Es gibt bei Rum viele unterschiedliche Stile und Aromastärken. Meine Domäne, soweit man das bei einem Selten-Spirituosentrinker so sagen kann, sind ausschließlich die Sipping Rums mit höherer Faßreife, pur und ohne Eis bei Zimmertemperatur aus einer Sherry Copita getrunken. Eine Verwässerung könnte ich mir nur bei hochalkoholischen Rums (45+%, natürlich auch Faßstärken) vorstellen, um die damit verbundene Alkohollastigkeit zu reduzieren. Cocktail-Rum ist nicht mein Ding, da trinke ich lieber Säfte und Limonaden.
Angefangen habe ich - wie so viele - mit den Süß-Rums des spanisch-südamerikanischen Stils. Den besten Vertreter finde ich da immer noch Zacapa Sistema Solera 23, aber auch Pampero Aniversario, Botucal Reserva Exclusiva, Ron Centenario 20 Solera, Abuelo 12, Botran Solera 1893, Santa Teresa Antiguo de Solera sind tolle Vertreter dieser Richtung. Bisher noch nicht probiert habe ich die zahlreichen Angebote von Oliver y Oliver aus der Dom. Rep., da sollen auch einige schöne Solera-gereife Sorten dabei sein. Daneben haben einige der oben genannten Erzeuger auch noch hochpreisigere Prestige-Blends im Angebot, die ich auch noch abchecken sollte.
Irgendwann möchte man aber auch Rum trinken, der mit seiner Honig/Karamell-Süße nicht das ganze Geschmacksbild prägt und in diesem Entwicklungsschritt stehe ich gerade.
Dafür steht vorwiegend der britische Stil der Rumbereitung, der von Guyana über Barbados und Bermuda bis nach Jamaika reicht. El Dorado 12 und 15, Plantation Barbados XO 20th Anniversary, Foursquare Sixty-Six, Gosling's Family Reserve, Mount Gay Extra Old und 1703 und last but not least Appleton 21, das sind schon sehr interessante Brände mit vielfältiger Aromatik. Noch kantiger sind für mein Gefühl die aus mehreren Regionen geblendete Rums im British-Navy-Stil, nämlich Pusser's mit dem originalen von der Royal Navy gekauften Rezept (sehr gut: Nelson's Blood) und Sea Wynde, der von einem exzentrischen Texaner nach Gegenverkostungen mit originalem alten Navy-Rum aus Guyana- und Jamaika-Rums zusammengepanscht wurde.
Letzterer ist sicher auch für Whisky-Trinker nicht uninteressant.
Zu den Einzelfassabfüllungen unabhängiger Abfüller, auf die der harte Kern der langjährigen Rumfans steht, habe ich mich noch nicht durchgeschlagen, ich glaube, dafür fehlt mir auch der einschlägige Enthusiasmus.
Viele haben wegen der schwachen Regulierung der Rumproduktion Bedenken, die ich auch gut nachvollziehen kann. Nicht deklarierte Aromatisierung (z.B. Pyrat XO, finde ich auch ziemlich aufdringlich gemacht, schlimmes Zeug), nachträgliche Süßung (praktisch alle Süßrums, aber auch El Dorado 12 und 15), Färbung mit Zuckercouleur (z.B. Appleton 12), das kommt vor, unbestritten. Ich glaube aber, man muss sich - auch historisch bedingt - dem Thema Rum anders nähern. Das war und ist ein tropisches Genußmittel, leidenschaftlich, spontan und fern der Alten Welt und ihren verkopften Vorstellungen. Ein Piratentrank, von Gaunern für Gauner.
Wenn man dort die nerdige Detailverliebtheit und den moralisch sauberen Anspruch an die Fertigung analog Wein und Whisky mit hineinbringt, hat man nicht den ganzen Spaß dabei.