Sakkoschultern und Einlagen im Vergleich

zr3rs

Well-Known Member
Ich habe gestern fast 5 Stunden Sakkos anprobiert und möchte die Erfahrungen, primär bezüglich des Tragekomforts im Schulterbereich teilen. Der Hintergrund: Die Normalgrößen sind heute fast nur noch in Bauchfrei-Länge erhältlich, und wenn es überhaupt Langgrößen gibt, sind die Ärmel meist erheblich zu lang (sprich: teuer von oben kürzen). Ich befinde mich quasi im Niemandsland zwischen 50/52 und 98/102.

Andererseits habe ich wohl Schultern, die recht gut in RTW passen. Ohne Anpassungen passen bisher Regent und Brioni in 50:rolleyes: Wegen Rundrücken stößt das Schultergelenk schon mal gerne an die vordere Schulternaht. Konkret habe ich sozusagen die Einlage im vorderen Schulterbereich getestet.

Auslöser dieser Postings war, dass ich bei mehreren Herstellern vergleichsweise große Unterschiede in diesem Bereich bei eigentlich gleicher Größe und Schnittform gefunden habe. Ich schreib mal auch die Listenpreise dazu als Orientierung.

Ermenegildo Zegna (1500 Euro)

War mein Ausgangspunkt. Die Schultern passen mir sehr gut, ich hatte glaube ich ein 52L Drop 7, was als 98 ausgezeichnet war.

Pal Zileri

Das erste (900 Euro) in 98 ausgezeichnet, hatte im vorderen Schulterbereich relativ steife Einlagen (übertrieben wie 3 Lagen Molton verklebt).
Dann im anderen Laden (1200 Euro) in 52 (Länge passte trotzdem), hier waren die Einlagen viel dünner. Für die Preisklasse hatte ich doch etwas mehr erwartet.

Windsor

Das erste (500 Euro) passte in 98 gut (shaped fit). Die Einlagen waren nicht wirklich hart, aber im Vergleich drücke die Schulternaht doch sehr unflexibel. Dann die Überraschung: das zweite (1000 Euro, 100%Kaschmir von Carlo Barbera) auch in 98 (shaped fit), nicht die sartoriale Linie, hatte eine ganz andere Flexibilität und Weichheit in der Schulter.

So nach Internet-Spezifikationsliste hätte da eigentlich kein so großer Unterschied sein dürfen, aber ich nehme an, dass tatsächlich auch ganz andere Einlagen verarbeitet wurden. Das Revers des zweiten scheint übrigens verklebt, für mich ein Indiz, dass die ganze Diskussion verklebt/lose schon so ein bisschen an der Realität vorbeigeht.

SuitSupply

Das wollte ich doch jetzt mal als Referenz vergleichen. Ich habe dort Anzüge probiert (weil ich schon ein Sakko hatte, ihr dürft mal raten welches;)). Bei SuSu brauche ich wiederum keine Langgrößen, aber 50 geht in London gut, Napoli schon sehr knapp und der Rest geht gar nicht. Also 52 (da die engeren Schnitte und man müsste die Hose anpassen).

Der erste (Sienna, 400 Euro) hatte im Vergleich zum zweiten (Spalla/Jort, 700 Euro, hab mehrere angehabt) doch wieder recht unflexible Schultern. Ich hätte den Unterschied von der Beschreibung her nicht so groß vermutet und hätte den La Spalla fast mitgenommen, aber die Farbe, die ich wollte (blau uni, nicht navy, von EThomas) war leider ausverkauft.

Schlussfolgerung

Ich kann jedem nur raten, mal so eine Ochsentour in einer größeren Stadt zu machen. Ich war doch wieder erstaunt, wie groß die Unterschiede im Tragekomfort ausfallen können, auch wenn die Passform äußerlich gleich gut ist. Die hier als hart titulierten Sakkos waren alle einwandfrei und waren von der reinen Optik getragen nicht von den anderen zu unterscheiden.

Noch ein Wort zu den Preisen: Außer bei SuSu wurden mir für praktisch alle anderen Sakkos 30% angeboten, momentan ist die Gelegenheit also günstig.
 
Noch als Nachtrag. Ich habe mal alle Sakkos im Kleiderschrank und auf der Aussonderungsliste im Tragekomfort verglichen:

Regent: wie erwartet Top.

E.Zegna: top.

ZZegna Kaschmir/Leinen teilgefüttert, schon etwas älter, hat trotz wahrscheinlicher Verklebung eine gute flexible Einlage.

Windsor sartorial Zero Jacket (nix Einlage): gut, Stoff ist von Zegna

Boss Anzug. Dafür dass ich den irgendwann mal im Ausverkauf mitgenommen habe, hält der sich gar nicht schlecht. Ist Baumwolle und auch weich in den Schultern.

Paul Smith. Ist wahrscheinlich auch verklebt, aber durch die dünne flexible Einlage sehr bequem. Bei PS brauche ich aber 44, und da ist die Schulter dann nicht ganz knapp.


Auf der Aussonderungsliste (mann, was sammelt sich da ein Scheiss:eek:):

Drykorn: Platt, steif.

Hugo Wolle: Schöner Stoff, aber auch keine Bewegung

Hugo Baumwolle: hat den Charme dünn verklebter Presspappe

Joop: ungefüttertes Leinensakko, dünnes Polster, aber nix flexibel

Strellson: dünn aber steif

Carl Gross Anzug alt: steif

Joop Anzug uralt: so lala
 
Andererseits habe ich wohl Schultern, die recht gut in RTW passen. Ohne Anpassungen passen bisher Regent und Brioni in 50:rolleyes: Wegen Rundrücken stößt das Schultergelenk schon mal gerne an die vordere Schulternaht. Konkret habe ich sozusagen die Einlage im vorderen Schulterbereich getestet.
Als Mit-Leidtragender beim Rundrückenproblem würde ich aus meiner Erfahrung sagen, dass Konfektion dieses Problem nicht kompensieren kann, weil man es wegen des Zwangs zur bestmöglichen Massentauglichkeit nicht berücksichtigt, sondern immer einen soliden Mittelwert der Schulterposition annimmt. Selbst wenn es mal so aussieht, als würde es auf der vorspringenden Schulter irgendwie passen, handelt man sich dafür u.U. Passformprobleme darunter oder dahinter ein und es ist wegen des permanenten leichten Druckgefühls an der Schultervorderseite auf einer unbewussten Ebene immer etwas unangenehm zu tragen. Ich würde das rückblickend für mich als den größten Fortschritt durch MTM bezeichnen (vor allem auch bzgl. Bequemlichkeit), dass da meine Haltung in der Schulter berücksichtigt wurde. Dadurch muss man die Einlage im vorderen Schulterbereich gar nicht erst testen.
 
wie konkret berücksichtigt das MTM? (und wer kann es Deiner Meinung nach bei Dir gut, Maile, xuits, cove etc.?).
In meinem Fall SuSu MTM. Wie stark (oder ob überhaupt) es berücksichtigt wird, hängt vom System des Herstellers ab, das sollte man erfragen. Es wird halt der Fehlstand der Schulternaht am Probesakko vermessen und dann entsprechend bei der Produktion das Stoffverhältnis vor der Schulter zu hinter der Schulter korrigiert, die dünne Schulterpolsterung passend eingedreht und das Armloch angepasst.

Damit kann nicht nur die vorgeschobene Schulter, sondern auch die gegenteilige Haltung adressiert werden. Natürlich hat das bei MTM enge Grenzen von wenigen cm, damit die Proportion der Schnittform nicht gesprengt wird. Ist halt kein Vollmaß.
 
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