Wie funktioniert Boss? Wie funktioniert Lloyd?
In meinem BWL-Studium gab es das Fach Marketing. Auf den Punkt gebracht, lernt man da folgendes: Sprich mit Deinem Kunden und biete ihm genau das, was er haben will, zu dem maximalen Preis, den er dafür zu zahlen bereit ist.
Fragt man den normalen deutschen Angestellten (der ja täglich einen Anzug und "Business-Schuhe" trägt und relativ gut verdient, aber keinen blassen Schimmer von den handwerklichen Details seiner Kleidung hat) nach seinen Präferenzen, wird er folgendes antworten:
1. "Ich möchte meine Kleidung in Geschäften kaufen, in denen ich mich willkommen fühle. Also nicht zu fein mit dunklem Holz etc., sondern möglichst ein sauberes, aber bedeutungsloses Betonhaus, das mich in keiner Weise an irgend etwas erinnert, das mit "Tradition" zusammen hängt. Mit Tradition habe ich nichts so, da muss ich immer an meinen Opa denken, der einen Schuhputzkasten und eine Kleiderbürste hatte, wie altmodisch."
2. "Ich möchte in diesem Laden freundlich behandelt werden. Man verschone mich mit irgendwelchen Details hinsichtlich Verarbeitung, Machart etc., das würde nur meine absolute Unkenntnis zur Schau stellen. Und das kann ich mir vor meinem Nachbarn, der auch dort einkauft, einfach nicht leisten. Bitte verkauft mir etwas aber sprecht in Gottes Namen nicht mit mir darüber, das verwirrt nur. Was zum Teufel ist Kalbsleder? Hauptsache, es glänzt!"
3. "Die Produkte müssen nicht mir gefallen (denn ich habe ja keine Ahnung von Optik, trage das ganze Zeug ja sowieso nur zum Geldverdienen), sondern meinem Chef und meiner Frau. Beim Chef ist das leicht, der hat auch keine Ahnung. Aber meine Frau, da wird's schwer. Deshalb müssen unbedingt Etiketten mit "modisch", "modern", "neu", "italienisch", "stylisch", "hip" etc. an den Kleidungsstücken angebracht sein, das macht es meiner Frau einfacher. Und im Optimalfall machen sie mich als Mann ein Stück lächerlich, das finden Frauen süß. (Der Chef nicht, aber der merkt's nicht...)"
4. "Ich möchte mich nicht für meine Kleidung schämen, aber wie stellt man das sicher, wenn man keine Ahnung hat? Am besten, indem Ihr eine Marke schafft, auf die ich mich berufen kann, wenn jemand meine Kleidung als wertlos, geschmacklos und hässlich bezeichnet. Schafft mir eine Marke, der ich vertrauen kann! Eine deutsche Marke! Eine, die jedermann trägt, so dass man damit irgendwie nichts falsch machen kann, auch wenn man hinsichtlich der kurzen Lebensdauer manchmal daran zweifelt, dass man wirklich das richtige gekauft hat. Quasi wie bei Opel!"
5. "Ach ja, das Ärgernis Reklamationsmanagement. Kleidung, Schuhe etc. gehen doch recht oft kaputt, oder? Zumindest bei mir. Naja, ich hänge die Sachen ja abends auch nur über den Stuhl, aber das machen doch die anderen auch so. In so einem Fall soll das Geschäft die Ware ohne Diskussion zurücknehmen und mir Neuware aushändigen, darauf habe ich ja wohl ein Recht. Und auf gar keinen Fall darf der Verkäufer behaupten, ich hätte das Produkt schlecht behandelt, dann werde ich wütend. Geht das Produkt kaputt, ist der Hersteller schuld, basta!"
Was bin ich dafür bereit zu zahlen?
6. "Gebt mir das Gefühl, dass ich ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bekomme. Wie auch immer, irgendwie. Ich zahl was und ich bekomme was. Auf jeden Fall zahle ich wenig, das ist wichtig. Naja, nicht zu wenig, das wäre mir peinlich. Aber eine deutsche Marke wird mir doch keinen Schrott verkaufen, oder? Die Produkte müssen ihren Preis haben, sonst kann die Firma nicht leben. Am besten war der Preis mal hoch und ist jetzt niedrig, dann mache ich ein gutes Geschäft auf Kosten des Gewinns des Herstellers. Ja, das wäre der Optimalfall. Haben die nicht einen Outlet, wo der Hersteller auf den Gewinn verzichtet und die Waren zum Spottpreis anbietet? Wenn es keiner merkt, würde ich gerne dort kaufen."
-> Bei Schuhen knapp 100 Euro, bei Anzügen bis 350 Euro. Wenn auf dem Etikett "besonders modisch" draufsteht oder irgend eine andere, angeblich wertsteigernde Eigenschaft (könnte was mit dem Stoff oder dem Leder zu tun haben, z.B. "komplett aus Leder!" oder "reine Schurwolle!" oder "knitterfrei!"), dann dürfen es auch 20% mehr sein.
Genau so funktionieren Boss, Lloyd und einige andere. Es wird eine Marke aufgebaut, die exakt die Kundenbedürfnisse erfüllt. Und genau diese Strategie ist das Problem, weil gute Verarbeitung in der langen Liste der Kundenbedürfnisse überhaupt nicht auftaucht.
Ich finde, die Leute vom Marketing haben alles richtig gemacht.
Uli