Qualität - Welche Unterschiede gibt es wirklich

Produkte auf einen Namen zu reduzieren ist zu einfach.
Das ist mir durchaus bewusst und war jetzt auch nur beispielhaft. Und natürlich, wenn mir jetzt eine besondere Struktur oder Muster zusagt, werd ich mich dafür entscheiden. Auf der anderen Seite, wenn man jetzt Richtung klassisch dunkelblau oder dunkelgrau geht gibt es m.M.n. sehr sehr viele extrem ähnliche Stoffe. Dann geht es eben in die Richtung anfassen, berühren. Aber gerade da stellt sich mir die Frage, vor allem als Laie, nur weil sich etwas gut für mich anfühlt, muss das ja noch nicht qualitativ hochwertig sein.

Um beispielsweise aus meiner aktuellen Entscheidung zu zitieren:
Marzotto mit 5% Kaschmir 690€
Loro Piana S120 um 840€
und einige Zenga Stoffe mit Cool Effect ab 1050-1100€, wobei die eventuell noch in den Bereich von 800-850€ gehen, das wird sich erst zeigen.
Das wären eben die Stoffe, die ich mir "herausgegriffen" habe. Basis für den MTM mit billigstem Stoff ist ca. 500€.

Für mich jetzt extrem schwer zu beurteilen, wo das Preis/Leistungs Verhältnis passt und wo nicht. Es erinnert mich hier eben teilweise an die Hugo Boss Diskussion, wo eben teuer nicht gleich gut war. Sicher sind Loro Piana und Zenga die Topmarken in dem Bereich und der Cool Effect hört sich auch wirklich interessant an, aber wenn ich den Zenga jetzt mal außen vor lasse, wüsste ich jetzt nicht, ob ich den Marzotto nehmen sollte, der sogar noch Kaschmir dabei hat oder einen Loro Piana der halt S120 ist, dafür um einiges teurer. Merkt man einen Unterschied? Ist es auf diesem Niveau egal und zahlt man nur für die Marke? Was sind halt die Punkte, auf die ihr bei der Stoffauswahl achtet? (wie gesagt abgesehen vom Muster)

€:
wenn man keine Stoffkataloge auswendig lernen will
Meinen Sie damit Stoffkataloge beim Schneider, oder gibt es auch "online Stoffkataloge" wo man sich ein wenig in die Thematik einarbeiten kann? (im Bezug auf Unterschiede etc.)


Vielen Dank im Voraus,
lg Dominik
 
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Merkt man einen Unterschied? Ist es auf diesem Niveau egal und zahlt man nur für die Marke? Was sind halt die Punkte, auf die ihr bei der Stoffauswahl achtet?
Man zahlt meiner Erfahrung nach in der Regel natürlich für die Marke eines renommierteren Herstellers. Aber das heißt nicht notwendigerweise, dass der Stoff nicht trotzdem besser ist. Ein Super 120 eines renommierten Erzeugers kann besser sein als ein Super 5Mio.+Cashmere+wasweißich eines schwächeren Herstellers. Bei den bekannten italienischen Massenherstellern, die die Konfektion beliefern, sind Zegna, Loro Piana, Reda, Guabello, Tallia di Delfino, Cerruti (die Weberei, nicht die Modemarke), Carlo Barbera, Ormezzano, Fintes, Vitale Barberis Canonico alle brauchbar bis gut. Das heißt natürlich nicht, dass manche Stoffe dieser Anbieter nicht auch besser oder schlechter als andere sein können. Bei Maßanfertigung, MTM oder Bespoke, hat man bei guten Anbietern auch Zugriff auf Stoffbücher spezialisierter Händler und Produzenten, die vor allem für diesen Bereich anbieten, etwa Harrison's, H. Lesser, Dormeuil, Ariston. Diese Stoffe sind spezieller, vielfältiger und i.d.R. auch hochwertiger als die meisten Konfektionsstoffe.

Die Auswahlkriterien sind vielfältig, Haltbarkeit, Knitterarmut und -erholung, Weichheit im Griff und guter Fall sind darunter und widersprechen sich bei der Beurteilung eines konkreten Stoffes u.U. auch. In der Sommersaison möchte man ein nicht zu hohes Stoffgewicht (< 270g/m², ev. < 250g/m²), aber trotzdem ein substanzielles Gefühl des Stoffes im Griff, nicht "papierähnlich", mit guter Knittererholung. Ein Twill würde dann eher ausfallen, man würde ein atmungsaktiveres Leinwandgewebe wählen, eventuell ein hochverzwirntes Gewebe, das durch die größere Spannkraft der verzwirnten Fasern gegen Knittern unempfindlicher ist. Auch Gewebemischungen zwischen Wolle und Mohair oder Wolle/Leinen/Seide, eventuell Wolle/Seide, wenn man den größeren Glanz mag, kommen in Frage. Als Mehrsaisonanzug würde man ein mittleres Stoffgewicht wählen, 270-330g/m², im Winter eher noch höher, dann kommt auch noch Flanell in die Betrachtung. Die dichteren Twillwebarten sind beim Kammgarn dann auch interessanter. All diese Stoffvarianten fassen sich etwas anders an und müssen für sich in ihrer Gruppe beurteilt werden.

Dann kann man sich nach ausgefalleneren Webarten wie Pinpoint, Bird's Eye, Pick&Pick (Sharkskin), Nailhead umschauen, die entweder mehr Oberflächentextur mitbringen oder einen Farbton durch Mischung heller und dunklerer Fäden im Gesamteindruck zusammenmischen. Auch die Webart kann den Charakter eines Stoffs im Griff und im Fall ändern.

Das Problem ist halt, Sie sehen es hier schon, dass Stoffproduktion nun mal eine eigene Ingenieurwissenschaft ist, das kann man nicht in ein paar Worten abhandeln und dann zu einfachen einsteigerkompatiblen Einzeiler-Schlüssen voller Weisheit kommen, die dann sagen, nehmen Sie den Zegna-Stoff. :) Als Kunde kann man sich dem nur mit Erfahrungen nähern, man bekommt mit der Zeit ein Gefühl dafür, ob ein Stoff gut gemacht ist oder auch nur strapazierfähig. Ohne eigene Erfahrung werden Sie da nicht weiterkommen. Man kann auch über Sex viel reden, aber es ist nicht das selbe wie es zu tun. :)
 
Wie banker schrieb ist das eher bei Mänteln üblich um das Ausreissen der Knöpfe bei schweren Stoffen zu vermeiden. Bei einer Anzugjacke habe ich das noch nie gesehen und finde das auch wenig elegant. Als ob der Schneider dem verwendeten Stoff nicht trauen würde.

Naja, es ist in der Tat ein eher schwerer Stoff für einen Anzug. Aber natürlich nicht mit einem Mantel vergleichbar.
 
Guten Morgen,

Erst mal vielen Dank für Ihren sehr ausführlichen Beitrag, der mir einiges klarer gemacht hat.

Das Problem ist halt, Sie sehen es hier schon, dass Stoffproduktion nun mal eine eigene Ingenieurwissenschaft ist, das kann man nicht in ein paar Worten abhandeln und dann zu einfachen einsteigerkompatiblen Einzeiler-Schlüssen voller Weisheit kommen, die dann sagen, nehmen Sie den Zegna-Stoff. :) Als Kunde kann man sich dem nur mit Erfahrungen nähern, man bekommt mit der Zeit ein Gefühl dafür, ob ein Stoff gut gemacht ist oder auch nur strapazierfähig. Ohne eigene Erfahrung werden Sie da nicht weiterkommen. Man kann auch über Sex viel reden, aber es ist nicht das selbe wie es zu tun. :)

Auch das ist mir natürlich klar, aber wenn einem das Grundwissen fehlt, dann ist auch die Wahrscheinlichkeit groß, das man Sex falsch praktiziert und die Erfahrung wenig lehrreich ist ;) Ebenso bezahlt man wohl auch teures Lehrgeld, wenn man erst einige Anzüge vom Schneider benötigt, bis man eine entsprechende Erfahrung gesammelt hat.

Ich bin ja deshalb auch durchaus nicht abgeneigt, mich bereits im Vorhinein in die Materie ein wenig einzuarbeiten. Wenn ich Google beispielsweise nach Hemdqualität befrage, so bekomme ich sehr viele gute Informationen zurück, aber im Bezug auf Anzug bzw. Oberstoffe geht es meistens nur um Polyester vs. Schurwolle im Allgemeinen. Also wenn jemand, abgesehen von der eigenen Erfahrung, einen guten Link oder eine Buchempfehlung hat, würde ich mich schon sehr freuen.


Vielen Dank im Voraus,

lg Dominik
 
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Auch das ist mir natürlich klar, aber wenn einem das Grundwissen fehlt, dann ist auch die Wahrscheinlichkeit groß, das man Sex falsch praktiziert und die Erfahrung wenig lehrreich ist ;)

Echt? Hast Du erstmal studiert bevor Du probiert hast? Ich bin da eher nach der learning by doing Methode vorgegangen und kann nicht sagen, daß die ersten Erfahrungen nicht lehrreich waren. ;)
 
Hallo, Renegade!

Es gibt durchaus Fachliteratur, die Dich in die Welt der Stoffe einführt. Zum Beispiel werden mit Sicherheit Lehrbücher für die Bekleidungsindustrie (Schneider, Näher, Weber,....) einen guten Einstieg bieten, um die Qualitätsmerkmale von Anzugstoffen einzusehen. Gerader bei der Wolle hängt das von der Schafrasse (Haardicke, Kräuselung, Haarlänge), von der Rohstoffgewinnung (Kämmen der Haare, Körperstelle des Schafes bei der Schur) und der Webart (Glanz, Fädigkeit, .....).
Aber tatsächlich ist da letztendlich die Haptik und der Anspruch entscheidend.
 
Echt? Hast Du erstmal studiert bevor Du probiert hast? Ich bin da eher nach der learning by doing Methode vorgegangen und kann nicht sagen, daß die ersten Erfahrungen nicht lehrreich waren. ;)

Ich nehme mal an, du hast dich zumindest im Vorhinein informiert, wo du hinein musst ;) Außerdem ging es nur um den Vergleich, der letztendlich aufgrund des Triebverhaltens sowieso hinkt :D
 
Ebenso bezahlt man wohl auch teures Lehrgeld, wenn man erst einige Anzüge vom Schneider benötigt, bis man eine entsprechende Erfahrung gesammelt hat.
Ja, und das geht auch gar nicht anders, weil es tausende von verschiedenen Stoffen unterschiedlicher Qualität pro Jahr gibt. Solange man nicht jemand findet, der entsprechende Erfahrungen mit exakt dem gleichen Stoff hat, den ein spezifischer Hersteller in einem Jahrgang hergestellt hat, kann man nur sehr allgemeine Einschätzungen abgeben, die Ihnen nur begrenzt helfen können, weil alle oben von mir genannten Hersteller grundsätzlich zu ordentlicher bis guter Qualität fähig sind, aber nicht alle Stoffe gleich gut ausfallen. Neben den Kundenkriterien an einen Stoff und simpler Mode gibt es nämlich auch Herstellerkriterien (Einkaufspreis, leichte maschinelle Verarbeitbarkeit), die den Stoffhersteller einen bestimmten Stoff herstellen lassen. D.h., auch ein Erzeuger, den man landläufig für gut hält, kann einen mediokren Stoff herstellen und zwar absichtlich.

Und dann ist natürlich auch wichtig, was ihre eigenen Kriterien und deren Gewichtungen sind: Ist Ihnen Haltbarkeit wichtiger als butterweiches Tragegefühl? Sind Sie eher jemand, der bei 22°C im Anzug friert oder schwitzt? Wie viele Anzüge werden Sie in der Rotation haben? Werden Sie dedizierte Saisonanzüge haben?

Von all diesen Überlegungen hängt ab, wie Sie einen Stoff für die Auswahl beurteilen. Wenn man einen Stoff nicht fühlen und leicht knautschen kann und jegliche Angaben zu Stofffeinheit und Gewicht fehlen, kann man aus der Entfernung gar nichts dazu sagen. Außer, dass Zegna ordentliche Stoffe macht. :) Marzotto ist dagegen ein großer Erzeuger für Konfektionsmode, d.h. viel einfaches Zeug dabei. Ein guter Marzotto-Stoff kann aber durchaus besser sein als ein einfacher Zegna-Stoff. Erzeugernamen helfen also nur bedingt weiter.

Also wenn jemand, abgesehen von der eigenen Erfahrung, einen guten Link oder eine Buchempfehlung hat, würde ich mich schon sehr freuen.
Wie oben schon gefragt wurde: Haben Sie Sex auch aus Büchern gelernt? :) Sie müssen Stoffe anfassen, z.B. bei Herrenausstattern. Viele. Hunderte. Renommierte und einfache. Das geht weder im Buch noch im Internet. Die Unterschiede bei Webarten können Sie dann nachlesen, nachdem Sie sie gesehen und angefasst haben.
 
Dann sag ich auch in diesem Fall noch mal Danke und hoffe, mit diesen Informationen ausgerüstet, erste gute Erfahrungen zu machen.

Mir ist wie bereits erwähnt natürlich bewusst, dass man auch selbst die Erfahrung machen muss, das es auch viel ums greifen und berühren geht und natürlich um persönliche Vorlieben, aber es steckt, wie man sicher auch erkennt, einfach auch persönliches Interesse an der Materie dahinter (weshalb ich nach wie vor an konkreten Buchempfehlungen oder Links interessiert bin). Und selbstverständlich möchte ich auch vermeiden, das mein erster richtiger Anzug ein Fehlkauf wird ;)

Ein anderer mag vllt. sagen gut ich nehm jetzt einfach den billigsten dunkelblauen Stoff für meinen MTM Anzug, aber das sind halt nicht die Maßstäbe, die ich an so ein Stück Stoff setze, wenn man zu so einer Investition bereit ist, vor allem, da man ja wirklich eine beeindruckende Auswahl an Stoffen hat.

Zumindest ist mir jetzt dadurch auch schon viel klarer geworden, worauf ich achten möchte und was mir wichtig ist und ich denke die beste Empfehlung aus meinen Anforderungen kann mir dann sowieso der Schneidermeister selbst geben.

Danke nochmal an alle.


lg Dominik
 
Echt? Hast Du erstmal studiert bevor Du probiert hast? Ich bin da eher nach der learning by doing Methode vorgegangen und kann nicht sagen, daß die ersten Erfahrungen nicht lehrreich waren. ;)

naja, ich weiss nicht, ob sich die Erfahrungen aus der trauten Zweisamkeit (allenfalls Mehrsamkeit - as you like it ...) so ohne weiteres auf Stoffqualitäten u.ä. übertragen lassen ....
 
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