Rahmengenäht - ein Missverständnis?!

thandreas

Member
Hier im Forum wird oft Pauschal von rahmengenäht besprochen, auch Herr Roetzel preist den rahmengenähten Schuh als das einzige was ein Gentleman am Fuss tragen kann...

Hier stellen sich 2 Fragen:

1. Was wird unter rahmengenäht verstanden? Hier scheint mir pauschal von "rahmengenäht" gesprochen zu werden. Dabei sollte man zwischen dem was hier darunter verstanden wird - nämlich Goodyear Welted mit aufgeklebtem Gemband - von einem handeingestochenen Rahmengenähten unterscheiden, bei dem die Risslippe aus der Brandsohle herausgearbeitet wird.
Für Details :
http://www.newsaboutshoes.de/showthread.php?p=216

und

http://www.newsaboutshoes.de/showthread.php?p=214

2. Warum muss es rahmengenäht sein - ist das denn objektiv per se besser?

http://www.newsaboutshoes.de/showthread.php?t=662
 
Zuletzt bearbeitet:
Faktum ist, daß es einige wirklich sinnvolle Alternativen zur Rahmennaht gibt (zumal zur Goodyear-Naht alias welting light). Ein Holzgenagelter oder Goiserer steht einem Rahmennäher in nichts nach — freilich sind derartige Macharten in England nicht beheimatet und daher auch nichts für Herrn Roetzel, der ja vor allem Englische Kleidung propagiert.
 
Ein Holzgenagelter oder Goiserer steht einem Rahmennäher in nichts nach — freilich sind derartige Macharten in England nicht beheimatet und daher auch nichts für Herrn Roetzel, der ja vor allem Englische Kleidung propagiert
Nach meinem Verständnis ist der Goiserer auch rahmengenäht (sowie sogar ein Teil der "Holzgenagelten") ?
Andererseits ist die rahmengenähte Machart lt. meinem Schuhmacher schlichtweg die hochwertigste - gemeint ist da die handwerkliche Variante mit Einstechdamm in der Brandsohle.

Ob ein typischer "Goodyear"-rahmengenähter Schuh (langfristig) besser als z.B. ein im Blake-Rapid-Verfahren gefertigter Schuh ist, vermag ich nicht zu beurteilen.
 
Allerdings tut das Herr Roetzel nicht zu unrecht, wie ich finde...
Das kommt ganz darauf an...

bertone: Ein echt-holzgenagelter Schuh braucht keine Rahmennaht und eine Goiserernaht (vgl. Zopfnaht) unterschiedet sich von einer Rahmennaht ebenfalls deutlich. Über die Hochwertigkeit lässt sich trefflich streiten, vor allem zwischen den jeweiligen Lehrmeinungen und deren Anhängern. Mir schient das so ein wenig wie mit den Friseuren: Jeder hält seine Arbeitstechnik für die optimale und möchte daneben am liebste keine andere Meinung gelten lassen.
 
Da es in diesem Topic um die Feinheiten und Differenzierungen des Rahmengenähten geht:
Goiserernaht (vgl. Zopfnaht)
Eine Zopfnaht ist eine Form der Anordnung der sichtbaren (Doppel-)Nähte eines Zwiegenähten/Goiserer oder das Einflechten zusätzlichen Materials, daher auch als Flechtrahmen bezeichnet.

Die Rahmennaht geht durch Einstechdamm(Risslippe, Gemband...), Oberleder und Rahmen - beim Zwiegenähten/Goiserer ist diese Rahmennaht sichtbar, wird daher wohl im Englischsprachigen auch als reverse-welt bezeichnet.
Ich besitze einen Vass Schuh, dessen zwiegenähte Naht auch als Goyser-sewn/Goiserer bezeichnet wird, dieser Schuh ist somit auch rahmengenäht.
 
Da es in diesem Topic um die Feinheiten und Differenzierungen des Rahmengenähten geht:

Eine Zopfnaht ist eine Form der Anordnung der sichtbaren (Doppel-)Nähte eines Zwiegenähten/Goiserer oder das Einflechten zusätzlichen Materials, daher auch als Flechtrahmen bezeichnet.

Die Rahmennaht geht durch Einstechdamm(Risslippe, Gemband...), Oberleder und Rahmen - beim Zwiegenähten/Goiserer ist diese Rahmennaht sichtbar, wird daher wohl im Englischsprachigen auch als reverse-welt bezeichnet.
Ich besitze einen Vass Schuh, dessen zwiegenähte Naht auch als Goyser-sewn/Goiserer bezeichnet wird, dieser Schuh ist somit auch rahmengenäht.

Die Zopfnaht erwähnte ich, um Lesern, die mit den vielen hier bisher zitierten Bauweisen nichts oder wenig anfangen können, eine grobe Orientierung zu geben, wo sich die Diskussion gerade befindet (daher "vgl." und nicht "=").
Eine Zwie- oder Drienaht ist eben keine Rahmennaht und zwar begründet durch das Fehlen eines elementaren Bestandteiles: Des Rahmens!
Daß ein holzgenagelter Schuh ebenfalls als Rahmennäher einzustufen ist, wäre mir völlig neu, wie auch die Annahme, Holznagler wären an irgendeiner Stelle notwendigerweise rahmengenäht im engeren Sinne. Im Gegenteil ist es meist so, daß viele Hersteller, die Rahmennähte einsetzen, einige schwer stechbare Stellen lieber mit Holznägeln fixieren. Dies dürfte die Rahmennaht zudem als "hochwertigestes" Fertigungsverfahren disqualifizieren. Vielmehr handelt es sich hierbei um altes und sehr ausgeklügelt betriebenes Marketing englischer Schuhmacher, die freilich schon immer Rahmennähte einsetzen, Ihr Verfahren als das marktfähigste zu etablieren. Ähnliches ist in jüngerer Zeit übrigens mit den am Schuhmarkt beinahe teenagerhaft gefeierten Rendenbachsohlen zu beobachten.
 
..um Lesern, die mit den vielen hier bisher zitierten Bauweisen nichts oder wenig anfangen können, eine grobe Orientierung zu geben
Genau darum geht es mir auch ( Scheitern im Verständnis und Begriffsverwirrungen eingeschlossen...;) )
Eine Zwie- oder Drienaht ist eben keine Rahmennaht und zwar begründet durch das Fehlen eines elementaren Bestandteiles: Des Rahmens!
Zum Zwiegenähten scheint es also unterschiedliche Auffassungen zu geben - die meisten Zwiegenähten und die handvoll Trigenähten, die ich bisher gesehen habe, hatten einen Rahmen: eben den typischen Winkelrahmen (teilweise stark modifiziert).

Klar, bei den "Holzgenagelten" geht es natürlich nicht um eine generelle Einstufung des komplett holzgenagelten Schuhs als rahmengenäht...:rolleyes:
Ich habe einige Schuhe mit typischer sichtbarer Holznagelung auf der Laufsohle bzw. im Gelenk gesehen, die aber lt. Schuhmacher über die typische Einstechnaht verfügten.
Einschränkend sei gesagt, dass dies aber allesamt grobe, offensichtlich für alpinen Einsatz/Handwerk bestimmte Schuhe waren. Bei denen entsprach somit die Holznagelung der dickeren Sohlen ausschliesslich der Sohlenbefestigung. (Vielleicht meinen wir dasselbe, s.u.?)
Vielmehr handelt es sich hierbei um altes und sehr ausgeklügelt betriebenes Marketing englischer Schuhmacher, die freilich schon immer Rahmennähte einsetzen
Die Entwicklung der Goodyear-Maschinen, welche die industrielle Schuhproduktion entsprechend beschleunigte (zuerst Amerika, England) basiert auf der Tradition des handwerklichen Rahmennähens.
Hatte dieses auch vorher den Schwerpunkt in England ? Die (regionale) Historie des handeingestochenen, rahmengenähten Schuhs würde mich auch interessieren.

Im Gegenteil ist es meist so, daß viele Hersteller, die Rahmennähte einsetzen, einige schwer stechbare Stellen lieber mit Holznägeln fixieren.
Um nicht aneinander vorbeizureden: Welche Stellen wären dies ?
 
Eine wirklich schöne Antwort, die sicherlich viel zum Verständnis hinsichtlich des Aufbaus eines guten Schuhs (und darunter lassen sich garantiert alle genannten Macharten subsummieren) beiträgt, vielen lieben Dank hierfür!

Der Winkelrahmen kann vorhanden sein, muß aber nicht, konkret hängt die Ausführung wohl vom jeweiligen Schuhmacher, bzw. dem Trageanlaß und der Schuhform ab.

Natürlich gibt es Hybridformen zwischen Rahmennäher und Holznagler, eben besagte Varianten, die im Gelenksbereich (vor allem in Wiener Manufakturen) zur Verstärkung mit Holznägeln gearbeitet und im Bereich der Laufsohle rahmengenäht sind. Besagte Wiener Schuhmacher sind allerdings große Freunde eines vollständig holzgenagelten Schuhs ohne jegliche Rahmennaht. Sicherlich weithin erhältlich und einsehbar sind als Vertreter dieser Schule die Schuhe der Firma Handmacher.

Soweit ich weiß, ist die rahmengenähte Machart seit jeher in England beheimatet; die Schule des Holznagelns entwickelte sich in k.u.k.-Österreich aufgrund der andersartigen Ansprüche an den Schuh und abweichende Belastungsverhältnisse (Boden, etc.).
 
Hoffentlich nicht zu sehr Off-Topic die Vertiefungen, jenseits des Thread-Titels ;)
Hier gibt es umfassende Informationen zum Thema Holznagelung - demzufolge finden sich wohl die deutlichsten Unterschiede bei der Verbindung des Oberleders (=dem Schaft) mit der Brandsohle. Mal salopp formuliert von "Zwicknägel in der Brandsohle belassen" bis zu typisch handgearbeitet mit Einstechdamm in der Brandsohle und Rahmennaht.
Prinzipiell also aufgrund der unterschiedlichen (Zeit-)Aufwendigkeit und Verarbeitungswertigkeit vergleichbar mit maschineller Goodyear-Rahmennaht vs. handeingestochener Rahmennaht ?

Besagte Wiener Schuhmacher sind allerdings große Freunde eines vollständig holzgenagelten Schuhs ohne jegliche Rahmennaht. Sicherlich weithin erhältlich und einsehbar sind als Vertreter dieser Schule die Schuhe der Firma Handmacher.
Leider sind mir diese (österreichische) Tradition und die Wiener Schuhmacher bisher kaum bekannt.
Ob man aufgrund der Holznägel (bzw. des obigen Vergleichs) aber die Handmacher-Schuhe in diese Reihe von Wiener Massschuhmachern stellen sollte, die vermutlich jeden Holznagel einzeln einschlagen ?
Produktionsweise und -ort, die relativ geringe Modellvarianz, die zum Einsatz kommende Holznagelmaschine und die mutmassliche Verbindung von Schaft und Brandsohle (Info von Handmacher Webseite und Manufactum) stehen eher für eine entsprechend günstigere Herstellungsweise.
Andereseits wirbt man mit Kalbsleder, Rendenbach-Sohlen und "Kunststoffe und Pappe werden in diesen Schuhen nicht verwendet". :confused:

Verständnis hinsichtlich des Aufbaus eines guten Schuhs
Da kann ich auch jedem empfehlen, seine Schuhreparaturen bei einem Massschuhmacher durchführen zu lassen:
Der hat meist Schuhe in unterschiedlichen Fertigungsstufen und erklärt sicher gerne ein paar Details oder Grundlegendes (Zwicken, Rahmennaht, Doppeln) am offenen Schuh.
Das aufgeschnittene Modell eines Goodyear-welted RTW-Schuhs, wie es sich in einigen Geschäften findet, zeigt meines Erachtens die wichtigsten Bestandteile nicht gut genug.

Noch ein Buchtipp: "Herrenschuhe handgearbeitet", erschienen im Könemann-Verlag
 
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