Anzug - Darf es auch ein Mischgewebe sein?

Was bitte ist eine hochwertige Kunstfaser ?
Das, was in Outdoorbekleidung verwendet ist, ist doch nach wie vor Polyester und Teflon. Oder habe ich da was verpasst ?
Außenhülle aus gewebten Polyester, wasserdichte Membran aus gerecktem Teflon (mikroporös), Innenfutter aus Polyesternetz.
Dazu dann zwanzig Schildchen mit Funktionsbeschreibungen, die die Hälfte des Materialwertes ausmachen.
 
Nun gut, da ich auch oft Outdoor unterwegs bin, und mich deswegen auch mit der Kleidung auskenne, hinsichtlic, Komfort, Tragequalität und Haptik der Stoffe und diese auch in widrigen Bedingungen getestet habe, kann ich einfach objektiv einen großen Unterschied feststellen. Kunstfaser ist nicht gleich Kunstfaser, so wie Wolle nicht gleich Wolle ist.

Und bei guter Outdoorkleidung sind es nicht die zwanzig Schildchen, oder die Marke, die das Produkt teuer machen, sondern das bessere Material...

Ich bin kein Textilchemiker, der das fachlich begründen könnte, aber die einfache Erfahrung zeigt mir, daß da einfach größere Qualitätsunterschiede bestehen.
 
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Und bei hochwertigen textilien wird KEIN unterschied im Tragekomfort zu bemerken sein, da bei einem guten Stoff die Kunstfaser die Haut nicht berührt. So wird beispielsweise bei verwendung von Elastan (zb Lycra) dieses von Naturfasern umsponnen. Somit sind die schlechten Trageeigenschaften (bei guten Stoffen, und kleinem Anteil an Naturfasern) sicherlich NICHT gegeben.
Das stimmt so leider nur sehr begrenzt. Ein Gewebe mit Lycra/Elasthan ist in aller Regel in mehrere Richtungen elastisch, was man von vergleichbar verwebten Naturfaserstoffen nicht behaupten kann. Ein handwerklicher Zuschnitt und eine dazu passende Verarbeitung ist dadurch nicht in herkömmlicher Form zu gewährleisten, wodurch der Tragekomfort eben doch leidet, wenn auch bestenfalls nur im Sinne eines veränderten Tragegefühls.

warum ich immer noch die den Unterschied zwischen Geweben mit Kunstfaser und reinen Naturprodukten fühle. Wenn ich durch Modehäuser, wie P&C (die ja eine recht breite Palette von Anzüge anbieten, schleiche und einfach die Stoffe berühre, dann spüre ich einfach einen großen Unterschied.
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Viele Kunstfasern reagieren nunmal anders auf Licht, Berührung und Ladung, als wir es (noch, oder bei einigen Mitgliedern vielleicht auch: wieder) von Anzugobermatierial gewohnt sind. Nicht zwangsläufig schlechter (vgl. Polyacryl im Wollpullover: toller Flor, weicher Griff*), aber eben meist anders.

Ludwigs Ausführungen über Messekleidung finde ich durchaus plausibel. Man müsste einmal unter gesicherten Bedingungen testen, wie sich Anzüge der beiden "Materiallager" aus verschiedenen Preisklassen unter Messebedingungen halten. Ich kann mir gut vorstellen, daß die Polyesteranzüge am Ende des Tages faltenfreier aussehen, wage dafür aber einen Klima- und Geruchsvorteil bei der Schurwollfraktion zu prophezeien.

Bisher unerwähnt bliebt außerdem die Webart. Ob ein 98/2 Wolle/Elasthan beispielsweise einem reinen Baumwolljersey überlegen ist, kann ich nicht wirklich beurteilen, ebenso verhielte es sich bei Messekleidung aus Schurwollfresko (sehr klimafreundlich, dabei enrom knitterarm). Moderne "Funktionswäsche" von Sportlern (die nicht von einem großen Sportbekleidungshersteller mit verständlichem Eigeninteresse gefördert werden) und berufsbedingt darauf angewiesenen besteht übrigens meist aus Seide oder feiner Wolle.
 
Mit Polyester kann man Mobiltelefone bei sich tragen, ohne Gefahr zu laufen, das Fortpflanzungsvermögen zu beeinträchtigen.
 
Man möge mir die Leichenschändung am Thread verzeihen:
Was mich an der Diskussion immer wieder irritiert, ist, dass doch ein teurer und hochwertiger 100 % Schurwolle Anzug zu seinem Träger auch nur Kontakt durch das Polyester Innenfutter hat. Wie kann dann also von ungewohnten Trageeigentschaften eines Polyesteranzugs die Rede sein?
Auffälliger Weise ist unter den Afinicados der verschiedenen Naturfasern auf diese Weise Polyester noch verbreiteter als bei T-Shirt- und Denim-tragenden "Normalos/Hippies".
Und vielleicht in eine etwas andere Richtung: kennt jemand die Hintergründe zu Mischgewebe bei Hemden in Europa/USA? Dort scheinen diese ja bereits seit Jahrzehnten weit verbreitet zu sein - aus Kostengründen? Insbesondere fällt dann auf, dass bei Vintagehemden Mischgewebe verbreitet scheint - ein Hinweis auf Langlebigkeit?
 
sehr interessanter Thread, den ich mal wieder nach oben nehme.
Gibt es „neue“ Erkenntnisse? Hat sich Eure Meinung geändert? Egal in welche Richtung.
 
Um das Thema sinnvoll diskutieren zu können, sollten wir ausschließen, daß —und da sieht die Realität (bei aller Sympathie für die Verfechter der Hightechkunstfaser) in der Bekleidungsindustrie leider anders aus— dieser Vorteil ein rein finanzieller ist. Man braucht sich gar nicht erst die Illusion zu machen, daß im Oberstoff von Mischgewebeanzügen, wie sie hier diskutiert werden (Breitensegmentmarken in Kaufhäusern etc.), irgendeine besonders innovative oder Belastungsnutzen bringende Kunstfaser verarbeitet ist. In aller Regel sind die Oberstoffe, über die wir da reden, doch Gemische mit 25-50% Polyester und/oder einem geringen Prozentsatz an Elasthan. Das Polyester macht den Stoff in erster Linie billiger, weil einfacher zu produzieren (konstanter Preis, gleichbleibende Verfügbarkeit, geringerer EK), Elasthan macht den Zuschnitt des Anzuges billiger, weil keine übermäßigen Bewegungsspielräume einkalkuliert werden müssen (der Stoff gibt ja wesentlich stärker nach, somit braucht man auch weniger Stoff). Letztlich kann man durch die Beimischung jede Menge Geld sparen.

Daß nun die Lager bei einer solchen Debatte sehr gespalten sind, liegt doch in der Natur der Sache. Wenn man streng von der Kosten/Nutzenseite her argumentiert, braucht man keine Oberstoffe aus Naturfaser. Ebensowenig braucht man Schuhe aus Leder, Handknopflöcher, lose Einlagen oder Perlmuttknöpfe (man könnte die Liste mit etwas Ironie und Polemik fortsetzen: entsprechend schmutzabweisend ausgerüstete Materialien für die Oberbekleidung vorausgesetzt braucht man auch keine Unterwäsche, wer Klettverschluß kennt, braucht nie wieder Schnürsenkel zu binden, wer selten ohne Jacke aus dem Hause geht, braucht nur wenige Hemden mit Rücken oder Ärmeln etc.).
Da ein Thema wie Mode aber immer in hohem Maße emotional konnotiert ist, halte ich es auch für legitim, sich an einem Kleidungsstück (zumindest in einer gewissen Preisklasse) eben solche "vollkommen nutzlosen" Details wie handgestochene Knopflöcher, reine Naturfaser ohne Bedampfung mit Zusatzstoffen, die früher Schneider zeitig unter die Erde brachten (das ist keine Übertreibung) und lose verarbeitete Kragen-, Manschetten-, Revers- und Fronteinalgen zu wünschen, einfach, weil sie schön und gut sind. Oder, nach Balzac: "The brute covers himself, the rich man and the fop adorn themselves, the elegant man dresses!" Ich für meinen Teil möchte nicht "the brute" sein und bin froh darüber, mir über alles, was über die reine Funktion im Sinne von "das reicht doch" hinausgeht, das Privileg habe Gedanken machen zu dürfen.

sehr interessanter Thread, den ich mal wieder nach oben nehme.
Gibt es „neue“ Erkenntnisse? Hat sich Eure Meinung geändert? Egal in welche Richtung.
Der oben zitierte Teil ist für mich nach wie vor gültig. Da damals auch Futterstoffe angesprochen wurden, ja, auch diese sollten nicht aus Polyester sein.
 
Volle Zustimmung! Ich habe in manchen meiner SuSu-MTM Sachen etwas wildere Futterstoffe, die aus Polyester sind. Man gleitet beim An- und Ausziehen spürbar schlechter durch.
 
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