Im Rhythmus

Ich bin mir sicher, daß es in der heutigen Zeit deutlich schlechter bezahlte Möglichkeiten gibt, sein Geld zu verdienen als mit öffentlichem Schuheputzen. Und wie es meist im Dienstleistungssektor ist: Ist der Kunde zufrieden, freut sich auch der der Dienstleistende - auch wenn die Arbeit selbst noch so dämlich ist.
 
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Zur Freiwilligkeit. Selbst wenn man unterstellt, dass entgegen aller neurobilogischen Forschung der Wille frei ist, so ist es doch kaum zu leugnen, dass es Sachzwänge sind, die den Schuhputzer zum Schuhputzer machen. Aus Freude heraus putzt man doch meist nur seine eigenen Schühchen. Wäre ich Schuhputzer, müsste ich natürlich auch anderes behaupten.

Solchen Sachzwängen unterliegen ja - bis auf Abkömmlinge noch immer wohlhabender Adelsgeschlechter - eigentlich wir alle, die wir, auf die eine oder andere Art, für unseren Broterwerb zu arbeiten haben. Ob nun jemand Leerverkäufe oder sonstige Spekulationsgeschäfte tätigt oder zu tätigen hat, als dienstbarer Geist in Form eines Butlers tätig ist oder einen Lehrauftrag zu erfüllen hat, ist dabei doch recht unerheblich. Letztlich bleibt die Mehrheit unserer Zeitgenossen fremdbestimmt abhängig tätig. Da ist doch auch Schuhputzen nichts Ehrenrühriges, sowohl von der ausführenden Seite, als auch von der Entgegennahme der Dienstleistung.
 
Um es noch mal deutlich zu machen , mir geht es nicht direkt um die Befindlichkeit des Schuhputzers, oder gar um die Ehrenrührigkeit gewisser Tätigkeiten. Die Art und Weise der Inanspruchnahme von Dienstgleistungen interessiert mich. Der Stil so zu sagen. Aber unter Stil, schein ja jeder etwas anderes zu verstehen. Was ist also Stil? Sicherlich eine Frage, die einen eigenen Thread rechtfertigen würde.
 
Wie ich meine hat das Knien, bzw. das "zu Füsse stehen" einen ungeheuren Symbolcharakter. Gebe es in Berlin ein Geschäft bei dem ich, ähnlich einer Reinigung, mein Schuhe zur Pflege abgeben und diese nach erbrachte Leistung wieder abholen könnte, so würde ich es tun. Weiterhin bin ich der Meinung, dass wir in Europa soziohistorische Traditionen haben, die durchaus erhaltenswürdig sind, auch wenn einige sie als knöchern empfinden. :)
 
:D Der Unterschied ist natürlich signifikant, ob ich als Herrenausstatter oder Schneider jemandem die Hosen abstecke oder jemandem die Schuhe poliere, wenn deren Eigentümer gerade darin steckt. Im ersten Fall würde ich sogar darum bitten, der Schneider mögen nicht nach Bauchgefühl über meine Hosenlänge entscheiden, im zweiten ist es durchaus möglich die Dienstleistung ohne den Schuhbesitzer zu erbringen.

Ja, das habe ich auch schon erlebt, dass jemand der Bedienung über drei Tische hinweg zuruft, noch ein Glas Wasser zu wünschen. Würde die Dame dem Gast dieses Glas auch über drei Tische hinweg zuwerfen, hätte sie sich meinen Beifall redlich verdient. Umgangsformen dieser Art zeugen von wenig Respekt, möchte ich meinen, aber vielleicht bin ich auch zu altmodisch. ;)
 
Hallo und einen schönen Guten Morgen

Ich bin Schuhputzer, bin durch Zufall auf diese Thematik heute gestoßen und habe mir mal Eure Beiträge durchgelesen. Ich bin ein leidenschaftlicher Schuhputzer und dies schon einige Jahre. Habe einige tausend Schuhe geputzt. Bis heute habe ich nicht das Gefühl mich irgend wie zu erniedrigen.
Noch nach dem 2. Weltkrieg gab es in Deutschland an die tausend Schuhputzer. Es ist in den Jahren danach aus der Mode gekommen. Nun gibt es wieder einige, 10, 11 oder 12 Schuhputzer in Deutschland. Von einfachen Schuhen bis hin zu Rochenlederschuhen habe ich schon so einiges geputzt. Die Schuhpflege ist so wichtig und richtig wie Haarpflege und Kleidungspflege oder die Autopflege. Meine Erfahrung ist, oft haben die Schuhbesitzer leider nicht die richtigen Pflegemittel, nehmen sich nicht die Zeit oder es mangelt einfach nur am Wissen und Können. Aber dafür gibt es ja heute Seminare in denen es wieder erlernt werden kann.

Ich denke die Schuhpflege und alles drumherum ist ein interessantes Thema was eine endlose Thematik hat.
Übrigens, ich erbringe meine Dienstleistung auch bei meinen Kunde im Hause.

Zu Diensten mit glänzenden Grüßen
Königlicher Schuhputzer
Rudolf van der Meer
 
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