Paisley, vielen Dank für deinen tollen Beitrag!
Ich erkennen mich in diesem tollen Thread in vielen Gedanken und Erklärungen ein Stück weit wieder.
Mir geht es beim Thema Kleidung vor allem um eines: Wenn ich Spaß an einer Sache, einer Thematik habe, dann versuche ich gerade immerzu das für mich jeweilige, relative (!) Optimum herauszuholen. Dies ist einer meiner Grundsätze.
Ich bin nach Gallup ein "Maximizer" und nebenbei ein unerhöhrter Prokrastinator bei dem Rest. In Kombination bedeutet das für mich, dass ich mich mit den Dingen, die mir subjektiv als wichtig erscheinen, eben zusätzlich stark befasse, sodass ich gefühlt gar keine Zeit mehr habe, um mich den "langweiligen", oder subjektiv unwichtigen Dingen des Lebens zu widmen. Ich schaffe mir Ausreden... "Maximizer" funktionieren nur gut mit Hilfssystemen für ihre Schwächen.
Was ich damit andeuten möchte, ist, dass ich eklatante Schwächen habe. Und mir dieser bewusst bin. Und auch zu ihnen stehe und mich damit beschäftige, wie ich sie weniger schwach gestalten kann. Und auf der anderen Seite aber den Anspruch hege, das, was ich mache, dann auch richtig, richtig gut zu machen (relativ im Rahmen meiner Möglichkeiten).
Um wieder auf den Ausgangspunkt des Themas zu kommen: Ich bin technischer Produktmanager in der Industrie. Ich bin 27 Jahre. Ich arbeite in einem Werk. Ich habe hier mein Praxissemester, meine Thesis. Das Werk hat viele Angstellten, aber auch Werker. Hier hegt fast niemand den Anspruch (aus meiner Perspektive: wirklich) gut gekleidet zu sein. Hier fühlen sich die Menschen wie ein König im Metzinger 299,- EUR Boss Anzug. Und sei er 2 Nummern zu groß. Hier regiert der König "Olymp" mit seinem Ritter "Lloyd". Aber ich weiß es ja eigentlich besser... Womit wir wieder bei der von Paisley angesprochenen Arroganz ankommen.
Auf den ersten Blick hielten und halten mich alle für bekloppt. Auch weil die Medien diesen Stil oder alles, was in diese Richtung geht, unreflektiert sicherlich in die Rubrik "Schnösel, BWL'ler, (Investment-)Banker" steckt. Die Menschen übernehmen das subtil dann nur zu gerne. Jedenfalls falle ich auf. Und bin mir dessen bewusst. Und natürlich versuche ich auch dann und wann - aber niemals aufschwätzerisch oder initiierend - mein vermeintliches größeres Wissen um Kleidung als Tipp oder Hinweis an den Mann zu bringen. Und den gut gekleideten Damen ein Kompliment zu machen. Die Tipps laufen niemals ab nach dem Motto "du machst doch alles falsch und hast eine völlig falsche Einstellung zur Wichtigkeit und Bedeutung von Kleidung", sondern immer als sanftes Optimieren. Menschen kann und soll man nicht ändern. Menschen ändern sich nur von sich aus. Also will ich bewusst keinen zusätzlichen Druck, keine verbale Gegenposition erzeugen, die mein äußeres Erscheinungsbild ja ohnehin schon preis gibt.
(Einschub: Diese Erkenntnis, dass Menschen sich nicht ändern, ist meiner Meinung nach auch so essentiell und entscheidend für die Arbeit als solche. Meine Kollegen halten sich jeden Tag aufs Neue mit Ärger über XY auf, weil dieser und jener eben nicht so oder so ist. Ich versuche nicht mit Utopien zu arbeiten, sondern mit dem, was ich habe. Kollege XY ist eben so. Und er hat seine Stärken. Und diese versuche ich zu nutzen und ihm bei den Schwächen zu helfen, unter die Arme zu greifen oder ihm die Teilaufgabe abzunehmen. Für mich bisher eine ganz entscheidende Komponente für Erfolg und gemeinsames Vorankommen. Wer den anderen akzeptiert, wie er ist, kommt besser voran.)
Was die Menschen sehen, ist ein scheinbar perfektes Bild (gemessen an den Maßstäben hier, aber alles andere als das...
). Das, was die Menschen mitbekommen, wenn sie mit mir arbeiten, ist ein anderes. Ich bin nett, offen, herzlich, ehrlich, positiv, enthusiastisch, motiviert, motivierend und und vor allem das selbstironisch. Ich nehme mich nicht komplett ernst! Ich stehe zu meinen Spleens, ich stehe zu meinen Schwächen. Und versuche einzig das beste daraus zu machen. Und aus dem mir wirklich Wichtigen dann auch wirklich das Beste. Die Kollegen merken, dass man mit mir Pferde stehlen kann. Das kommt zu sehr großen Teilen sehr positiv an. Und das transportiert sich zu Dritten. Eben diesen, die sonst immerzu nur diesen "Schnösel, BWL'ler, (Investment-)Banker" gesehen haben. Und die Menschen merken, dass sie mich ebenso begeistern können für die Sachen, die sie als wichtig erachten.
Menschen mögen selten totale Perfektionisten. Zumindest nicht in meinem Umfeld. Denn diese bedeuten Druck. Spätestens durch Reflektion. Mein Bild baut diesen Gedanken auf. Das Kennenlernen zeigt dann aber, dass dort jemand ist, der sich nicht zu ernst nimmt und der manche Sachen interessant findet und manche Sachen nicht. Und die Sachen, die er interessant findet auch gleich versucht richtig zu machen. Kleidung gehört nunmal dazu. Ich bin so mittlerweile der Lieblings-Produktmanager der Entwicklungsabteilung geworden. Auch wenn man uns dort sonst gar nicht so schätzt... Man arbeitet gerne mit mir. Eben weil ich nicht perfekt bin und auch nicht versuche dieses Bild durchgängig zu verkaufen, wie viele andere Business-Kasper.
Es ist ein Weg, der sicher nicht ohne Risiko ist, denn er setzt voraus, dass mich genügend Menschen - direkt und indirekt durch hörensagen - kennenlernen als Person und Angestellten, sodass sich das Bild eben irgendwo zurechtrückt. Aber aktuell bin ich mit dieser Entscheidung, mit diesem Weg, sehr glücklich. Ich muss mich zu großen Teilen eben nicht verstellen. Und fühle mich sehr wohl. Was meinem Enthusiasmus für die Sache hier wiederum sehr zuträglich ist. Und Enthusiasmus und Erfolg korrelieren bei mir meist.
"Ich schiesse oft über das Ziel hinaus, doch selten daneben." bringt die Sache schon irgendwo auf den Punkt.