Ich finde es sehr interessant, dass der Deutsch an sich, abgeleitet aus dieser Diskussion und meiner öffentlichen Wahrnehmung, nur 2 Wege der Karriere kennt.
Angestellter sein, in einer Position so hoch wie möglich oder Wissenschaftler in der Forschung mit dem Ziel Professur.
Damit hast Du Recht und ich muss dazu auch sagen, dass viel davon mit Suggestion und Kultur zu tun hat. Während des Studiums hat keiner meiner Kommilitonen von Selbstständigkeit oder Startups geredet; wer das tat, wurde angeschaut wie ein geisteskranker. "Viel zu riskant!" Das ist sicherlich typisch Deutsch und in angelsächsischen Ländern ist das Thema eigene Firma viel weniger negativ im Sinn von Pleiterisiko behaftet.
In Deutschland haben es die Großkonzerne durch ihr Hochschulmarketing verstanden, den naiven Studenten wie mir selbst damals zu suggerieren dass:
- es nur
einen erfolgversprechenden Weg im Leben gibt und der heißt: Studium, Auslandsaufenthalte, Praktika, Konzernlaufbahn, Karriere, Haus & Autos kaufen auf Pump, das Glück stellt sich dann automatisch ein (Unsinn: Das macht für einige geeignete Leute Sinn, für andere jedoch nicht)
- Aufstieg für Jedermann möglich ist, bis an die Spitze (Unsinn: Häuptlinge gibt es wenige, dafür viele Indianer)
- ein massiver Mangel an Fachkräften herrscht (Unsinn: Unternehmen erzeugen durch das Warnen vor dem Fachkräftemangel ein 'Angebot', also Absolventen, um den Preis kontrollieren zu können)
- bei "entsprechender Leistung" Gehaltssteigerungen von 10-15% pro Jahr (400% nach 10 Jahren) die Regel sind (Unsinn: Ausnahmen bestätigen nicht die Regel)
Der Realitycheck kam für mich - wie für so viele - nach dem Studium. Das Problem für viele ist sicherlich, dass sie nach einigen Jahren im Berufsleben durch vielerlei Verpflichtungen (Hauskauf/Hypothek, Familie etc.) keinerlei Spielräume für die Aufnahme von Risiken wie einer Selbstständigkeit haben.
Ich hatte das Glück, nach zwei frustrierenden Jahren den Job kündigen zu können und mich 2002 selbstständig zu machen. Wenn ich zurück denke war das eingegangene Risiko ohne Frage enorm, da ich den klassischen Karrierepfad verlassen hatte und dieser Schritt nicht unbeschadet rückgängig zu machen ist. Was tun, wenn es schief geht? Ich hatte komischerweise viele schlaflose Nächte obwohl es finanziell sofort sehr gut lief. Ich glaube es war für mich einfach schwierig, sich von einem einmal geplanten Karriere- oder Lebensmodell zu lösen.
Mein Post hat leider je nach Lesart einen negativen Unterton, deswegen: ich will hier niemandem die Konzernkarriere schlecht reden. Auf jeden Topf passt ein Deckel, nur welcher? Jeder sollte schon während des Studiums spätestens aber vor Berufsbeginn kritisch hinterfragen: Wer bin ich? Was will ich? Was
kann ich? Was kann ich
nicht (!) -- Ich habe das damals nicht in ausreichendem Maße getan. Wer einen erfahrenen Mentor im Freundes- oder Verwandtenkreis hat, sollte den nutzen.