Mods: The New Religion

Nachdem gestern das Schnäppchen-Beiwerk meiner Amazon Bestellung ankam (man kann ja mal gucken, ob man nicht noch ein paar ältere Skripten für ein paar Pfennige einheimsen kann, ne, wenn man schon einmal bestellt.....), kam eben das Buch an, um das es hier geht.
Hochglanz-Umschlag, dahinter ein schlicht schwarzes Buch mit Struktur und auf dem Rücken dem Titel in Gold.
Ich habe es nur einmal durchgeblättert und werde mich jetzt in den Garten verlegen und dort die ersten paar Seiten lesen. Es scheint eine Hülle an Informationen drin zu sein, viele Photos und Bilder (Flyer, Notizen, Logos,...) - es scheint aus einigen Artikeln aber hauptsächlich statements oder kleinen Erinnerungen von Einzelpersonen zu bestehen.
Keines der Photos, die ich als photos mit Mods kenne und evtl. als "Klassiker" einstufen würde (wobei ich auch eher in der Schnittmengen Hardmods/Skinheads hauptsächlich gesucht habe), ist auf den ersten Blick enthalten.
Soviel zum Spruch von Classic: die meisten Leute haben von mod Keine Ahnung!
So wie ich, was mir schon länger als möglich vorkam.

Anbei drei Photos. Das letzte zeigt, wie ein Großteil des Buches aufgebaut ist. Einzelne Aussagen garniert mit vielen kleinen Photos/Bildern.
Auf dem ersten Photo (Seite eins!) sprach mich der erste Absatz der rechten Spalte sofort an. Yes!

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Das erste Photo habe ich aus Versehen doppelt hochgeladen, hier das Inhaltsverzeichnis als richtiges zweites Photo:
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Mir gefällt, dass die "cleane" 60s-Silhouette so gar nichts mit "zu eng" und "zu klein" gemein hat - leider sieht man das in den letzten 10 Jahren viel zu oft als vermeintlichen 60s-Style ;)

Das wird aber vorallem durch große Firmen wie Merc und Ben Sherman mit ihren Plastikanzügen geschürt. Anständige Anzüge mit dem richtigen Schnitt bekommt man bei Jump The Gun, Adam Of London oder auch DNA Groove. Sind im Gegensatz zu den großen ''Mod-Marken'' auch nicht viel teurer, dafür aber historisch deutlich korrekter.
Diese zu enge Kleidung kam irgendwann mit dem Indie-Hype auf und irgendwie wurde dass dann in der Szene ebenso langsam aber sicher angenommen wie die zugehörige Schrammelmusik. Am Besten ist es immer noch sich alte Fotos und auch Filme anzugucken. Besonders mit so Klassikern wie Thomas Crown Affair, Bullitt, The Graduate, Der Swimmingpool, Außer Atem, Paris Blues uvm. sieht man genau die Streifen, nach denen sich die Originals ihre Outfits zusammen gebastelt haben und ich empfehle immer jedem, das auch selbst so zu machen, authentischer gehts einfach nicht. Ist zwar mühsamer als einen Merc-Anzug von der Stange zu kaufen, dafür aber deutlich smarter. Außerdem ist das teilweise nur noch zum Kopfschütteln, was einem die traditionellen Marken heute noch mit dem Mod-Stempel andrehen wollen. Tatsächlich verkauft sich das besonders bei jungen Briten extrem gut, mit dem ''Alter'', lernt man aber einfach dazu.
 
Da frag' ich mich teilweise auch, wie die extrem changierenden "Tonic-Suits" zB Teil der Skinhead-Kleidung geworden sind bzw. auf Nitern auch von Mods getragen werden. Vornehmlich von merc.

Im hier behandelten Buch gibt's auch einige Bilder mit Anzügen, vornehmlich damals modisch und "bum freezer", aber es gibt auch zumindest ein Photo mit einem typischen "Tonic suit". Körpernah geschnitten, drei Knopf, hoch geschlossen, Ticket pocket, schmales revers.... S/w Photographie aber es sieht nach einfarbig aus. Das müsste Jeff Dexter als 13/14jähriger gewesen sein, müsste man bei google finden...

Die originalen Tonik Stoffe haben bzw. hatten ja je nach Lichteinfall eine andere Nuance, aber so schlimm wie teilweise diese grün/Gold Anzüge? Photos gibt's zB bei ACE Face, die ja MTM/bespoke machen (?).
Kann vielleicht jemand was zu den heutigen Tonik Stoffen vom dormeuil sagen? Die haben ja wieder welche im Angebot, wool/mohair Blend..

Ich kenne nicht viele Photos mit Mods aus den Anfangszeiten, dafür sehr viele von hardmods/skinheads. Von letzteren hatte keiner einen Tonic suit an. Maximal irgendein Sakko von Opa, aber kein suit wie er heute dargestellt wird als "das, was man sich mit seinen paar Pfund lohnt pro Wochen zusammengespart hat um seine working class Herkunft nicht zu zeigen und dann mit den Mods oder rude Boys im Sommer 1969 die ganze Nacht durchgetanzt haben".
 
Gut geschnitten, trage ich fast genauso!
Neben dem Crop meiner Meinung nach der einzig smarte Haarschnitt. Kann absolut nix mit Marriott-Mittelscheitel oder Weller-Fransen anfangen.
 
Mods ist doch ein sehr weites Feld: Die Avantgarde, die Masse, das erste Revival, das zweite, etc.?
Die Masse der Mods, deren Hagiographie das Internet bevölkert, waren Kinder aus der Arbeiterschicht. Die fanden vielleicht Mastroiannis Anzüge chic, aber getragen haben sie eher das, was sie beim Herrenausstatter fanden und umarbeiteten - Schulterpolster raus etc. Deshalb ist das it-piece der Mods dieser Zeit auch eine Lambretta TV und kein Ferrari.
Insofern finde ich es abwegig, das jetzt über die Maße zu verklären. Jugendkulturen gehören Jugendlichen. Erwachsene sollten sich was anderes perfektionieren.
Aber danke für den Thread; ich werde gleich mal meinen peacock Tonic Suit und die cuban heels chelseas suchen gehen...
 
Genau da liegt m.E. das Mißverständnis. "Die" Londoner Mods waren eine relativ kleine Avantgarde, die aber medial überproportional dokumentiert ist und die Masse überstrahlte. Die meisten Mods waren ihre Nachahmer, die es so gut es eben ging, mit Bordmitteln versucht haben.
Mal als Anregung auf heute bezogen: Wer gerne Sciamat hätte, aber nicht haben kann, kauft eben SuSu.
Wenn man sich die Durchschnittseinkommen von Aushilfskräften - und das waren sie ja - anguckt und das mit den Preisen der günstigsten Schneider vergleicht, wird klar, dass es so dolle sartorial nicht werden konnte.
Und dann kann man auch noch in Rechnung stellen, dass damals Plastikstoffe durchaus "hip" waren - auch etwas, was man nicht zwingend glorifizieren muss.
Es reicht doch, dass es für die Leute damals schön war.
 
Zudem waren Chelsea Boots mit Cuban Heels verpönt - Zitat: 'Only midgets and Beatle kids used to wear them.' :p
Und zum Thema Maßkonfektion: Ich kenne einige Originals und die trugen von Brighton im Süden über London bis in Working Class Metropolen Liverpool und Manchester im Norden feinste Mohairanzüge. Die haben eher mal eine Woche nichts gegessen, um nicht auf edle Kleidung zu verzichten.
 
Nun, das ist alles sehr vereinfacht dargestellt und stimmt so nicht wirklich... Aber egal. Der Punkt ist, dass man 'damals' als Anregung sieht und nach 'heute' transportiert, um es zeitgemäß zu interpretieren... Ich sehe da keinen Fehler dabei...

So sehe ich das auch -
dass bei dem genannten "Heute"-Vergleich in diesem Mod-Topic die offensichtlich unvermeidliche SuSu-Erwähnung Einzug hält, finde ich empörend und fast schon "stillos" :angry: :p

Wer die umfangreichen Aspekte der "Mod-Kultur" ein wenig kennengelernt hat, wird die außerordentlich vielseitigen Einflüsse und ein damit einhergehendes Interesse für die diversen Details bemerkt haben, bspw. in Hinsicht auf eine "ästhetisierende Lebensgestaltung/-Betrachtungsweise" (und entsprechend natürlich der dazugehörige spezifische/"verfeinerte" Konsum...;)
 
Zudem waren Chelsea Boots mit Cuban Heels verpönt - Zitat: 'Only midgets and Beatle kids used to wear them.' :p

Und zum Thema Maßkonfektion: Ich kenne einige Originals und die trugen von Brighton im Süden über London bis in Working Class Metropolen Liverpool und Manchester im Norden feinste Mohairanzüge. Die haben eher mal eine Woche nichts gegessen, um nicht auf edle Kleidung zu verzichten.



Das liest man öfter, sieht allerdings keine photos davon. Auf jeden fall nicht aus den 60ern, den späten 70ern vielleicht eher.

Ich stelle mir auch immer die Frage vom Beau. Wie haben die sich das alles geleistet wie es im Nachhinein (bestimmt verklärt, das hat die zeit eben so mit sich) dargestellt wird.
Man wusste wo es das und das gab - aber wer hat's gekauft? Von seinen 2 Pfund Lohn die Woche?
Dass man mal ne Woche nur Brot gegessen hat, hab ich auch gehört. Aber dann ging die Kohle für n paar Stiefel oder n Hemd drauf. Aber ein Anzug?

Andererseits hatten die Jungs damals nicht die Masse an Klamotten, die wir heute haben. Kumpels von mir, die Anfang der 80er skins wurden, hatten keine Möglichkeit in Deutschland Shermans, perry Polos oder martens zu kaufen. Oder nur höchst eingeschränkt. Die haben dann Geld eingesammelt, sind ins Flugzeug und haben das Geld der Kumpels rausgehauen und sind vollbepackt wiedergekommen. Dann lief man aber auch ein Jahr mit seinem einzigen Sherman Hemd aus London herum. Und hatte vielleicht noch ein Polo. Mehr Szeneklamotten gabs halt nicht. Weder war es verfügbar noch bezahlbar.
 
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