Mode - Fluch der guten Herrenkleidung

Für gentlemen gibt es die rules, die man auswendig lernen und beherzigen kann.
Als eine Art von „Grundausbildung“ halte ich das nach wie vor nicht nur im sartorialen Bereich für nicht grundsätzlich falsch. Nur wer ein Regelwerk gründlich beherrscht, ist in der Lage zu unterscheiden, bei welchen Gelegenheiten in welcher Art und Weise und in welchem Umfang aus ihm „ausgebrochen“ werden kann, ohne dass sich eventuelle Missbilligung in (empfindlichen) Sanktionen niederschlägt. Es hat ja auch kein Caruso mit „E lucevan le stelle“ angefangen, sondern erst einmal die Grundlagen der Gesangstechnik gemeistert.
Denkt man in ästhetischen Kategorien, könnte man die gekonnte Befolgung sartorialer Regeln und den ebenso gekonnten gezielten Verstoß gegen sie mit den Stilen Berninis und Borrominis vergleichen. Spaßeshalber könnte man Phänomene wie Sprezzatura, Quiet Luxury o.ä. mit Begriffen der Intertextualitätstheorie zu beschreiben versuchen, aber das würde an dieser Stelle wohl ein wenig zu weit führen.
 

Wenn man Mode als reines Konsum-Konstrukt sieht und nicht das Design dahinter, magst du mit deinem Post recht haben.

Ich sehe in Mode aber auch etwas kreatives, schaffendes. So wie bei Architektur. Es ist also nicht minderwertig wenn man mit Proportionen spielt, nicht nur um seinen unförmigen Körper zu kaschieren, sondern im visuell etwas Interessantes zu erschaffen. Dein Mantra "es gibt nur eine Passform: die, die passt" teile ich daher nicht.
 
Von wegen neuzeitliche Breitenwirkung - noch bis weit in die 60er Jahre trug Mann in Deutschland selbstverständlich jeden Tag Anzug. Mein einer Großvater blieb lebenslänglich dabei.

Die historische Neuzeit beginnt etwa 400 Jahre vorher