Janker - doch salonfähig? Und eine weitere Frage.

John_Jarndyce

Well-Known Member
Ich weiß, mit einem solchen Beitrag begebe ich mich - zumal als Neuling - auf dünnes Eis. Ich habe dazu auch durchaus etwas in diesem Forum gelesen, durchaus interessante Fäden wie "Gibt es einen deutschen Kleidungsstil?" oder den über Lodenmäntel.

Bisher war ich eher der Meinung, dass ein Janker nicht nur ausserhalb von Bayern oder Österreich deplatziert ist, sondern eigentlich generell ein antiquiertes Kleidungsstück darstellt. Dann war ich vor wenigen Tagen auf einer Veranstaltung der hiesigen Wagner-Gesellschaft, wo der Vorsitzende mit einem blauen Janker auftrat, mit rotem Einstecktuch, rotem Strick darunter, und es passte ausgezeichnet zu ihm und zu seiner Funktion - es sah kein bisschen verkleidet aus. Ich war beeindruckt.

Und habe ich mich, davon unabhängig, auch gefragt, wie eigentlich der Gurt heisst, der am Rücken eines Jankers angebracht ist - und welche Funktion er hat - Raffung?

Herzliche Grüße
 
Ich für meinen Teil kann nur sagen, dass ein Janker sehr wohl "salonfähig" ist. Ich trage oft Janker, mal weniger grob mit "Gurt" mal mehr grob (mit Quetschfalte und kürzer) mit Krawatte und ordentlicher Hose, zu allen möglichen Business-Terminen, aber auch privat.
Ich wohne aber auch im "wilden Süden".

Glaube der Gurt am Rücken heißt "Riegel" und tailliert den Janker etwas.
 
Sieht man in NRW erstaunlich oft, finde ich. Ich würde es aber schon als Statement Piece sehen, das zumindest leise andeutet, dass man auch jagt oder eine besondere Verbindung nach Bayern oder Österreich hat. Das muss natürlich nicht so sein, ist es aber häufig.

Ein in Westfalen geborener und lebender Verwandter, der in München studiert hat, trägt im tiefsten Westfalen sehr stilsicher Janker. Wenn ich in Düsseldorf jemanden im Trachtenjanker sehe, ist meine Assoziation "rheinischer Industriebaron mit Zweitwohnsitz am Tegernsee", so in der Art: Otto Beisheim im Janker
 
Vielen Dank für eure interessanten Beiträge. Mir scheint es so zu sein, dass sich beim Janker die enge Verknüpfung mit einer regionalen oder funktionale Zuordnung ähnlich wie bei der Barbour-Jacke oder dem Tweed Sakko löst; ist es bei diesen die Zuordnung zum britischen Landleben, ist es bei jenem die zur bayerischen oder österreichischen Folklore. Dieser Prozess ist bei Barbour und Tweed natürlich schon viel länger im Gang und auch viel weiträumiger, was die Verbreitung dieser Kleidung bzgl. Entfernung vom Herkunftsort betrifft. Tweed und Barbour sind international, der Janker bleibt deutsch-österreichisch. Dass diese Jackenform dabei auch als Statementpiece fungiert, der eine Verbundheit (mit Bayreuth, Bayern oder Österreich) signalisieren soll, ist bestimmt häufig so. Parallel haben wir modetypisch (hier trennt sich Stil von Style und Mode) auch Auswüchse der Banalisierung und Ablösung von originalen Formen; so sind z.B. im neuen Sör-Katalog Janker in Fashion-Variante zu finden, in bedenklicher räumlicher Nähe zu Sneakern - was nun so gar nicht geht.

Ich möchte noch ergänzen, dass ich den erwähnten blauen Janker des Herrn auf der Veranstaltung, wie einen Blazer getragen, ein sehr gelungenes Statement fand - passend zum Träger, und keineswegs wie eine Verkleidung wirkend. Der Herr und ich sind übrigens mittlerweile in den Audüber dieses spezielle Kleidungsstück ins Gespräch gekommen. * *
 
Auch der meiste Barbour-Kram ist inzwischen Fashion. Allem voran diese unsäglichen - sorry, Lionel_Hutz - Steppjacken. Hat mir der Uridee des Barbour nichts mehr zu tun. Ich muss da immer an SUV-fahrende Stadtkinder denken, die ein Stück Landadel vorzeigen wollen, aber keinen Kuhduft mögen. Aber da sind wir wieder beim Barbour zum Anzug.

Barbour zum Janker - das wäre doch mal was. Gäbe einen lauten Aufschrei, obwohl vom Verwendungszweck her näher beieinander als Barbour und Anzug.
 
Auch der meiste Barbour-Kram ist inzwischen Fashion. Allem voran diese unsäglichen - sorry, Lionel_Hutz - Steppjacken. Hat mir der Uridee des Barbour nichts mehr zu tun. Ich muss da immer an SUV-fahrende Stadtkinder denken, die ein Stück Landadel vorzeigen wollen, aber keinen Kuhduft mögen. Aber da sind wir wieder beim Barbour zum Anzug.

Barbour zum Janker - das wäre doch mal was. Gäbe einen lauten Aufschrei, obwohl vom Verwendungszweck her näher beieinander als Barbour und Anzug.
Die Steppjacken passen eigentlich gar nicht recht ins Barbour-Universum, denn die Husky-Jacken sind ja eine 60er/70er Jahre-Erfindung eines Amerikaners. Meine Schlüsselerinnerung an das Quilted Jacket ist Giovanni Trappatoni, der als Bayern-Trainer am Spielfeldrand damals gerne Quilted Jackets trug, deswegen ist das für mich eher mit Italien als mit England verbunden und ich glaube die Quilted Jackets sind insofern gar keine schlechtes Kleidungsstück, weil sie sowieso keinerlei Tradition oder echten historischen Bezug haben, sondern einfach ein 50 Jahre altes Phantasie-Produkt sind, das offensichtlich genügend Leute gut fanden, als dass es heute von tausend Firmen in tausend Varianten angeboten wird.

Ironiemodus an: Barbour ist übrigens sehr mit bayerischer Tracht verbunden, da eine Wachsjacke zwar kein authentisches, aber doch extrem zweckmäßiges Kleidungsstück zum Besuch der Wiesn ist ... Loden kann man sich mit Bierduschen und Schlimmerem nachhaltiger versauen.
 
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