Meine Rezension zum Trenchcoat A605 von Barbour

Piper

Well-Known Member
Da ich das im “Freu-Faden” mal angekündigt habe und Spaß daran hatte, es aufzuschreiben, möchte ich hier eine kleine Rezension zu einem Mantel von Barbour teilen, der mir zuvor nicht bekannt war:

Dem Trenchcoat A605 in dunkelblau (sage).

https://ibb.co/cYSsqQb
https://ibb.co/B4XxKFx
https://ibb.co/59vQH5x
https://ibb.co/6ykk397
https://ibb.co/ZWvr5tL
https://ibb.co/1T2RWsN
https://ibb.co/K72P0rx
https://ibb.co/F8HBf86


Weil es hier im Forum und im gesamten Internet genügend Infos zur Geschichte und Bedeutung der Marke Barbour gibt, verzichte ich auf diesen Teil.

Ich habe diesen Mantel bestellt, um Ersatzteile für eine Barbour Wachsjacke zu haben, weil ich die Ärmel verlängern und Löcher stopfen lassen wollte.

Da ich in dem Angebot auf eBay erkennen konnte, dass dieser Mantel älter ist, bin ich davon ausgegangen, dass Farbe und Stoff mit meiner Jacke übereinstimmen und ich nicht das gleiche Modell benötige. Somit habe ich ihn erstanden, weil ich damit mehr Stoff zum gleichen Preis erhalte als bei Jacken im gleichen Preissegment, die zudem in erheblich schlechterem Zustand waren.
Und das, obwohl dieser Mantel aus Georgia in den Vereinigten Staaten verschickt wurde.

Nach einigen Wochen erreichte mich, oh welch ein Glück, ein sicher verpackter Wachsmantel in hervorragendem Zustand. Weder Löcher noch abgestoßene Säume, kein verschwitztes Innenfutter, kein durch Fett und Hautkontakt verfärbter und abgeriebener Kragen.
Stellt euch vor, dieser Mantel wurde gekauft, vielleicht einige Male getragen und dann für 35 Jahre in den Schrank gehängt (die ersten beiden Ziffern auf der Rückseite des Etiketts sollen das Herstellungsjahr, hier 1989, verraten).
Weder Knicke, noch unangenehmer Geruch lassen auf eine nachlässige Lagerung schließen, Wachs war kaum noch erkennbar, dennoch sind im Stoff keine Brüche, Abnutzungen oder Risse zu sehen. Er fühlt sich gleichmäßig an und sieht auch so aus - ich hoffe, der saubere, wachsarme Zustand ist nicht durch eine Reinigung in der Waschmaschine erzielt worden. Das schreckt mich jedoch nicht ab, da ich bereits eine Wachsjacke in sehr getragenem Zustand mit Gallseife und warmen Wasser bearbeiten musste, um Schweiß, Schmutz und vermutlich Kleinstlebewesen zu entfernen. Das anschließende Einwachsen benötigte zwar mehrere Durchgänge, jedoch konnte ich die wasserabweisenden Eigenschaften ausreichend wiederherstellen.

Das verwendete Material sieht für mich nach dem üblichen 6oz-Baumwollstoff und Cord aus, wie er auch bei klassischen Wachsjacken verwendet wird. Ich gehe davon aus, dass Textur und Haptik nach einer Wachsbehandlung ebenfalls gleich sind, ebenso ist das Schottenkaro bekannt aus den dunkelblauen Wachsjacken von Barbour. Nahtführung und Verarbeitung entsprechen dem, was ich von älteren Barbourjacken kenne, aktuelle Fertigungen sind mir unbekannt.

Einige klassische Merkmale eines Trenchcoats finden sich auch bei diesem Mantel wieder, manche nicht: Der zweireihige, in beide Richtungen knöpfbare Wachsmantel lässt sich gurten, Schnallen an Ärmel und Gürtel (ohne D-Ringe) sind vermutlich aus einem harten Kunststoff und mit einer Ziernaht versehen. Mit dem von anderen Barbourmodellen bekannten Stück Stoff (ich nenne sie Blende) kann man den Kragen am Hals fest verschließen.
Die Jacke besitzt keine Druckknöpfe, alle Knöpfe sind gleich groß und per Loch zu schließen. Mir fehlt die Expertise, zu erkennen, ob es Horn- oder Kunststoffknöpfe sind - ich möchte sie nicht über ein Feuer halten - sie machen aber einen ausreichend wertigen Eindruck. Alle Taschen sind mit Moleskin (Pilotstoff/Englischleder) gefüttert und tief genug. Zur besseren Vorstellung: Außen lassen sich je zwei Halbliterflaschen, innen eine verstauen . Die Außentaschen lassen sich nicht verschließen, sind innen an der Öffnung mit einigen Zentimetern Cord ausgestattet und man kann nicht, wie bei klassischen Trenchcoats von innen ebenfalls hineingreifen bzw. von außen nach innen durchfassen. Die Innentasche links auf Brusthöhe ist mit einem Reißverschluss versehen. Der Cordbesatz auf der Innenseite des Kragens zieht sich den gesamten Mantel bis zum unteren Saum entlang. Auch an den Ärmel sind innen einige Zentimeter Cord vernäht, wodurch sie umgekrempelt ebenfalls ansehnlich sind. Interessant ist, dass die Sturmklappe (Gun-/Storm flap) auf der Unterseite auch mit Cord besetzt ist. Ich kann mir diese Designentscheidung nicht erklären, jedenfalls wird sie das kräftige Einwachsen dort erschweren, wo Cord auf Baumwolle liegt. Ich möchte den Cord, auch wenn er nicht sichtbar ist, nicht mit Wachs verunreinigen. Zudem lässt sich der Mantel nicht mit dem Knopf der Sturmklappe verschließen, womit ein Hineinlaufen von Regen an dieser Öffnung verhindert werden könnte. Da ich aber nicht beabsichtige, diesen Mantel bei schlechtem Wetter in Schützengräben zu tragen, ist dieses Designdetail eines klassischen Trenchcoats für mich eher ein stilistisches als ein funktionelles Element. Der Wetterfestigkeit wird dies keinen Abbruch tun. Der doppelte Rückenteil (Back flap) hingegen kommt auf der Unterseite ohne Cord aus.
Da der Mantel mit eingesetzten Ärmeln anstatt mit Raglanärmeln ausgestattet ist, sitzt er schmaler als z.B. eine Border in gleicher Größe. Dank der dunkelblauen Farbe und fehlenden Schulterklappen dürfte auch dem unbedarften Betrachter die Assoziation mit Detektiven oder Exhibitionisten fernliegen. Inwiefern er dem versierten und provokanten Betrachter einen U-Boot-Offizier ins Gedächtnis ruft, hängt vermutlich von Kopfbedeckung und Erscheinungsbild des Trägers ab. Ebenso wird sich zeigen, ob er im gewachsten Zustand an das durch Populärunterhaltung geprägte und unerwünschte Bild eines Gestapo-Mitarbeiters oder an Morpheus aus den Matrix-Filmen erinnert. Auch hier schreibe ich Auftritt und Erscheinungsbild allerdings den größeren Einfluss zu.


Meine abschließender, persönlicher Kommentar:

Das Einwachsen war nicht nur herausfordernder als bei Wachsjacken, weil es mehr Fläche zu bearbeiten gibt oder man auch unter den Knöpfen wachst, sondern auch, weil der Cordstoff an der gesamten Knopfleiste und am Kragen während des Vorgangs vom Wachs fernzuhalten ist - knifflig!
Den Trenchcoat trage ich bei stärkerem Regen. Als Maß gilt hier für mich: Sobald robustes Schuhwerk gerade noch ausreicht oder Gummistiefel vonnöten sind, wird der Mantel übergestreift, falls es nicht zu warm ist. Für Fahrradfahrten überlege ich mir, weiter unten Knopf und Loch anbringen zu lassen, damit ich ihn dort schließen kann und er beim Pedaletreten nicht vom Bein rutscht.
Er macht auf mich einen äußerst rustikalen Eindruck, sodass ich ihn nicht trage, wenn es der Regen nicht rechtfertigt. Wenn es allerdings regnet, fühle ich mich rundum wohl mit ihm und er ersetzt formidabel die schweißtreibende, umständliche und leicht unbequeme Kombination aus Regenhose und Regenjacke, auch wenn die gewachste Baumwolle bekanntermaßen, im Gegensatz zum Friesennerz, letztendlich doch nach einiger Zeit bei heftigem Schauer das Wasser auf die Schultern lässt.
Ob ich ihn ebenfalls als Herbst- oder Wintermantel trage, werde ich noch überlegen.
Zwar vermisse ich die Hasentasche der Beaufort oder die tiefen Innentaschen der Border, jedoch sind die beiden Außentaschen und die Innentasche groß genug und mehr als manch andere Mäntel zu bieten haben.
Der Gürtel könnte stabiler sein, da er sich zumeist faltet und verdreht und sich oft nur umständlich durch die Gürtelschnalle fädeln lässt. Im Moment nervt es mich im Moment noch, aber ich werde es zukünftig wohl als gegeben hinnehmen, wenn ich den Gürtel nicht mehr durch die Schnalle ziehe, sondern mich für einen einfachen, schnell zu bindenden Knoten entschieden habe.
Was für Wachsjacken gilt, gilt auch für diesen Mantel: Schmutz, Schlamm, groben Umgang verträgt er gut, ebenso werden Tragespuren seinen Charakter hervorheben. Das kommt mir sehr entgegen, da ich nicht besondere Rücksicht auf ihn nehmen möchte: Sei es zu Fuß, auf dem Fahrrad oder mich mit ihm auch mal auf nassen, verschmutzten Untergrund setze. Darum habe ich ihn auch sehr großzügig eingewachst, er glänzt stellenweise stark, was aber im Regen nicht auffällt.
Kurzum: Ich werde diesen Mantel nicht, wie ursprünglich geplant, für Ersatzteile ausschlachten. Dafür ergänzt er meine Garderobe zu gut: Seine Passform ist optimal (erlaubt Bewegungsfreiheit, ohne sackartig zu wirken), seine Verarbeitung ist gewohnt qualitativ und er vereint Stil und Funktion für seine von mir vorgesehenen Einsatzzwecke hervorragend.

Über Kommentare freue ich mich, weitere Infos oder Fotos liefere ich gerne.
 
Vielen Dank für diesen ausführlichen Kommentar. So wie sehe, bietet Barbour heutzutage nicht einmal mehr etwas vergleichbares an, du hast hier definitiv einen tollen Fund gemacht.
 
Zunächst einmal ganz herzlichen Dank für deinen Bericht und die Mühe, die du dir gemacht hast!!!




Ob ich ihn ebenfalls als Herbst- oder Wintermantel trage, werde ich noch überlegen.
Naja, für den mitteleuropäischen Frühling, die sagenhafte Übergangszeit oder gar den Sommer ist dieser Mantel gänzlich ungeeignet.
Ich habe den gleichen aus 1992, trage ihn jedoch sehr selten, und wenn, dann muss es schon recht kalt sein. Man, bzw. ich, komme in diesem Mantel sehr schnell zum Schwitzen.

Als ich deine Rezension gelesen habe, kam mir sehr schnell für einen kurzen Moment der Gedanke: Hoffentlich hat er ihn nicht gewachst! Ich bilde mir ein, ungewachste Baumwolle ist luftdurchlässiger als gewachste. Aber gut, der nächste Einsatzzweck kommt bestimmt.

Weiterhin viel Freude an dem Stück.
 
Vielen Dank für den ausführlichen und informativen Bericht!

Interessant ist, dass die Sturmklappe (Gun-/Storm flap) auf der Unterseite auch mit Cord besetzt ist. Ich kann mir diese Designentscheidung nicht erklären, jedenfalls wird sie das kräftige Einwachsen dort erschweren, wo Cord auf Baumwolle liegt. Ich möchte den Cord, auch wenn er nicht sichtbar ist, nicht mit Wachs verunreinigen. Zudem lässt sich der Mantel nicht mit dem Knopf der Sturmklappe verschließen, womit ein Hineinlaufen von Regen an dieser Öffnung verhindert werden könnte. Da ich aber nicht beabsichtige, diesen Mantel bei schlechtem Wetter in Schützengräben zu tragen, ist dieses Designdetail eines klassischen Trenchcoats für mich eher ein stilistisches als ein funktionelles Element.
Ja, das scheint ein reines "Stilelement" ohne funktionalen Nutzen zu sein. Was haben sich die Barbour-Designer bloß dabei gedacht (haben sie überhaupt dabei gedacht)? Das sollte Deiner Freude an dem Mantel keinen Abbruch tun. Ich habe mal irgendwo gelesen (Quelle weiß ich nicht mehr), dass die Gun-Flap (was ist der korrekte best. Artikel von flap im Deutschen?) eingeführt wurde, da sich das vollständig zugeknöpfte Revers des Trench-Coats beim Halten des Gewehrs in Schussstellung "auffaltete" und dadurch Regen leichter eindringen konnte. Vermutlich wirst Du nicht mit dem Mantel schießen.

unerwünschte Bild eines Gestapo-Mitarbeiters
Der Mantel ist ja nicht aus Glattleder. Da sehe ich kein Problem.
 
@Matz Ja, für den Sommer oder Übergang tatsächlich zu warm. Nutze ihn daher derzeit ausschließlich als Regenmantel, daher habe ich ihn auch ordentlich gewachst.
Da ich in der Kombi Regenhose + Regenjacke ebenfalls direkt schwitze, macht es für mich keinen Unterschied. Ab einer gewissen Temperatur + Regen muss man sich entscheiden: Entweder von außen nassgeregnet oder von innen nassgeschwitzt :) .

@pinguin71: Das mit der Gun-Flap ist eine interessante Info, war mir bisher unbekannt.
 
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