Bekleidungskauf und Tierschutz (Lammfell, Kaschmir, Bio-Baumwolle)

insy

Member
Hallo!

In den letzten Jahren habe ich meine Lebensweise, was die Ernährung und die Zubereitung dessen radikal umgestellt. So versuchen wir unsere Lebensmittel vom Bauer um die Ecke zu bekommen bzw. kaufen auf dem Markt und im Bio-Laden ein. Mir ist klar, dass dies nur ein kleiner Schritt ist. Dies setzt sich bei den Haushaltswaren fort, Wasserkocher aus reinem Edelstahl, keine Plastikflaschen, usw.

Um nun zur Bekleidung zu kommen, hier wünscht man sich entsprechend auch die natürlichsten Stoffe. So versuchen wir Polyester komplett auszusortieren, auch bei Sportkleidung. Doch hier werden uns schnell Grenzen aufgezeigt was Qualität aber auch gleichzeitig Tierliebe angeht.

So hatte ich gestern im Kadewe rein zufällig einen Lammfellmantel an und was soll man sagen, ein Gedicht. Es fühlt sich gar nicht wie ein Mantel an, sondern als wäre es eine zweite Haut. Sowas von natürlich, sanft und weich - schlicht ein Traum. Das gleiche gilt natürlich auch für Kaninchen und Kaschmir. Ihr müsst mich entschuldigen wenn ich andere hochwertige Stoffe vergesse, denn ich arbeite mich in die Materie erst ein.

Natürlich stelle ich mir bei einem Lammfellmantel gleich die Frage ob dies moralisch zu verantworten ist, etwas zu tragen wofür man Tieren die Haut abzieht, mal ganz davon abgesehen wie sie gehalten werden. Dagegen scheint ein Rinderfilet mich weniger in die Richtung anzuregen. Bei Lederschuhen stellt man sich die Frage scheinbar gar nicht.

Um nun auf den Punkt und die eigentliche Frage zu kommen:

kann man generell sagen dass ein Kaschmirmantel tierfreundlicher hergestellt wird als einer aus Lammfell (weil der Kaschmir rausgebürstet wird und das Tier weiterleben kann?). Gibt es vielleicht Hersteller, die sehr viel Wert auf die Haltung und Verarbeitung der Tiere legen, ein Kauf somit "moralisch" zu verantworten wäre?
 
Ich verstehe nicht was "tierfreundlich" daran sein soll die Haut (Leder, Fell) wegzuwerfen nachdem man die Muskeln verspeist hat.
 
Was sonst? Ich schlachte keine Lämmer um das Fell wegzuwerfen, und ich ziehe keinen Lämmern die Haut ab um das Fleisch wegzuwerfen.
Wenn Du einen Nerzmantel haben willst können wir ja nochmal reden. Aber Schaf, Rind, Schwein?
 
Vielleicht ergeht mein eigentliches Anliegen nicht deutlich genug ausm OP.

Ich frage mich ob z.B. Kaschmir nicht eindeutig tierfreundlicher verarbeitet wird als eben Lammfell.
 
Was ist denn jetzt der Fokus?

Wenn es um Tierliebe geht, kann man eigentlich nur zu Baumwolle oder Synthetik raten, da es fast keine Form von tierischen Fasern und Leder gibt, bei denen Tiere nicht unsanft bahendelt oder getötet werden.

Wenn es um Umweltschutz allgemein geht, wird's schwieriger. Ich bin mir nicht sicher, ob Polyester wirklich so schlimm ist. Polyester hält weit länger als jede Naturfaser, was auch ein Nachhaltigkeitsaspekt ist und kann im übrigen aus Kunststoffabfällen hergestellt werden, kann also sogar ein Recyclingprodukt sein. Ich bin eine absolute Chemie-Null, gehe aber davon aus, dass der Prozess neben dem Energieverbrauch auch die ein oder andere Chemikalie freisetzt, die der Umwelt auch nicht gut tut, aber wie wägt man das ab?

Baumwolle beansprucht landwirtschaftliche Flächen, die evtl. sinnvoller genutzt werden könnten und die Aufbereitung ist sicher auch nicht immer besonders sauber. Viskoseherstellung ist dagegen sicher schweinischer, aber dafür kann man das aus Holzabfällen machen, die man natürlich ebenso gut als Biomasse hätte thermisch verwerten können.

Tierische Fasern sind nun sicher unter Umweltgesichtspunkten das allerschlechteste, da das Tierfutter etc. Ausgenommen wäre da aus meiner Sicht Leder von Wildtieren, die müssen zwar erschossen werden, aber hatten zumindest bis da ein hoffentlich schönes Leben.

Ich weiß nicht, was Du mit Lammfell meinst? Schurwolle? Dafür wird dem Tier die Haut nicht abgezogen, sondern es wird rasiert, wenn auch häufig unsanft. Das Lamm nicht zu scheren, wäre im übrigen Tierquälerei, weil die Tiere so gezüchtet sind, dass das Fell für sie zu warm wird, wenn man es nicht abschert.

Kaschmirziegen werden im übrigen nicht nur gekämmt, sondern durchaus auch geschoren und dass Schurwolle nicht immer besonders nett gewonnen wird, ist auch nicht neu. Lammfell im Sinne von Leder mit den Haaren dran ist da ein ganz anderes Problem, denn das Lamm wird ja nicht wegen des Fells, sondern wegen des Fleisches geschlachtet. Oder doch umgekehrt? Oder wegen beidem, oder einem mehr?

Das alles betrifft ganz unterschiedliche Problembereiche: Schutz des Lebensraums vor Giftstoffen, Ressourcenschonung, Tierschutz. Wie will man das alles abwägen?

Wenn Dein eigener Kompass Dich in Richtung Tierschutz stößt, solltest Du eigentlich besser ganz auf tierische Fasern verzichten, wie Veganer das machen. Da halte ich zwar gar nichts von, aber bewundere zumindest deren Konsequenz. Gerade für Sportklamotten ist Polyester im übrigen gegen Naturfasern wahrscheinlich sogar die nachhaltigere Wahl, meine regelmäßig vollgeschwitzten Baumwollpolos gilben merklich, wogegen die "Funktions-Polos" aus Polyester vermutlich 100 Jahre halten.

Und die Idee mit dem Kaschmir rausbürsten: https://www.youtube.com/watch?v=t_j5fVfU93M
Ich würde ungern mit der Ziege tauschen!

Mit dieser Ziege würde ich auch nicht gern tauschen, aber lieber als mit der anderen: https://www.youtube.com/watch?v=HS68t_Z-5fk
 
Joa, also Umwelt- und Tierschutz sind ja an sich ne tolle Sache, aber zu sagen "bei Produkt XY leiden die Tiere ein bisschen weniger" geht auch schon an der Sache vorbei.

Ganz gerne hab ich ja Tier/Umweltschützerschützer (und Möchtegerne davon) die einen für das Tragen von Lederschuhen förmlich an die Gugel springen, und selbst ihre Klamotten anhaben, die womöglich von Chinesen/Bangladesch unter Konditionen hergestellt wurden, die womöglich nicht besser als die von Nutztieren sind.

Frage mich sowieso warum menschliches Wohlergehen in solchen Prozessen sogar noch unter den Tieren steht.
 
Joa, also Umwelt- und Tierschutz sind ja an sich ne tolle Sache, aber zu sagen "bei Produkt XY leiden die Tiere ein bisschen weniger" geht auch schon an der Sache vorbei.

Ganz gerne hab ich ja Tier/Umweltschützerschützer (und Möchtegerne davon) die einen für das Tragen von Lederschuhen förmlich an die Gugel springen, und selbst ihre Klamotten anhaben, die womöglich von Chinesen/Bangladesch unter Konditionen hergestellt wurden, die womöglich nicht besser als die von Nutztieren sind.

Frage mich sowieso warum menschliches Wohlergehen in solchen Prozessen sogar noch unter den Tieren steht.

Ja irgendwie möchte man der Umwelt helfen aber auf der anderen Seite auch nicht auf die Vorzüge zu verzichten. Stark sind auch Menschen, die auf einem 20 Jahre alten Auto "Atomkraft? Nein Danke!" stehen haben, dabei gar nicht merken wie umweltschädlich die Kiste ist.

Wobei ich trotzdem einen Unterschied zwischen Massentierhaltung und Freilandhaltung bei Fleisch/Eiern mache. Möglicherweise suche ich auf diesem Weg aber auch nur eine Ausrede um mein Gewissen zu beruhigen?

Ich mache bestimmte gymnastische Übungen gern auf einem Bärenfell vor dem prasselnden Kamin, welchen ich mit Tropenholz befeuere. Ist das moralisch vertretbar?

Ich verstehe nicht was deine rhetorische Frage bezwecken soll und bitte dich, falls du nichts konstruktives beizutragen hast, einfach dem Thread fernzuhalten.
 
Ja irgendwie möchte man der Umwelt helfen aber auf der anderen Seite auch nicht auf die Vorzüge zu verzichten. Stark sind auch Menschen, die auf einem 20 Jahre alten Auto "Atomkraft? Nein Danke!" stehen haben, dabei gar nicht merken wie umweltschädlich die Kiste ist.
Das ist leider falsch gedacht, da z.B. jemand, der 3.000km im Jahr fährt, die Umwelt mit dem bisschen Abgas eines 20 Jahre alten, funktionierenden Autos weit weniger schädigt, als durch dessen Verschrotten und Kauf eines blitzeneuen Metall- und Plastikmonsters, das gar nicht soviel weniger verbrauchen kann, wie seine Herstellung an Umweltbelastung verursacht hat.

Wobei ich trotzdem einen Unterschied zwischen Massentierhaltung und Freilandhaltung bei Fleisch/Eiern mache. Möglicherweise suche ich auf diesem Weg aber auch nur eine Ausrede um mein Gewissen zu beruhigen?
Freilandhaltung ist übrigens auch eher Massentierhaltung, nur mit etwas mehr Platz und auch Bio-Eier sind größtenteils auch aus etwas, was man realistischerweise immer noch als Massentierhaltung bezeichnen muss. (Ich kaufe trotzdem Bio-Eier und zwar am liebsten auf dem Markt beim demeter-Bauern, von dem ich weiß, dass er "nur" ca. 300 Hennen hat.) Tiere sind seit hunderten von Jahren domestiziert und die domestizierten Arten könnten gar nicht mehr ohne menschliche Hilfe leben, umgekehrt würde jedes Huhn es sicher begrüßen, wenn es mehr Platz hätte, es gelegentlich mal einen schicken Hahn poppen dürfte und es seine Eier ausbrüten dürfte.

Irgendwie hat der moderne Städter keinen Bezug mehr zu Nutztieren scheint mir. Ich bin sehr dafür Tiere ordentlich zu behandeln, aber wenn man ihnen einen umfassendes Wellnessprogramm nach menschlichen Maßstäben sichern will, muss man leider Veganer werden und die domestizierten Tierrassen ausrotten, da diese kein in diesem Sinne tierwürdiges Leben mehr führen können.

Bei Lebensmitteln denke ich sehr bewusst nach, was ich kaufe, lebe aber damit, dass ich in der 08/15-Gastwirtschaft sicher schlechtere Produkte kriege, als ich sie für den Haushalt kaufen würde. Bei Kleidung gibt es im Vergleich leider sehr wenig Transparenz, zumal die Wertschöpfungskette hier viel länger ist (Tierhalter, Scherer, Spinnerei, Färberei, Weberei, Druckerei, Näherei, Zwischenhandel) und die Sachen im Zweifel die Welt mehrfach bereist haben. Überlegungen in der Art von "Kaschmir ausbürsten, ist super" sind aber reichlich naiv (siehe Video). Das beste was Du für die Tiere tun kannst ist, wenn Du vernünftige Qualität kaufst, da zumindest die Wahrscheinlichkeit ist, dass bessere Fasern und Tuche auch von besser gehaltenen Tieren stammen. Der Rest ist leider weltfremd.

Ansonsten die Verkäufer nerven! Wo es Nachfrage gibt, wird irgendwann auch ein Angebot folgen. In begrenztem Umfang gibt's sowas ja auch schon (Bio-Baumwolle, PE-Recycling Polyester, Fair Trade Cashmere - wobei da nicht gesichert ist, dass die Tiere etwas davon haben, dass der Bauer mehr verdient).
 
Danke für die Aufklärung :)

Was ich mit den urlaten Fahrzeugen und den Aufklebern meinte ist, wer die Umwelt schonen will fährt Rad, Bahn oder geht zu Fuss. Die selbe Geschichte gilt ja auch den Elektroautos, der Strom muss auch erstmal erzeugt werden, ganz geschweige von den Akkus, deren Entsorgung und eben der Bau des Fahrzeugs. Daher, wie du sagst, sollte jedes Fahrzeug solange genutzt werden, wie es fährt.

Mir geht es nicht um "Wiedergutmachung", vieles war mir früher schlichtweg nicht bewusst. Schuhe wurden gekauft und weggeworfen, wenn sie gerissen sind. Inzwischen pflege ich sie und kaufe lieber ein qualitatives Paar anstatt regelmäßig Lloyds (die ja teilweise mehr als Rahmengenähte kosten, was eine Frechheit). Bei Nahrungsmitteln ist es deutlich einfacher, ein Bauer um die Ecke, den man genau kennt. Markthalle in der Stadt mit ungespritztem Gemüse, usw.

Ich stehe aber auch vor der Entscheidung was für einen Mantel bzw. Jacke ich mir kaufen soll. Parallel dazu mache ich einen Thread zum Mantel auf. Ich war mir nämlich sicher, dass Kaschmir "tierfreundlicher" hergestellt oder "abgebaut" wird als z.B. Lammfell. Inzwischen sehe ich das etwas anders.

Nochmals danke für die tollen Beiträge und Hilfestellung :)
 
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