Deutscher Stil - wie sieht er aus?

Verstehe ich das richtig und die Leute im Zug haben dich wirklich direkt auf deine Kleidung angesprochen?

Das kann ich bestätigen, da mir das so gut wie jeden Tag passiert, wenn ich mit der Regionalbahn fahre. ;) Man wird angegafft als sei man ein Marsmännchen, nur weil man polierte Schuhe und eine Krawatte trägt. Der Umstand, daß man noch relativ jung ist, macht das Ganze nicht besser. Für diese Leute ist man damit zwangsweise ein Mensch aus den höchsten Klassen, der doch hier nicht hingehört (Ironie), obwohl man in seiner Tasche vielleicht gerade mal eine Butterstulle hat, weil man sich ein opulentes Mahl nicht leisten kann.

Man versteht es einfach nicht, daß man nicht stinkreich sein muß, um z. B. gepflegte Schuhe an den Füßen zu haben. Auch hat es nichts damit zu tun, daß man besser ist als andere. Die Reaktionen der Menschen um einen herum, machen erst eine Arroganz möglich, da es garnicht anders geht, als soviel Oberflächlichkeit als Dummheit abzutun.

Zum deutschen Stil: Ich wüßte jetzt auch keinen speziellen, außer den schon genannten Jankern oder Lodenmänteln. Ansonsten ist es doch eher international. Auch in England gibt es sicherlich Leute, die italienisch herumlaufen. Die Masse ist dort im übrigen nicht anders, als die Meute die einem hier im Zug "auflauert". Da gibt es nicht nur den feinen Gentleman. Die Masse besteht auch, wie bei uns, aus Capeträgern und Turnschuhterroristen. ;)
 
Bleib einfach Deinem Stil treu. Ab einem bestimmten Alter und der Distingution die Du ausstrahlst traut sich dann keiner mehr offensiv bloed zu schauen. Wenn ich mit meinen drei Kindern und Frau in der Bahn reise Und alle Strohhuete tragen und altes Ledergepaeck dabei haben, Sind wir sommers auf dem Bahnsteig manchmal die Sensation. Finde ich aber cool ....;-)
 
Bleib einfach Deinem Stil treu. Ab einem bestimmten Alter und der Distingution die Du ausstrahlst traut sich dann keiner mehr offensiv bloed zu schauen. Wenn ich mit meinen drei Kindern und Frau in der Bahn reise Und alle Strohhuete tragen und altes Ledergepaeck dabei haben, Sind wir sommers auf dem Bahnsteig manchmal die Sensation. Finde ich aber cool ....;-)

Naja, wie schon erwähnt, mit steigendem Alter wird sich das auch legen, allerdings dauert das noch etwas. Ich nehme an, daß mein Kleidungsstil ungefähr ab einem Alter von 50 Jahren bei der heutigen Generation "erlaubt" ist, da man sonst aus ihrem Gammelbild fällt. ;)

Solange es bei blöden Blicken bleibt ist es ja auch kein Problem. Daran hat man sich gewöhnt. Interessanter wird es erst, wenn man deswegen körperlich angegangen wird. Auf gut deutsch gesagt, man am nächsten Tag im Krankenhaus aufwacht, weil man z. B. eine Barbour-Jacke und Scheitel getragen hat. Ist nicht mir passiert, aber einem Bekannten. In gewissen Gegenden und Situationen heißt es also stets Augen offen halten. Ist nicht immer und überall ein Schutzmann anwesend, um Ganoven auf die Finger zu klopfen. ;)
 
Darf ich vorher noch?

Solange ich nicht auf den ersten Blick für Fremde als Deutscher zu erkennen bin, bin ich mit mir, meinen Klamotten & Schuhen schon sehr zufrieden.:p

Da musste ich unfreiwillig lachen. Leider ist die modische Situation in unserem Land damit schon recht gut und sogar umfänglich beschrieben. Aber ich denke, es ging in der Fragestellung nur um die (wenigen?) Deutschen, die Stil haben - oder wenigstens ständig daran arbeiten, so wie ich. ;-)

Als typisch deutsche Attribute kommen mir sofort in den Sinn: unauffällig (zumindest im Bewusstsein des Tragenden), bequem und funktionell, haltbar. Eigentlich nichts gegen einzuwenden, oder?

Manches fehlt aber. Eines fällt mir immer wieder auf, wenn ich mir z. B. in einer Fußgängerzone bei einem Tässchen Kaffee bewusst auf den ersten Blick gut gekleidete Menschen anschaue: das Bewusstsein, dass Kleidung passen kann. Zu lange Hosen, zu weite Sakkos, hinten abstehend und mit zu langen Ärmeln, Hemden wie Kartoffelsäcke ... zeugen m. E. von einer gewissen Nachlässigkeit.

Aber jetzt schweife ich selbst ab. Nur um den Gedanken zu Ende zu führen: Deutscher (Massen-)Stil ist die liebevolle Pflege eines bewusst nachlässigen Stils ... der wiederum zu einer liebevoll ungepflegten uniformierten Masse führt.

;-)
 
... Aber ich denke, es ging in der Fragestellung nur um die (wenigen?) Deutschen, die Stil haben - oder wenigstens ständig daran arbeiten, so wie ich. ...

Ja, um die stilbewußten unter den deutschen Männern sollte es gehen. Unabhängig vom Einkommen.

Gestern war ich einkaufen und hatte eine schwarze Buberry-Caban-Jacke anprobiert, die bei ca. 450 € lag. Da Sie irgendwie an meiner Figur nicht richtig saß (nicht den Tragekomfort bot, den ich bei 450 € erwarte), habe sie hängen lassen. In der Fußgängerzone viel mir dann auf, dass diese Caban-Jacken derzeit viel getragen werden und bin im Internet auf Recherche gegangen: Caban-Jacken für Männer gab es an verschiedenen Ecken ab 40 €.

Ist das Caban-Teil von Otto, C&A, Neckermann und Co. der 50 - 100 € Klasse kein Stil?
Oder muss es, um Stil zu sein, von Buberry, Manufactum, Boss usw. in der 300 - 500 € Klasse liegen?


... Als typisch deutsche Attribute kommen mir sofort in den Sinn: unauffällig (zumindest im Bewusstsein des Tragenden), bequem und funktionell, haltbar. Eigentlich nichts gegen einzuwenden, oder?

Manches fehlt aber. ... Zu lange Hosen, zu weite Sakkos, hinten abstehend und mit zu langen Ärmeln, Hemden wie Kartoffelsäcke ... zeugen m. E. von einer gewissen Nachlässigkeit. ...

Die Gründe sind imho:
a.) In vielen Familien führt die Frau die Geldbörse.
b.) Die Frau kauft für den Mann ein, oft ohne dass er zur Anprobe dabei ist. c.) Überwiegend lustlose und wenig qualifizierte Verkäuferinnen und Verkäufer in den "Massenbekleidungsgeschäften". (Sorry, wenn ich verallgemeinere).
d.) Die "Geiz ist Geil"-Mentalität.

... Deutscher (Massen-)Stil ist ...
... kein Stil. Zum Begriff "Stil" gehört meiner Ansicht nach auch etwas "Disziplin", "eigener Wille" und die Bereitschaft, sich für guten Stil anzustrengen bzw. bemühen zu wollen.

Bei breiten Männermengen kann ich das nicht erkennen.

Grüße
Günter
 
Naja, etwas ähnliches versuchte ich ja auszudrücken. Wir (die Deutschen) strengen uns an und bemühen uns um einen Stil. Allerdings nicht um einen guten, sondern um einen nachlässigen Stil. Dennoch: ohne Anstengung und Mühe könnte er doch gar nicht in dem Umfang nachlässig sein, wie er scheint bzw. ist.

Die von dir aufgeführten Gründe sind allerdings alle nachvollziehbar, und wohl Teil des deutschen, bemüht nachlässigen, Stils. Stil umfasst ja, so wie ich ihn definiere, bei weitem nicht nur modischen Geschmack (obschon es hier nur darum gehen sollte), sondern die gesamte Lebenseinstellung eines Menschen inklusive seines Verhaltens, sowohl alleine als auch unter anderen.

Ich käme allerdings beim besten Willen nicht auf die Idee, meine Frau in Modefragen zu Rate zu ziehen (das beruht i. Ü. auf Gegenseitigkeit). Und was die Geldbörse angeht, so finde ich nicht, dass diese etwas mit gutem Stil zu tun haben muss.

Ich jedenfalls kaufe lieber gelegentlich ein besonders schönes Teil, als haufenweise Dinge, mit denen ich nur halbwegs zufrieden bin. Abgesehen davon kann ein guter Schneider mit Kleidung von der Stange für kleines Geld wahre Wunder vollbringen.

Ein Beispiel: Schurwollanzug mit annehmbarer Materialqualität im Ausverkauf für 150 Euro ergattern, zusätzlich 50-100 Euro für den Schneider dazurechnen und schwupps, wurde die eigene Garderobe stilvoll bereichert, ohne die Haushaltskasse zu sehr zu belasten.
 
Nun muss ich nach langer Überlegung doch auch mal was kritisches zum deutschen Stil anmerken, dies aber ohne jemanden persönlich zu nahe treten zu wollen.

Für mich ist deutscher Stil im allgemeinen sehr angepasst und vorallem auf "Korrektheit" ausgelegt. Auch in diesem Forum hört man immer wieder Sätze wie: "Weil man es so tut...", Weil der Duke of BLABLA es vor 100 Jahren so tat..". Als Beispiel möchte ich die allgegenwärtige Kombi aus blauem Anzug und schwarzen Schuhen ansprechen. Ist Formal absolut korrekt und "man tut es so, weil es alle so tun" (Ein Satz bei dem ich Gänsehaut schon beim schreiben bekomme;)), aber es einfach, bitte verzeiht ,scheusslich aussieht. Wenn man nun zum blauen Sakko eine graue Hose kombiniert, sind schwarz Schuhe mMn wieder perfekt, aber das macht man wohl nicht...

Aber solange es so "verrückt" wie uns hier gibt sehe ich Licht am Ende des Tunnels;)

Liebe Grüsse

Sandro
 
Das stimmt mich nachdenklich. Ich komme mir oft als der Einzige vor, der dunkelblauen Anzug trägt, umgeben von einer schwarzen und grauen Masse. Abgesehen davon: blauer Anzug mit schwarzen Schuhen - was sieht denn noch besser aus? Mir (einigermaßen hellhäutig, schwarze Haare, groß und schlank) steht nichts besser. Und abgesehen davon dass ich die Farben trage, die mir stehen, finde ich schwarz meist ohnehin zu "feierlich".

Was ich sagen wollte: meinen eigenen Beobachtungen zufolge ist Deutschland definitiv nicht das Land der blauen Anzüge. Wie auch? Blau ist farbig, und wir ein (einheits)graues Volk.

Rote und grüne Anzüge im Business kenne ich aber auch aus anderen europäischen Ländern nicht, so dass wir hier kaum über ein Alleinstellungsmerkmal des Deutschen Stils sprechen (da fiele mir eher ein: sofort nach der Arbeit raus aus dem Anzug und rein in Polo und Pulli).

Nebenbei bemerkt, graue Hose mit blauem Sakko? Da musste ich gleich an Kaufhaus-Modeverkäufer im Rentenalter - nichts gegen solche, es kam mir bloss als erstes in den Sinn - denken. Und was uns Verrückte angeht: ich hatte mir für'n Sommerurlaub mal einen besonders leichten, rein weißen Anzug gegönnt. Da bin ich nun geheilt und wieder typisch deutsch, mit sowas Unpraktischem werde ich mich nicht mehr herumschlagen. Immerhin, am ersten Tag sah ich damit unheimlich gut aus. ;-)
 
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