Der Körper hat schnitttechnisch gesehen ganz genaue Stellpunkte, wie die Balance, Stellung der vorderen Halslochspitze, Bauchpunkt, Oberweiten- und Gesäßweitenzugaben, die man ziemlich genau mit der Messtechnik erfassen kann. In diesem Falle sollte man die verschiedenen Schnittsysteme übereinanderlegen können. Je nachdem, wie die Achselnaht verlegt wurde kann sich die Balance natürlich im Schnittmuster verschieben. Man kann Schnitttechnisch also schon ein außerordentlich passendes Sakko erreichen. Ältere Systeme beinhalten noch nicht das Verständnis der Balance und der richtigen Halslochspitzenstellung, das bekommt man dann mit der Anprobe gerichtet. Fehler in einem Schnittaufstellung werden gemacht, wenn man die Abweichungen der Proportionen vom Kunden nicht richtig erfasst. Da liegt das Problem. Das genaueste Schnittsystem ist das Müllersystem, wenn man es richtig beherrscht, das können aber nur noch sehr wenige. Wenn man einen Italienischen Anzugstil tragen will, sollte man auch zum Italienischen Schneider gehen. Die Italiener haben auch ihre eigenen Schnittsysteme, die haben eine andere Formgebung der geschweiften Seitentaillierung, der hinteren Ärmelnaht und Ärmelkugel. Das liegt dem älteren Herrenmaßschneider nicht so, denn nach deutschen Schneiderverständnis sieht das wie Murks aus. Deutsche Schneider machen eben gern solide, biedere, teure Businessanzüge. Die meisten deutschen Schnittsysteme haben sich nach 1945 am Müllersystem orientiert, sie sind also alle ähnlich korrekt. 1945 hat Mueller das System total umgekrempelt und besteht heute immer noch aus demselben Standard, nur eben weiterentwickelt. Die Hochphase des Schnittsystems war 1969 - 72 dann bis 1977 ausgebaut und danach ging’s permanent abwärts mit der Mode und auch mit dem System weil die Schneiderei ab den 80igern vergreiste und ausstarb.