Hallo liebe Freunde,
ich würde meinen ersten Auftritt bei Gericht als gelungen bis sehr gelungen bezeichnen. Mit dem zuvor beschriebenen Outfit war ich
eindeutig overdressed, habe aber viele Komplimente und eine Blicke erhaschen können.
Zunächst wurde ich von einer Dame der Geschäftsstelle empfangen, die mich zunächst nicht als den Praktikanten erkannte, bis ich dann von mir aus äußerte, dass mein Besuch bei Richter X im Rahmen eines studentischen Praktikums erfolgt. Sie hielt mich wohl für einen Anwalt. Sie sagte jedenfalls sinngemäß, dass man es hier nicht gewohnt seien, dass "Leute von der Uni" im Anzug und Krawatte auftreten. Der Anzug stehe mir jedoch sehr gut stehen würde und mache einiges her.
Zu meinem Erstaunen musste ich später feststellen, dass neben mir noch ein Praktikantin gibt, die bereits seit letztem Donnerstag dort ist. Auch diese wurde mir zunächst vorgestellt, bevor ich den Richter kennen lernen durfte. Da ich die junge Dame nicht aus der Uni kannte, frage ich, wo sie denn studiere, worauf sie die LMU München erwähnte. Naja...man kann eben nicht jedes Mauerblümchen kennen. Mich hingegen kannte sie anscheinend, da erwähnt wurde, dass ich im Gegensatz zu meinem normalen Look "ja noch einmal eine Schippe drauf gelegt hätte." Mal sehen, wie sich diese Situation entwickelt. Optisch gefällt sie jedenfalls, wobei es ein Paar Pfunde weniger sein dürften
Der ausbildende Richter erschien dann im Freizeitlook. Jeans, Hemd, weiß, kurzarm, Bequemschuhe. Kurz und knapp, einfach nur schrecklich. Meinem Outfit gegenüber wirkte er skeptisch und fragte, ob ich später groß Hinaus wolle, z.B. in eine Großkanzlei. Das bejahte ich, wobei hinzuzufügen ist, dass ich mir auch die Option offen lassen werde, später in der Wissenschaft zu arbeiten.
In der Mittagspause habe ich noch versucht mit ihm über das richtige Auftreten in der Hauptverhandlung zu diskutieren, wobei ich erwähnte, dass er ja dann wohl auch einen Anzug unter der Robe tragen werde. Dies verneinte er, da er schon seit Jahren keinen Anzug mehr besäße. Schließlich sei unter der Robe ja nur der Kragen und die weiße Krawatte zu sehen. Als ich das Gespräch dann auf die Schuhe lenken wollte, stand er auf, um noch etwas in einer Akte zu suchen. Etwas unhöflich, ober okay, die Arbeit geht der Pause vor. Ein richtiges sartoriales Gespräch war mit diesem Herren also (noch) nicht zu führen.
Den Rest des Tages und auch den heutigen Tag habe ich damit verbracht Akten über Kleinkriminelle zu lesen. Die erste Hauptverhandlung steht noch an.
Jedenfalls von der Damenwelt wurde mein Outfit also gewürdigt. Heute trug ich übrigens einen marineblauen Anzug, rosa-weiß gestreiftes Hemd, rote Krawatte und schwarze Oxfords.
MfG