Maßhemden und Hosen in Südostasien

In Hanoi kann ich einzig Vietnam Bespoke von Mr Duong empfehlen, dort findest du ordentliche Arbeit aber auch zu europäischen Preisen. Eindrücke gibt es auf Instagram @bespokeshop.vn.
Meine Arbeitskollegen schwören auf Văn Hùng Tailor, ich war aber bisher noch nicht dort und bin von den Ergebnissen nicht wirklich überzeugt.

Zu deinen anderen Reisezielen kann ich leider nichts sagen, außer dir viel Spaß zu wünschen, denn die Landschaft ist wirklich phenomenal.
 
Ich danke schon einmal für die vielen Tipps und Anregungen. Auf der vorherigen Seite wurde Tylor Dung in Ho-Chi-Minh-City genannt, welcher auf TripAdvisor schon viele gute Kommentare hat. Ob man allerdings was darauf geben kann?
 
"Hello, my friend, my friend, where are you from? Come in, have a look inside, make very special price for you..."

Auch sehr beliebt:
"You're my first customer today..."

Soviel Kundennähe schafft natürlich Vertrauen. Und das ist ja auch gerechtfertigt, den schließlich haben 90 Prozent aller Schneider in Asien ihr Handwerk in der Savile Row gelernt, beziehen ihre Stoffe direkt von Ermenegildo Zegna und beliefern das Königshaus (den Präsidentenpalast) schon in dritter Generation!

Bei Sam in Hongkong hängt ein Portrait der fleischgewordenen Raute. Er habe für sie geschneidert, sagt er, was sogar gut möglich ist.
Für mich würde er natürlich nicht schneidern, sondern ein Auszubildender im ersten Lehrjahr. Okay, das hat er nicht gesagt, das sage ich...
(Ich habe nicht dort arbeiten lassen.)
 
Aber mal ernsthaft: Ich habe mir bei verschiedenen Schneidern in SIN, KUL, HKG Hemden, einmalig auch einen Anzug, machen lassen. Da das Thema immer wieder aufgegriffen wird, möchte ich Euch an meinen Erfahrungen teilhaben lassen.
Zwei Vorbemerkungen: ich trage im Alltag keine Anzüge, aber regelmäßig Sakkos. Und ich habe einen großen Brustkorb (sagen andere), leichte Biertitte (sage ich) und sloping shoulders (sagt der Schneider).

Weder Rezensionen, noch Empfehlungen vor Ort, noch ein Geschäft und dessen Publikum zu beobachten sind dort hilfreiche Taktiken, einen Schneider zu finden.
Einen Schneider zu finden und zu beauftragen, kostet Zeit, Zeit die von kostbarer Reisezeit abgeht.
Mit jedem Auftrag gewinnt man an Erfahrung: Inzwischen weiß ich, daß bei mir keine zentrale Rückenfalte geht, sondern nur zwei seitliche. Als es als leger galt, Hemden aus der Hose zu tragen, habe ich sie hinten kürzer anfertigen lassen - jetzt habe ich solche Hemden, die sich aus der Hose ziehen. Einmal habe ich einen besonders festen weißen Stoff ausgewählt, weil er sehr blickdicht war. Einmal davon mit french cuff. Dafür war der Stoff viel zu dick... sowas halt.

Fast alle Schneider sind salesmen, aber keine Handwerker. Wer selbst näht ist entsprechend teurer Branchenstar oder Freak oder beides. Manche vergeben auch nur Hemden fremd. Manche beauftragen Lohnschneider, manche sind eine Art Franchisenehmer mit hauseigener Schneiderei. Es ist schwer zu durchblicken. Fremdvergabe muß aber kein Nachteil sein. Der salesman ist an Kundenbindung auch über Kontinente interessiert und hat die größere Distanz zum Ergebnis. Arbeitsausführung hatte ich nie zu bemängeln. Das wichtigste ist akkurates Vermessen vom Schneider oder Verkäufer.

Meine Hemden lagen zwischen 63 und 72 €, je nach Wechselkurs, Verhandlungsgeschick und Abnahmemenge, einmal deutlich darüber, einmal deutlich darunter. Preise müssen immer hart verhandelt werden, machen die auch ("I lose money ")
 
Teurer geht natürlich immer, aber dann kann man es auch in DACH machen lassen.
Anproben sind für den Preis nicht vorgesehen und haben, wenn stattgefunden, nicht zu einem besseren Ergebnis geführt. Das ist auch logisch: Anprobe kostet den Unternehmer Geld und ist deshalb nur sinnvoll wenn die Kostenkurve für Reklamationen die Kostenkurve für Anproben schneidet, mithin der Unternehmer den Fähigkeiten seines Personals mißtraut.

Mit dem Ergebnis war ich jeweils zufrieden. Meine Reparaturschneiderin lobt die Qualität von Material und Ausführung. Die Paßform ist um ein Vielfaches besser als alles von der Stange, selbst wenn es angepaßt wurde.

Hemden kosten immer das gleiche, egal welcher Kragen, Manschette, Tadchenanzahl. Weil ich nicht 70 € für Halbarmhemden bezahlen wollte (mir egal, daß sie hier verpönt sind) habe ich einmal ein günstiges Angebot angenommen, 3 für 110. Vorher das Geschäft beobachtet, viele Anzugträger als Kunden, viele Expats. Das Resultat: half the price, half the satisfaction. Kann man tragen, aber Abstriche bei Material und Paßform trotz Zwischenprobe. Verarbeitung ist gut.
 
Noch kurz zum Anzug:
Grundsätzlich habe ich das Problem, daß bei allen Sakkos auf Brusthöhe das Revers knickt. Das ist bei dem MTM Anzug aus SIN, Preis <400€, Material 120, Einlage geklebt, leider auch etwas der Fall. Dennoch ist das Ergebnis insgesamt viel besser als bei angepaßtem Sakko vom Baukasten-Anzug. Die Hose sitzt sehr gut. Wg. des Sakkos habe ich mit einem anderen Schneider gesprochen. Der sagte bzgl. der Revers-Probleme, er könne mit genähter Einlage (Roßhaar) ein deutlich besseres Ergebnis erziehen, optimal würde es bei mir aber nie.

Noch zu den Hemden: Natürlich habe ich versucht, die Preise der Lohnschneider zu ermitteln. Da läßt sich aber natürlich keiner in die Karten gucken. Ich hörte 8,80 € pro Hemd und halte das für plausibel.

Im Ergebnis habe ich die Vorzüge von Kleidung mit individueller Paßform zu schätzen gelernt und möchte sie nicht mehr missen. Bei strenger Betrachtung von Grenznutzen und -kosten ist die auch gar nicht teurer als Stangenware in Europa. Mit den Hemden in der Preisklasse bin ich zufrieden, für den nächsten Anzug wäre ich geneigt, mehr zu investieren. An Erfahrung habe ich auch gewonnen.
Allen die mit dem Gedanken spielen, ob sie in Asien Schneider aufsuchen sollen, möchte ich dazu raten.
Klar ist aber, Stoffe haben Weltmarktpreise, Mieten sind in SIN, KUL, HKG bestimmt nicht billiger, auch nicht der Untetnehmerlohn. Bleibt einzig der Arbeitslohn für Spielraum. Den Superschnapper wird man dort nicht machen - und sollte man auch nicht erwarten.

Ich hoffe, ich konnte mit meinen ersten Beiträgen hier dienlich sein.
 
Falls es noch interessant ist, eine Empfehlung wäre in Bangkok der Schneider Tanika. Der bietet keine Anzüge zu Schleuderpreisen, ist dennoch günstig im Vergleich zu Europa. Ich habe dort einen sehr schönen Nadelstreif fertigen lassen, mit dem ich sehr zufrieden bin, das ist allerdings schon ein paar Jahre her.

Mir wurde er von einer Freundin empfohlen, die mehrere Jahre in Bangkok gelebt hat. Sie meinte, dass aufgrund der Qualität, die Diplomaten-Community gerne hingeht.
 
Nachdem Asiaten, die es sich leisten können, Hemden bei Avitabile und Anzüge bei diversen neapolitanischen Schneidern bestellen, kann man wohl die Qualität der südostasiatischen Schneider (bis auf eine geringfügige Zahl, die zu europäischen Preisen fertigt) als minderwertig einschätzen
 
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