Hemden - Welche Webart für leichtes Sommerhemd zum Anzug

Thomas8

Member
Hallo,

welche Webart ist zu empfehlen, wenn man zum Anzug ein möglichst leichtes Hemd für heiße Temparaturen sucht?

Popeline ist ja nicht gänzlich ungeeignet.
Auf der Seite von CT wird auch "Sea-Island-Qualität" empfohlen.

Anzugtaugliche Leinenhemden finde ich bei den Herrenausstatter kaum - die passen wahrscheinlich eher nicht zum Anzug?

Vielen Dank für eure Tipps! Über die Suche habe ich keinen passenden Thread gefunden - falls es doch schon einen geben sollte, bitte ich darum, diesen Post zu verschieben!
 
Hängt mMn von anderen Faktoren ab; Stoffgewicht, Dichte der Webung, Material. Auf die Webart würde ich nicht achten.
 
Also Baumwolle Popeline ist nicht gleich Baumwolle Popeline?

Und wenn wir jetzt von Baumwolle als Stoff ausgehen - welche Webart wäre dann generell (unter Berücksichtigung der von dir genannten Kriterien) die erste Wahl?
 
Also Baumwolle Popeline ist nicht gleich Baumwolle Popeline?

Nein.

Und wenn wir jetzt von Baumwolle als Stoff ausgehen - welche Webart wäre dann generell (unter Berücksichtigung der von dir genannten Kriterien) die erste Wahl?

Wie oben schon ausgeführt, kann man die Frage isoliert nicht beantworten.

Das Stoffgewicht sagt, wie schwer ein Gewebe ist. Wenn man in der Maßkonfektion Stoffe auswählt, wird das meistens angegeben, bei Fertighemden meistens nicht. Bei Baumwolle ist das insofern relevant, weil es bestimmt, wieviel Feuchtigkeit der Stoff selbst aufsaugt. Man kennt das von dicken T-Shirts, wenn man die mal richtig vollschwitzt, werden die noch zusätzlich schwer vor lauter Feuchtigkeit. Also möchte man im Sommer eher einen leichten Stoff.

Die Dichte der Webung (die wird nie explizit angegeben) sagt etwas darüber aus, wieviel Zwischenräume zwischen den Fasern existieren. Beim Weben kann man mit Spannung und Druck die Fasern sehr eng zusammenbringen. Das will man immer Sommer eher nicht, wenn man aber locker webt, wird das Ganze schnell durchsichtig und auch die Formstabilität des Stoffes leidet, insbesondere wenn man ein niedriges Stoffgewicht hat.

Deswegen sind meiner Erfahrung nach die leichten Stoffe meist dichter als die schweren. Die schweren, aber lockeren können unter Umständen mehr Feuchtigkeit durchleiten als die leichten dichten, aber sie speichern auch mehr.

Wie schon gesagt, hat die Webart wenig damit zu tun, weil sie nur festlegt, wie die Fasern sich umschlingen, aber nicht wie fest sie das tun.

Insofern ist man auf das eigene Ausprobieren und das eigene Tragegefühl angewiesen.

Meine Entdeckung für dieses Jahr: 58% Leinen 42% Baumwolle über Belisario. Obwohl ein eher kräftiges Gewebe, trägt es sich gut in der Hitze, leitet Schweiss eher ab als zu speichern (das Hemd fühlt sich nie schweissnass an). Kaum Knitter (weniger als manche Baumwolle), lässt sich problemlos bügeln und ist mE im Sommer auch zum Anzug tragbar. Als fertiges Hemd bekommt man sowas in Deutschland nur sehr selten.
 
Mal ein Anekdötchen zu Popeline im Sommer:

Geschäftspartner trägt ein solches, sehr körpernahes, Hemd in Lachsfarben, ohne Unterhemd, im Hochsommer 2003. Man beschließt in die Kantine zu gehen, nämlicher Herr nimmt sich einen Pott Chilli con Carne mit an den Tisch, der direkt an der Glasfassade in der prallen Sonne (innen) liegt.

Im Laufe der Mahlzeit fängt die Tischgesellschaft an wie in der Sahara zu transpirieren. Die meisten weißen dank Unterhemd oder saugfähigen Webarten wie Oxford und Twill zwar Schweißflecken auf, sind aber sonst noch einigermaßen noch gesittet zu Gange. Der Herr in Lachs dagegen sieht aus als trüge er Oberkörper frei, da ihm das Leibchen fast vollflächig schweißnaß am selbigem klebt. Seine Kollegen haben offenkundig viel Spaß an seiner Vorstellung.

Anschließend geht es zurück in den klimatisierten Besprechungsraum. Eine Woche später höre ich von Kollegen, dass Gevatter Lachs mit einer kapitalen Sommergrippe und Nierenschmerzen zu Hause ist.

Seitdem nie wieder Popeline im Sommer, alleine schon wegen der Lacher.

Gesendet mit der Stilmagazin-App für iPhone, iPad und Android
 
Das mit Oxford dachte ich mir gestern auch. Es ging auch einigermaßen, aber wenn man individuell schnell schwitzt, hilft auch der optimalste Sommerstoff nicht.
Wobei Oxford im Sommer schon seine Vorteile hat, der Stoff ist ja relativ "offen" gewebt und schön luftig.
 
Ich sehe schon es war eine gute Idee, diesen Thread zu eröffnen.

Auf der Website der GQ steht z.B. explizit, dass sich Popeline eher für den Sommer und Oxford eher für den Winter eignet - was mich in meinen Vorurteilen gegenüber diesen "Magazinen" wieder mal bestärkt (das will ich jetzt aber auch nicht vertiefen, weil es vom Thema weggeht).

Zu der Geschichte oben: Das müssen dann aber auch "extrem nette" Kollegen gewesen sein. Wenn ich mitbekomme, dass ein Kollege irgendein Problem hat, dann versuche ich ihm zu helfen bzw. hätte ihn in dieser Situation gesagt, dass ich was mit ihm zu besprechen hätte und wäre mit ihm dazu raus gegangen o.ä.
Unter den genannten Umstände wäre ich mir auch nicht so sicher, ob das Hemd da wirklich den Ausschlag gegeben hat. Das Problem war wohl eher die Farbe, da man auf hellen Hemden (außer weiß) die Schweißflecken natürlich besonders gut sieht. Slimfit ist hierbei natürlich auch nicht förderlich.

Um wieder zum Thema zu kommen: Habt ihr Empfehlungen, wie ich beim Kauf von Hemden von der Stange vorgehen kann, um ein gutes Sommerhemd zu finden? Auf den Hemden von Eterna und Olymp ist z.B. nichtmal die Webart abgedruckt und im Laden erzählen einem die Verkäufer natürlich immer das, was man hören will ("Die sind alle sehr leicht")
Welche Hemden von CT z.B. würdet ihr für den Sommer empfehlen?

Ich glaube es wird doch langsam Zeit für MTM...
 
Das Einzige, was bei mir einen spürbar positiven Effekt hat - ich schwitze sehr schell und leide bei 30 Grad aufwärts massiv - sind Voile Hemden. Die Qualitäten sind sehr unterschiedlich, mein mit Abstand bestes ist von Turnbull & Asser.
 
Da jetzt hier die Physik ins Spiel gebracht wurde, habe ich mal versucht, mich schlau zu machen. Wie meistens im Leben, ist alles etwas komplizierter. Ich traue mich aber mal, das auf zwei wesentliche Situationen zu reduzieren.

Der Körper kann auf drei Wegen Wärme abgeben:
A. Konduktion und Konvektion direkt von der Haut weg. Wenn man mal von Situationen wie im Wasser schwimmend oder im kalten Wind stehend absieht, ist das durch die Luftschicht oberhalb der Haut kein so großer Anteil, in Innenräumen so 20%.
B. Wärmestrahlung. Die kann der Mensch durch erweiterte Gefäße um den Faktor 7 variieren. Der Verlust ist proportional zu der Differenz zwischen Strahlungstemperatur der Haut (so zwischen 30 und 37 Grad) und Strahlungstemperatur der Umgebung. Wenn alles 37 Grad warm ist, kann der Mensch keine Strahlungswärme mehr abgeben. In normalen Räumen in Ruhe transportiert der Mensch aber etwa 60% seiner Wärme als Strahlung ab.
C. Verdunstungskälte. Die hängt nichtlinear ab von der Luftfeuchtigkeit, aber auch der Temperaturdifferenz Haut - Luft.

Wir haben jetzt also 4 Schichten oberhalb der Haut: 1. Luft 2. Kleidung 3. Umgebungsluft 4. Umgebung (Strahlung)

Bei ungefähr 27 bis 31 Grad braucht der Mensch keine Kleidung, kommt aber auch ohne Schwitzen aus.

Die Kleidung kann dann als Zwischenschicht drei Eigenschaften haben:
- Temperaturausgleich der Luft durch Wärmetransport (als dünner Stoff) oder Luftaustausch (poriger Stoff). Verglichen mit einem Fleece sind hier alle Hemdenstoffe sehr gut, aber sowohl in der Normalsituation als auch beim extremen Schwitzen wird hier nur ein kleiner Teil der Wärme transportiert. Diese Eigenschaft ist eher dann bei Kälte (unter 20 Grad) relevant.
- Strahlungsabsorption. Ein dicker Stoff wird hier mehr absorbieren als ein dünner, also eine höhere Rückstrahlungstemperatur erzeugen. Dies ist aber auch hauptsächlich bei Normaltemperatur interessant, beim starken Schwitzen oberhalb von 30 Grad mit Sonne wird eh ein deutlich geringerer Teil der Wärme durch Strahlung abgegeben (mit oder ohne Hemd). Ein dicker Stoff hindert aber auch nicht, er kann sogar von Vorteil sein, wenn er Strahlung größer 37 Grad (Saharasonne) an der Aussenseite absorbiert und selber als Strahlung wieder nach aussen abgibt (der Wärmetransport nach innen wird wieder dadurch behindert, dass es ein luftiger Stoff ist).
- Dampfdurchlässigkeit. Dies ist bei hoher Temperatur entscheidend, weil sich die Luftschicht direkt am Körper schnell sättigt und auch aufwärmt. Die Luft bzw. der Wasserdampf muss also möglichst schnell nach aussen abgeführt werden. Da dürfte eindeutig ein "dickeres" aber luftiges (mit luftdurchlässigen Kanälen versehen) Gewebe im Vorteil sein.
- Feuchtigkeitsabtransport: Viel Schweiss verdunstet gar nicht, weil die Luft gesättigt ist. Ein Gewebe kann das Wasser auch kapillar nach aussen transportieren. Dies funktioniert aber nur bei körpernahen Geweben, weil sonst die Abkühlung auch verpufft. Dies ist das Prinzip der Sportkleidung, die Temperatur puffert, aber Feuchtigkeit ohne Speicherung verdunsten lässt. Wie oben in der Story illustriert, ist ein saugfähiges Gewebe hier im Nachteil, weil es die Verdunstung auf einen späteren Zeitpunkt verzögert, an dem das dann aber zu viel ist und der Körper nicht mehr rückregulieren kann.

Diese ganzen Überlegungen lösen die Frage jetzt nicht wirklich, weil man jetzt mal die ganzen Gewebe auf ihre genauen Parameter hin testen müsste. Textillabore können sowas wahrscheinlich. Es scheint mir aber glaubwürdig, dass dickere Gewebe in Normalsituationen wärmen können (=Strahlung), aber trotzdem beim Schwitzen in hohen Temperaturen keinen Nachteil aufweisen müssen (=Wasserdampfdurchlässigkeit). Ein dünnes Gewebe sollte aber genauso gut sein, solange es nicht zu dicht/straff gewebt ist und die Fasern selbst nicht zu voluminös sind (also nur dünne Popeline und keine dicke/dichte).

Es könnte sein, dass das dicke Gewebe Vorteile hat bei starker Sonneneinstrahlung und trockener Luft, während das dünne Gewebe vielleicht in schwülen Innenräumen besser ist, weil es noch mehr Strahlung zulässt.

Damit sollte doch jetzt jeder eine saubere Begründung für seine Vorliebe haben. :D
 
Zurück
Oben