Schuhinnenansichten

Jetzt wird es etwas komplizierter:
Man erkennt, dass sich an der Brandsohle kein aufgeklebtes o.ä. Gemband befindet. Der Einstechdamm für die Rahmennaht (und somit die Verbindung der Brandsohle mit Schaft und Rahmen) besteht aus dem Leder der Brandsohle und setzt sich aus einem geschnittenen/gespaltenen und aufgestellten äußeren und inneren Anteil zusammen.
Der rote Kreis zeigt diesen Bereich der Brandsohle mit dem Einstechdamm, dazu die drei sichtbaren -und letztendlich vernähten- Schichten: Textil-Futter, Oberleder, Rahmen (1,2,3).

Verschiedene Perspektiven am Einstechdamm von innen und außen, sowie 'hochgestellt' und 'auseinandergeklappt',
die Löcher der Rahmennaht sind gut erkennbar (die dünne Naht ist für die Deckbrandsohle, s.o.) -
mit ein paar krassen PAINT-Skills habe ich das noch etwas beschriftet und ein paar rote 'x' zugefügt:
dort sieht man die Rahmennaht und insbesondere deren Abstände, bestimmt für diejenigen interessant, die nur die sichtbaren (Sohlen-)Nähte auf dem Rahmen und an der Sohlenseite kennen ?

Jetzt habe ich fortwährend den Begriff 'Einstechdamm' benutzt, obwohl der ja bei handgefertigten Schuhen aus dem Leder der Brandsohle herausgearbeitet wird (mit Hobel etc.) und tatsächlich dammartig ausschaut und vor allem mehrere Millimeter breit ist -
ich meinte eher den Begriff 'Rißlippe...;)


Das Schuhzerlegen ging mit Opinel und Rasierklinge recht fix, weiteres möglicherweise verletzungsanfälliges Procedere am bspw. Absatz habe ich mir erspart: es warteten zudem auch die Kaninchenkeulen... :D
 

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Aktuelle Innereien: ein Halfbrogue in der typischen rahmengenähten Version mit Gemband und modisch spitz zulaufender Leistenform.

Zuerst ein Eindruck vom Absatzfleck, die kombinierte Variante aus Gummi mit Lederanteil:
man erkennt die vergleichsweise dünne Lederschicht, auch wenn sie abgelaufen oder etwas 'verdichtet' wurde, scheint deutlich weniger Materialstärke im Lederanteil vorhanden zu sein (Vergleichsbild ein brauner Fabia-Schuh mit knapp 5 mm Leder und separatem Gummi).

Die Gesamtansicht nach Entfernen der Laufsohle und des Rahmens zeigt die Brandsohle mit Gemband, Korkmasse, Einstechnaht in weißem Faden (die eigentliche "Rahmennaht"). Links das Gemband im Originalzustand - geklebt auf die Brandsohle- und rechts abgezogen.

Der Querschnitt zeigt von außen:
Oberleder schwarz, Vorderkappe aus hellem Thermoplast, Futterleder hellbraun, Gemband weißlich mit hellbraunem Mittelteil.
Das Gemband besteht aus einem Textil, im Inneren befindet sich noch ein dünner Lederstreifen zur Verstärkung -
im Anschnitt wirkt es daher dreischichtig.

Bis zum Absatzbereich sind im Abstand von ca. 3cm Metallklammern zu finden, die den Schaft (Oberleder mit Futterleder und teilweise Vorderkappe) mit dem Gemband verbinden -
diese ähneln Heftklammern und dürften evolutionär den Zwicktacks/Nägeln entsprechen, die den Schaft vor dem (Hand-)Rahmennähen fixieren:
dort allerdings am Leisten und nicht als Konstruktionsmerkmal...

Man könnte also sagen, dass es sich vor dem Anbringen des Rahmens mittels der typischen Goodyear-Einstechnaht (durch Rahmen - Schaft - Gemband) um eine 'geheftklammerte Machart' handelt:
die Verbindung von Schaft und Brandsohle via Gemband besteht zumindest aus knapp 30 Metallklammern...;)

Im Spitzenbereich befinden sich diese Klammern direkt nebeneinander mit ~14 Stück pro 10 Einstiche der Rahmennaht - das dürfte halten...
 

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So angebracht habe ich die Heftklammern auch noch nicht gesehen - waagerecht durch's Gemband geschossen.
Normalerweise benutzen die Schuhmacher, wie Du ja auch schreibst, die Heftklammern beim Stiften des Schaftes auf dem Leisten.
 
Tackern geht schneller und ist günstiger als nageln ;)

Entscheidend wäre die Frage, ob sich aus der Methode negative Auswirkungen auf Tragegefühl und Haltbarkeit ergeben. Vermutlich nicht.
 
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Im hinteren Bereich ein Blick auf die Gelenkfeder, dass diese beim Öffnen des Schuhs teilweise auf der -in diesem Bereich geteilten-Korkmasse liegt, dürfte wohl meinen Zerlegungskünsten und Titanenkräften zuzuschreiben sein...?
Die Feder wurde mit dem sichtbaren Kleber an der Brandsohle fixiert, keine weitere Befestigung durch Nägel oder gar eine Abdeckung/Fixierung mit einer Art Gelenkstück. Die Abdeckung durch die Korkmasse reicht bis zum Absatz, dahinter befindet sich eigentlich nichts - mit Ausnahme des schon an anderer Stelle erwähnten Hohlraumes.
Ob dieser Hohlraum der Grund dafür ist, dass dieser Brandsohlen-Bereich der Ferse auffällig stark eingesunken ist?
Man erkennt hier eine erhebliche Konkavität, am hinteren Rand eine Art halbkreisförmiger Wall, der offensichtlich auf den darunterliegenden Keder zurückzuführen ist - mittig drückt sich die Gelenkfeder durch bzw. befinden sich parallel dazu die deutlichsten Vertiefungen.
Ob diese schon während der Herstellung entstehen, ich könnte mir z.B. vorstellen, dass zur Absatzmontage ein erheblicher Kraftaufwand und ggf. Gegendruck in diesem Bereich stattfindet (vergleichbar dem typischen Schuhmacher-Dreifuß aber eben in industriell-maschinellem Format...)? Die im Neustand wohl recht üppige Schaumstoffpolsterung der Deckbrandsohle hat dem naturgemäß wenig entgegenzusetzen...


Edit: die genannten 'Fabia-Schuhe' stammen weder aus Tschechien noch von Škoda, sondern eigentlich von 'Fabula' aus Ungarn...:D
 

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