und ich denke, ich habe dort einen Termin Anfang September 2039, zwecks innigen Eingedenkens. Ich bin dann 74; da sollte sich das zeitlich doch einrichten lassen.