bluesman528
Ruhrpotthanseat
Es geht hier nicht um die andauernde Provokation eines einzelnen neurotischen Spinners, der in seinem dünnen Alltag offenbar Aufmerksamkeit braucht. Das verdeckt nur die interessanten Aspekte der öffentlichen Diskussion, die sich im Forum nur spiegeln. Das ist auch nicht politisch, sondern betrifft vielmehr den ethischen Kompass jedes einzelnen, unsere Haltung, der Kern eines Stilmagazin-Forums über bloße Äußerlichkeiten hinaus.Immer, wenn ich traurig bin schaue ich hier rein, sehr erfrischend zu sehen mit welcher Energie sich hier einige aufregen und provozieren lassen, ich mag euch!
Ich habe aus aktuellem Anlass den COVID-Tod eines bekannten und überaus fähigen neapolitanischen Schneiders on topic betrauert, mehr wollte ich dazu thematisch ursprünglich auch nicht sagen. Ich denke, das ist für ein Forum, das sich mit sartorialer Kleidung beschäftigt, schon von Interesse, wenn sich einer der profiliertesten Könner des Genres von dieser Welt verabschiedet. Instagram ist voll mit Kondolenzbekundungen für ihn.
Daraufhin entspann sich die Diskussion, ob er denn wirklich an COVID gestorben ist (ist er, es gibt keinen Grund, an den Angaben seiner Familie zu zweifeln), und als das geklärt war, dass er ja schon (zu) alt war. Das stellt uns alle vor die Frage, ab welchem Alter der qualvolle Tod eines Menschen gesellschaftlich akzeptabel ist, weil er schon "alt genug" ist, obwohl er durchschnittlich noch ein Jahrzehnt und länger leben könnte, wenn es COVID nicht gäbe oder eben mit gesellschaftlicher Anstrengung eingedämmt werden könnte.
Die Frage ist natürlich ethisch gar nicht zulässig und das ist auch jedem bewusst. Sie ist vor allem von oberflächlichen egoistischen Erwägungen getrieben, sein bequemes Vor-COVID-Leben wieder zurück zu bekommen, weil ja nur andere, schwächere daran drauf gehen, die einfach still Platz machen sollten, statt allen nur Probleme zu machen. Man stellt diese Frage deswegen auch nicht direkt in den Diskurs, sondern deutet sie nur implizit an. Er war doch schon 80 (auch wenn er's nicht war). Und das war jetzt nicht irgendwer, sondern einer der sartorialen Kunsthandwerker, die wir hier normalerweise abfeiern.
Wir sollten das hier gar nicht weiter diskutieren, weil sich jede Diskussion darüber für einen zivilisierten Menschen erübrigt. Aber nachdenken sollte jeder für sich darüber im stillen Kämmerlein schon. Dagegen sind nämlich Maßanzüge, Lifestyle-Spielzeuge oder Erwägungen von "Stil"fragen komplett unwichtig.