Self Development

Auweia. Bitte entschuldige, aber ich halte das für ein ganz großes museales Geschwurbel ohne eine einzige konkrete gedankliche Überlegung. Sich in schöngeistigen Allgemeinplätzen ergehen und ein paar wohlfeile Goethe-Zitate einstreuen: Solche diffuse Vergangenheitsverliebtheit ist für mich nicht gerade der Inbegriff profunder Bildung, sondern zeugt vielmehr von der Bequemlichkeit, sich einen präformierten Kanon zueigen zu machen und dessen Reproduktion als eigene, originäre Kulturleistung zu reklamieren. Da bin ich anderer Meinung.

Bildung heißt für mich u. a., die Voraussetzungen der eigenen Zeit aus der Geschichte zu verstehen, nicht sie gegen die Geschichte auszuspielen.

Beim Wort »Gender-Mainstreaming« habe ich aufgehört, aufmerksam zu lesen. Das nur nebenbei.

Ich wollte den guten Herren Nietzsche und Bernhard nicht absprechen, über unser heutiges Leben nichts mehr zu sagen zu haben. Aber ich halte es für eine Fehlannahme, dass »alles Gescheite schon gedacht« worden sei. Wäre dem so, dann wären Kunst und Kultur heute überflüssig und wir könnten uns mit den Museen begnügen und mit den Konzerthäusern, die tagein, tagaus nur Beethoven rauf- und runtergeigen. So ist es zum Glück nicht. :)
 
Tja, dann ist es mir wohl nicht gelungen, dass du dich nicht angegriffen fühlst, auch wenn ich sehr darum bemüht war.
Wenn du bei "Gender-Mainstreaming" aufgehört hast, aufmerksam zu lesen, kannst du den Beitrag überhaupt nicht verstanden haben, was ja auch in deinen höchst seltsamen Schlussfolgerungen zum Ausdruck kommt.
Angesichts deines Alters nehm ich's dir aber nicht übel.
 
Ich werfe hier einfach mal den Begriff "Intertextualität" in den Disput -
Literatur i.w.S. war jetzt mehrfach Diskussionsgegenstand; und wer möchte, kann sein "Self Development" ja auch mal in dieser quasi intertextuellen Perspektive erforschen und hinterfragen oder natürlich: weiterentwickeln...

Ich habe übrigens den heiteren Gedanken, den Begriff "Internetualität" in der wissenschaftlichen Fach- und Forschungswelt zu etablieren -
gibt es laut Google noch nicht, ist quasi selbsterklärend und betrifft naturgemäß jede Webseite und somit bspw. auch das WTIH-Topic...:)

Falls jemand kritisch herummäkeln sollte, dieser Neologismus sei evtl. alter Wein in neuen Schläuchen, werde ich mit ernstem Gesicht und argumentativ sehr überzeugend antworten:
"Digital first, Bedenken second." :D
 
Warum immer so verkniffen? Man sollte das Eine tun ohne das Andere zu lassen.

In der Bundesrepublik wurde der letzte Bildungsbürger 1972 an der Aussenalster erlegt, seitdem regiert der 68er Pöbel. Es ist nun müssig darüber zu sinnieren, ob es den "Geistesmenschen" früherer Prägung heute überhaupt noch gibt oder er zeitgemäß ist. War es früher ein Ideal der Bessergestellten, seine Zeit mit Studieren und Bildung zu verbringen, gibt es heute Google und Wikipedia und schlicht viel mehr Wissen in kürzerer Zeit, weil man taktgenau alles und jedes mitbekommt.

Dennoch, so meine Meinung, ist ein Grundstock an Wissen und Bildung - früher Allgemeinbildung genannt - ein essentieller Bestandteil der persönlichen Reife und Entwicklung. Man muss nicht jeden Klassiker gelesen haben, sollte aber zumindest ein Basiswissen haben, genau wie von Kunst, Philosophie, Architektur, Kochen und was sonst noch, einfach um sich eine eigene Meinung bilden zu können und dann beständig in Feldern, die einen interessieren, studieren.

Heute dominiert leider die vage Halbbildung irgendwelcher pseudointellektueller Möchtegerns, die nicht müde werden, Ihre vermeintliche Überlegenheit durch wichtig klingende Worthülsen ungefragt unters Volk zu streuen.

Die theoretische Bildung ersetzt aber kaum das eigene Erleben, die Erfahrung und einen offenen Geist und Blick für die Welt. Früher nannte man das "mondän", und es war eines der großen Ideale der Aufklärung. Heute hat nahezu jeder die Möglichkeit zu reisen, Museen zu besuchen oder fremde Kulturen kennenzulernen, ein Privileg das noch vor 60 Jahren nur wenige hatten.

Heute hat man mit drei Tastendrücken das Wissen der ganzen Welt zur freien Verfügung, aber noch nie waren die Leute so ungebildet, übersättigt und faul wie Heute. Wurde Bildung früher als Privileg verstanden, ist sie heute lästig. Maximal haben wir Busladungen von Fachidioten, die sich blasiert für den Nabel der Welt halten.

Sich einen Wagner oder Shakespeare zu erarbeiten, wer tut das noch? Es muss alles in leichtverdaulichen, kleinen Häppchen präsentiert werden, quasi das McDonalds der Bildung.

Ob man nun Nietzsches Vorliebe für die alten Griechen als Ideal in der heutigen Zeit noch stehenlassen kann, sei dahingestellt. Die Forschung und auch die Entwicklung des Menschen steht nicht still. Richtig ist aber auch, aus meiner Sicht, in den letzten 50 Jahren sind kaum noch Bücher geschrieben worden, kaum noch Musik komponiert worden, die man unbedingt kennen muss. Dies ist aber meine subjektive Meinung, wer Grass für einen Jahrhundertautor hält und Rachmanninoff liebt wird das - zurecht - anders sehen.
 
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