Offtopic

Das ist nicht persönlich: ich glaube, du bist Jurist, und das fördert oft eine Systematik des Rechts, kenne ich auch aus anderen Fachrichtungen (z.B. Theologie). Ökonomen befassen sich mit der Frage des Maßes, bzw. der Wirtschaftlichkeit. Ich finde es hilfreich, beide Gedankenmodelle bei der Diskussion zu berücksichtigen.

Die geht in Wahrheit aber gar nicht um Bargeld, sondern um anonyme Geldtransfers, die grundsätzlich auch unbar möglich sind. Bargeld ist halt nur die einfachste Methode dafür.

Es ist aber eben nicht das einfache "nur". Die Frage die sich hier stellt, ist die der Wirtschaftlichkeit und nicht die des Grundsatzes. Anonyme Geldtransfers sind nicht so einfach, wie man denkt. Paysafe-Card braucht auch entweder Bargeld oder elektronisches Geld. Bitcon & Co. sind viel zu volatil. Das macht es eben teurer. Ich sage nicht, dass man vielleicht kein besseres System findet, aber es entzieht erstmal eine wirtschaftliche Grundlage. Und bitte hier jetzt auch Themen trennen: Anonymität != illegale Beschaffung in großen Mengen. Auch wenn beides stark einhergeht. Wenn man über die selben Personen 10.000 oder 200 € in paysafecard investiert, ist die Verwendung von beidem anonym, aber bei der Beschaffung (!) erweckt ersteres Auffälligkeiten.

Rein zur Verbrechensbekämpfung spricht auch jede Menge für Vorratsdatenspeicherung
Nein, eben nicht. Auch diese Debatten bitte nicht miteinander verquicken. Deswegen sind Mechanismen auch nicht grundsätzlich abzulehnen oder anzunehmen.

Wenn ich mein Recht bestimmte Sachen bar zu zahlen, weil ich meine, dass es niemanden was angeht, was ich mit meinem Geld tue, einschränken lassen muss, weil man meint ein paar kriminellen Idioten Knüppel zwischen die Beine werfen zu müssen, ist das eine Frage die komplett abgelöst von der volkswirtschaftlichen Dimension zu betrachten ist.

An sich erstmal richtig, aber der volkswirtschaftliche Aspekt spielt dann in eine Gesamtentscheidung über das Thema mit rein. Es geht hier ja um eine gesellschaftliche Normierung, und die fußt nicht nur auf juristischen Überlegungen, sondern wird schlußendlich juristisch fixiert.

"Bleibt doch mit Eurem Bürgerrechtsscheiß weg, Bargeldabschaffung ist doch volkswirtschaftlich nur gut für Euch".
Und da vermischt du ja doch wieder die Themen. Es gab hier schon mal eine gesonderte, volkswirtschaftliche Betrachtung (die sich übrigens mikroökonomisch insofern leicht durchsetzen kann, wenn die ersten Kartenzahlungen rabattiert werden oder Geschäfte die einfach nicht mehr annehmen). Wir reden ja aber abstrakt gesagt über ein Bürgerrecht auf Datenautonomie, resp. Anonymität und nicht über ein Bürgerrecht auf Bargeld; es gibt ja auch kein Bürgerrecht auf Kreditkarte oder Kredit. Die Frage der Anonymität muss geklärt werden, da bin ich der letzte, der das untergraben möchte. Aber man kann an der Stelle Bargeld nicht einfach als alternativlos darstellen.

In dieser Gesellschaftsordnung ist es Aufgabe des Gesetzgebers, den Markt (und den Bürger) grundsätzlich selbst entscheiden zu lassen, was sie wollen und nur da einzugreifen, wo der Markt nicht funktioniert oder andere übergeordnete Interessen (öffentliche Sicherheit und Ordnung) dies unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit erfordern.

Da spielst du die Rolle des Staates als Garant der Währung stark herunter, denn ganz offensichtlich gibt es keinen liberalisierten Währungsmarkt, sondern ein ganz klares Währungsmonopol. Es gibt libertäre Konzepte zu freien Währungsmärkten - das driftet hier thematisch dann aber etwas ab.
De facto schafft der Staat in Form des Bargelds eine währungspolitisch Ordnung, die absolut ist. Sonst wäre ja eben auch die Besteuerung sehr problematisch (wenn man im gewerblichen Rahmen bspw. nur Tauschgeschäfte ausführen würde und sich der staatlichen Währung verweigert). Eine staatliche Währung ist nicht das Produkt eines freien Marktes, sondern grundlegende, politisch definierte Spielregel dessen.
Und wir reden jetzt über die Ausprägung (bzgl. des Münzgelds im Wortsinn) dieses Währungsmonopols. Bargeld war in den 70ern da sicherlich nicht antiquiert, wird es heute aber schon.
 
Mal ein einfaches Beispiel: ich bestelle ein Auto, überweise den Kaufpreis und will es am nächsten Tag abholen. An diesem Morgen hat das Autohaus Insolvenzantrag gestellt...

Ich überweise nicht, sondern habe den Kaufpreis bei Abholung bar dabei.

Welcher Fall ist der Schlechtere für mich?
 
Für mich ist der Trend zur Bargeldlosigkeit ganz simpel ein Instrument für mehr Steuergerechtigkeit. Meine Einkommensverhältnisse als Angestellter sind bereits heute gläsern, alle Einkünfte werden überwiesen und meist vorab besteuert. Das ist bei selbständigen Kleinunternehmern nicht zwangsläufig so, sie haben durch Bargeld die Möglichkeit zum "kreativen" unversteuerten Geschäftsumgang. Durch die geringe Überwachungstiefe durch die Finanzämter ist das Risiko, erwischt zu werden, sehr gering.

Wenn ich dies weiß und dann lese, dass für jeden Bundesbürger von jung bis alt geschätzt 4.000,- Bargeld im Umlauf sind, und ich mir dann anschaue, was ich so im Portemonnaie bei mir trage, frage ich mich ganz offen, welchen gesellschaftlichen Zweck es haben kann, dass jemand seine <setze-hier-Luxuslimousine ein, die normalerweise eh' meist geleast wird> für 85.000,- in bar bezahlt, außer dass damit vom Staat unbemerkt Schwarzgeld in welcher Form auch immer in den wirtschaftlichen Prozess eingeschleust werden kann.
 
Mal ein einfaches Beispiel: ich bestelle ein Auto, überweise den Kaufpreis und will es am nächsten Tag abholen. An diesem Morgen hat das Autohaus Insolvenzantrag gestellt...

Ich überweise nicht, sondern habe den Kaufpreis bei Abholung bar dabei.

Welcher Fall ist der Schlechtere für mich?

Das zeigt ja genau die antiquierten Elemente: die Streuung ist weit größer, als Bar oder Überweisung. Nur mal eine Alternative, die ein paar Leute kennen: Paypal. Die aufgeworfene Frage ist eine Art Zahlungen zu garantieren und keine über Bargeld oder Überweisung. Bei Immobilien gibt es dafür ja auch Mechanismen (die natürlich auch schon etwas älter sind).
Was machst du denn beim Barkauf eines Gebrauchtwagens bei Mängeln im unmittelbaren Anschluß? Standardisierte digitale Bürgschaften könnten dort helfen, wo Überweisung und Barzahlung beide Probleme bereiten.

Das von der bisherigen Argumentation losgelöste Argument von bluesman528 ist zudem zu unterstützen. Wenn die Pizza dann demnächst 1,50€ mehr kostet ist das vielleicht ärgerlich, aber volkswirtschaftlich schon sinnvoll. Wer mal einen Einblick in Lebensmittelhandel und -verarbeitung (und ich meine damit nicht die kleine Pizzeria, sondern auch große Zulieferer von Frischwaren) bekommen hat, weiß, wie viel da allein nebenher weggeht.
 
Wenn ich dies weiß und dann lese, dass für jeden Bundesbürger von jung bis alt geschätzt 4.000,- Bargeld im Umlauf sind, und ich mir dann anschaue, was ich so im Portemonnaie bei mir trage, frage ich mich ganz offen, welchen gesellschaftlichen Zweck es haben kann, dass jemand seine <setze-hier-Luxuslimousine ein, die normalerweise eh' meist geleast wird> für 85.000,- in bar bezahlt, außer dass damit vom Staat unbemerkt Schwarzgeld in welcher Form auch immer in den wirtschaftlichen Prozess eingeschleust werden kann.

Dafür kostet das "Waschen" aber auch direkt 19% MwSt., die sich der Staat gerne wieder abholt.
 
Alternativ holt er sich die Körperschafts- und Gewerbesteuer, wie die massenhaften dubiosen Bars und Automatengeschäfte in äußerst schlechten Lagen zeigen.
Ein Schelm wer dabei Geldwäsche vermutet...
 
Mal ein einfaches Beispiel: ich bestelle ein Auto, überweise den Kaufpreis und will es am nächsten Tag abholen. An diesem Morgen hat das Autohaus Insolvenzantrag gestellt...

Ich überweise nicht, sondern habe den Kaufpreis bei Abholung bar dabei.

Welcher Fall ist der Schlechtere für mich?
Mal ein einfaches Beispiel: ich schaue mir ein gebrauchtes Auto an und will es am nächsten Tag abholen. An diesem Morgen hat der Verkäufer zwei Kumpels dabei und raubt mich aus...
 
Das ist nicht persönlich: ich glaube, du bist Jurist, und das fördert oft eine Systematik des Rechts, kenne ich auch aus anderen Fachrichtungen (z.B. Theologie). Ökonomen befassen sich mit der Frage des Maßes, bzw. der Wirtschaftlichkeit. Ich finde es hilfreich, beide Gedankenmodelle bei der Diskussion zu berücksichtigen.
Das hast Du richtig erkannt und wie Du aus meinen Ausführungen vielleicht entnehmen kannst, befasse ich mich sehr gerne mit ökonomischen Fragen. Dazu gehört es aber auch an den richtigen Stellen Grenzen zu ziehen. Ehrlich gesagt glaube ich - ohne persönlich werden zu wollen -, dass Du nichts von dem kapiert hast, was ich geschrieben habe.

Vielleicht liegt das Missverständnis auch darin, dass bis jetzt nicht scharf genug zwischen Bargeld und anonymer Zahlungsmethode abgegrenzt wurde. Ich hatte das in meinem Posting schon angesprochen, betrachte aber derzeit Bargeld als einzige Variante anonymen Zahlungsverkehrs, der jedermann zugänglich ist und bei dem jedermann auch Vertrauen auf die Anonymität hat. Wenn sich <5% der Bevölkerung mit Paysafe-Karten, Bitcoins und ähnlichen Mitteln Geld anonym zukommen lassen, ist das für die politische Frage mE nicht hinreichend relevant.

Was Du möglicherweise anstrebst ist nicht das Betrachten mehrerer Perspektiven, sondern ein Diktat der Ökonomie. Bürgerliche Freiheitsrechte wurden nicht aus ökonomischen Erwägungen erfunden (auch wenn sie sogar ökonomisch vorteilhaft sein mögen) und deswegen bemisst sich deren Einschränkung in unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung auch nicht nach ökonomischen Argumenten.

Mein Punkt ist, dass sich eine Bargeldabschaffung ökonomisch rechtfertigen ließe (wobei man etwas ökonomisch unsinniges in der Regel nicht verbieten muss, das schafft sich von selbst ab, Goldmünzen mussten auch nicht verboten werden, um Papiergeld zum Siegeszug zu verhelfen), aber der Grad der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit nicht das Niveau erreicht, dass es braucht um dafür Eingriffe in Freiheitsrechte rechtfertigen zu können.

Menschen tun eben auch gerne mal Dinge, die ökonomisch begrenzt nachvollziehbar bis irrational sind. Die Ökonomie versucht diese nach Kräften als Externalität zu verarbeiten und in ihre Modelle einzubeziehen. Es bleiben aber Modelle und der Wirtschaftsteilnehmer merkt in der Regel recht schnell, was für ihn der bessere Weg ist und es ist gefährlich, ihm vorzuschreiben, wie er sich vernünftigerweise nach Modell verhalten sollte, wenn er etwas anderes will. Ein ganzes Gesellschaftssystem ist genau an dieser Bevormundung kläglich gescheitert.

Es ist aber eben nicht das einfache "nur". Die Frage die sich hier stellt, ist die der Wirtschaftlichkeit und nicht die des Grundsatzes.
NEIN!!! Um Himmels Willen, bei solchen Sprüchen kriege ich Angst um unsere Gesellschaft. Mit wirtschaftlichem Sinn kann ich mindestens die Hälfte aller Grundrechte abschaffen, weil sie nicht die größte Wirtschaftsförderung sind. Asylrecht: Kostet ein Saugeld, nützt ökonomisch gar nichts! Post- und Telekommunikationsgeheimnis? Sinnlos, weg. Gleichbehandlunsggrundsatz? Sinnlos. Alles abschaffen!

Vielleicht nochmal differenzierter: Wenn ich die 500 EUR-Note abschaffe, ist das verfassungsrechtlich kein Problem, nichts wird verboten und mit 100ern und 200ern kann man genauso alles bezahlen. Wenn ich Bargeld durch ein effizienteres (und auch anonymes) System ersetze, gibt es auch keinen Eingriff in Freiheitsrechte.

Wenn ich Barzahlungen über EUR 5.000 verbiete (oder ein Zahlungssystem mit denselben Features ganz abschaffe, d.h. keinen Ersatz anbiete), greife ich mindestens in die allgemeine Handlungsfreiheit ein, möglicherweise auch ins Eigentumsrecht, d.h. ich muss diesen Grundrechtseingriff rechtfertigen. Mit volkswirtschaftlichen Kosten von vielleicht 0,01% Transaktionskosten werde ich das nicht hinkriegen. Vielleicht kann ich es mit sicherheitspolitischen Erwägungen rechtfertigen, ganz sicher aber nicht mit wirtschaftlichen.

An sich erstmal richtig, aber der volkswirtschaftliche Aspekt spielt dann in eine Gesamtentscheidung über das Thema mit rein. Es geht hier ja um eine gesellschaftliche Normierung, und die fußt nicht nur auf juristischen Überlegungen, sondern wird schlußendlich juristisch fixiert.
Ich halte Dich eigentlich für einen ziemlich vernünftigen Menschen, aber Du machst mir gerade wirklich Angst! Es gibt bürgerliche Freiheitsrechte, für die Millionen Menschen Jahrhunderte gekämpft haben. Du stellst Überlegungen zu popeligen gesamtwirtschaftlichen Kosten von Bargeld ernsthaft für sowas zur Disposition? Und warum? Bargeld wird sich selbst marginalisieren, wenn es keiner mehr will. Warum sollte man das verbieten? Da könnten wir noch viel mehr viel dringender verbieten: Autos, die über 5l Sprit brauchen und was weiß ich noch alles.

Wir reden ja aber abstrakt gesagt über ein Bürgerrecht auf Datenautonomie, resp. Anonymität und nicht über ein Bürgerrecht auf Bargeld; es gibt ja auch kein Bürgerrecht auf Kreditkarte oder Kredit. Die Frage der Anonymität muss geklärt werden, da bin ich der letzte, der das untergraben möchte. Aber man kann an der Stelle Bargeld nicht einfach als alternativlos darstellen.
Bargeld ist solange alternativlos, wie es keine andere vernünftig organisierte Alternative gibt. Die Entwicklung solcher Alternativen fördert der Staat nicht nur nicht, er will sie gar nicht, gleichzeitig will er Barzahlungen einschränken.

Da spielst du die Rolle des Staates als Garant der Währung stark herunter, denn ganz offensichtlich gibt es keinen liberalisierten Währungsmarkt, sondern ein ganz klares Währungsmonopol.
Es gibt libertäre Konzepte zu freien Währungsmärkten - das driftet hier thematisch dann aber etwas ab.
De facto schafft der Staat in Form des Bargelds eine währungspolitisch Ordnung, die absolut ist.
Nein, der Staat schafft eine währungspolitische Ordnung, bei der Bargeld ein winziges Element ist. Daneben kann man das auch ganz unstaatlich regeln, bestes Beispiel hierfür sind neben historischen Fällen der Kosovo, Montenegro und Simbabwe, die keine eigene Währung haben und einfach den EUR benutzen

Staatliche Währungspolitik hat zwei Seiten: Eine aktive durch "Sponsoring" einer eigenen Währung und eine passive durch Zulassen nichtstaatlicher Zahlungsmittel. Das Argument Steuern geht da auch am Thema vorbei, da der Staat ja auch toleriert, dass Marktteilnehmer in Fremdwährung handeln, es muss dann halt was umgerechnet werden und das geht auch für alles andere, die gesamtwirtschaftlichen Kosten der Umrechnung für Besteuerungszwecke sind sicherlich niedriger als der wirtschaftliche Vorteil der Parteien, die unbedingt in so was schrägem handeln wollen. Das führt jetzt auch völlig vom Thema weg. Dein Beispiel mit Tauschgeschäften ist irreal, da zu keiner Zeit Tauschgeschäfte eine wesentliche Rolle für den Handel gespielt haben, vielmehr hat Handel immer schon Verrechnungssysteme genutzt, die auch Schattenwährungen dargestellt haben.

Das alles hat aber nichts mehr mit Freiheitsrechten zu tun, sondern mit Wirtschaftspolitik. Und das gehört mal ganz sicher voneinander getrennt.
 
https://www.youtube.com/watch?v=PJbfKVu2Y1Q

Maximal 5000 Euro:
Die Bundesregierung will eine Obergrenze für Bargeldzahlungen einführen! Und warum? Natürlich zur Terrorismusbekämpfung. Das ist sehr merkwürdig, denn: Dieselbe Bundesregierung konnte bisher nie Fälle von Terrorfinanzierung in Deutschland nennen. Und in Frankreich, wo es bereits Bargeldobergrenzen gibt, passieren dennoch Anschläge. Hurra, neue Freiheitseinschränkungen!

Was soll der Unsinn also? Sascha Lobo erklärt's: "Die Attacke mündet auf das schwer kontrollierbare und überwachbare Bargeld in einer katastrophalen Umkehr der Beweislast: Nur wer einen lückenlos dokumentierten, elektronisch überwachten Zahlungsverkehr vorzeigen kann, kann sich gegenüber dem Staat als Nicht-Terrorist beweisen." (Hier seine komplette Kolumne http://bit.ly/1UNXBmP)
 
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