Handstichkante - aber maschinell?!

GHW

New Member
Werte Damen und Herren,

hier eine Frage weniger der Ästhetik, denn des "Stils": Was haltet Ihr von (maschinell) produzierten Handstichkanten am Sakko?

Die Frage stellte sich mir, als ich neulich bei Kuhn Maßkonfektion war. Dort bietet man ja gegen Aufpreis eine Handstichkante an. Ich habe mich dagegen entschieden, da ich eher der Meinung anhänge, daß dies ja nur "Show" wäre - weil keine Handarbeit im eigentlichen Sinne. Ein ähnlich ungutes Gefühl hatte mich seinerzeit bei Dolzer (jaja, Asche auf mein Haupt) beschlichen, als man mir durchknöpfbare Ärmel anpries, damit man einen Knopf offenlassen solle/könne, "daß man's auch sieht"...

Doch zurück zum Thema: Habe ich mich optisch mit der Entscheidung gegen die (maschinelle) Handstichkante wieder bei C&A eingereiht und unnötig auf ein schönes Detail verzichtet, oder schlafe ich nun guten Gewissens den Schlaf der Gerechten in dem Wissen, mich nicht mit "falschen Federn" geschmückt zu haben?

Gruß,
GHW
 
Werter GHW,

ich hoffe doch sehr für Sie, daß Sie immer den Schlaf der gerechten schlafen können, ob nun mit oder ohne Handstichkante.:)

Eine "echte" Handstichkante bekommen Sie heutzutage (es mag sicher Ausnahmen geben) in der Oberklasse. Ich würde behaupten ab Caruso aufwärts.

Selbst MTM von Scabal wird mit einer maschinell erstellten Handstichkante ausgeliefert, sofern der Kunde eine wünscht. Handarbeit ist dort nicht im Programm. Herr Dorls, von Emanuel Berg München, bei dem ich gerne bestelle, hat dort Abhilfe geschaffen, indem er auf Wunsch Jacken OHNE Handkande bestellt und diese dann gegen einen geringen Aufpreis von einem ihm bekannten Schneider in Handarbeit anbringen läßt.

Mir persönlich gefallen Jacken ohne Schneider oder Handkante nicht so gut, dies ist aber rein persönlicher Geschmack und folgt keiner Regel. Wenn Sie die "Befürchtung" haben, Sie würden sich mit einer maschinell erstellten Handkante mit fremden Federn schmücken, so gebe ich folgendes zu bedenken: Wer in Ihrem Umfeld kennt den Unterschied oder überhaupt eine Handkante? Mir könnten Sie beispielsweise eine falsche Rolex (sofern sie nicht aus Plastik ist:D) für ne echte unterjubeln, weil ich keine Ahnung davon habe.

Fragen Sie sich beim Kleidungskauf, was IHNEN gefällt und welche Ansprüche es für SIE erfüllen muß. Nur so vermeiden Sie, in Ihrer Kleidung wie in einer "Rüstung" oder "Verkleidung" zu wirken. Tragen Sie das, was Sie tragen ganz selbstverständlich und dann wirkt es auch natürlich, ganz gleich ob mit oder ohne Handkante bzw. offenem Ärmelknopf.

Liebe Grüße

Sandro
 
Mit Stolz eine falsche Rolex zu tragen, sozusagen "für sich," bedarf allerdings eines gewissen Hangs zur Postmoderne :D. Für mich gehört die maschinelle "Hand"stichkante in die Kategorie "Gourmet"menü aus der Mikrowelle, "Live" Auftritt mit Playback oder "Reality" TV nach Script - ein zugegeben weniger ernstes Beispiel für die Art und Weise, wie in unserer Gesellschaft Realität und Fiktion austauschbar werden. Meiner Meinung nach haben Sie mit dem Verzicht darauf richtig entschieden.
 
Also ich habe heute beim Mittagessen mal auf die Maschinenstichkanten geachtet: 3 von 4 Männern hatten einen Anzug mit den Stichkanten und bei allen hat man diese Maschinenstichkanten hat man sie aus mindestens 20 Metern gesehen und natürlich als Maschinengearbeitet erkannt.
Ich habe den Eindruck, dass das inzwischen ein völlig normales Designmerkmal ist und auch nicht den Eindruck ermitteln soll, dass es handgemacht wäre.

Daher meine Schlussfolgerung: Wenn es dir gefällt, dann trage es und wenn nicht, dann nicht.
 
Wählt man statt "Handkante" den Ausdruck "AMF-Kante", ist die Sache mit den falschen Federn vom Tisch ;) Und wem die AMF-Kante gefällt, der soll sie nehmen. Ich tus im Regelfall :)
 
Man macht sich mit solchen Überlegungen doch nur selbst das Leben schwer ...
Genau -
deswegen schlage ich vor, anstelle der Begriffe Schneiderkante oder"maschinelle Handstichkante" den Begriff AMF-Kante/Zierstich o.ä. zu verwenden. ;)

Ganz pragmatisch würde ich solche Details nach persönlichem Gefallen und Geschmack entscheiden :

Es gibt billigst oder hochmodisch (oder beides zusammen) produzierte Anzüge und Sakkos, bei denen man vor lauter AMF-Stitching an Revers,Patten,Saum etc. kaum noch die entsprechenden Konturen erkennen kann bzw. wird durch eine farbliche Kontrast-Ziernaht alles noch schlimmer.
:p

Also bei RTW oder anhand der MTM-Modelle schauen, wie gut/schlecht/umfangreich die AMF-Zierde ausfällt -
und bei echten Handstichkanten natürlich auch...
 
Zuletzt bearbeitet:
Servus,

was mir bei dem Thema nicht gefällt, ist der Umstand, daß manche wirklich bei der Handstichkante unregelmäßigkeiten einbauen, nur um zu zeigen, es ist handgemacht.

Wenn die Handstichkante als so offensichtlich handgemacht sichtbar ist, ist das für mich ein Unding.
Stellt Euch mal vor, man würde bei einem handgemachten Sakko die Handwerksarbeit an den schiefen Schnitten erkennen...

Ähnlich sehe ich es auch bei den durchknöpfbaren Ärmellöchern: Schön, wenns knöpfbar ist, peinlich wenn der erste Knopf offen gelassen wird, nur ums zu zeigen...

Schöne Grüße
Andreas
 
was mir bei dem Thema nicht gefällt, ist der Umstand, daß manche wirklich bei der Handstichkante unregelmäßigkeiten einbauen, nur um zu zeigen, es ist handgemacht.
Wobei das gerade das normale an Handarbeit ist, dass es unmöglich ist das gleichmäßig zu nähen.

Ähnlich sehe ich es auch bei den durchknöpfbaren Ärmellöchern: Schön, wenns knöpfbar ist, peinlich wenn der erste Knopf offen gelassen wird, nur ums zu zeigen...
...wobei es schwierig sein dürfte es jemandem anzusehen, ob er den ersten Knopf offen lässt weil er das handgemachte Knopfloch zeigen möchte oder doch nur, weil es ihm einfach so Spaß macht.
Außerdem gibt es an Anzügen das Knopfloch für die Blume, das man viel deutlich sieht. Da braucht man nix extra seine Ärmelknöpfe öffnen ums zu zeigen.
 
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