Antikmöbel

Serge

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Nachdem ich nun meine neue Wohnung mehr oder weniger erfolgreich bezogen habe (d.h. die Voraussetzungen für privates und berufliches Überleben geschaffen sind), gibt es an einigen Stellen doch Gestaltungsbedarf ... will sagen: Möbel müssen her.

Wo möglich, sollten es antike Stücke sein (vorzugsweise Mitte 19. Jahrhundert bis frühes 20. Jahrhundert), allerdings ist mein Horizont bei einem sehr subjektiven "gefällt mir / gefällt mir nicht" und einigen eher rudimentären Kenntnissen zu Epochen und Stilen zu Ende. Deshalb bin ich aktuell auf der Suche nach:

- Informationsquellen zu Antikmöbeln: Stilkunde / Materialkunde (Hölzer und Oberflächenbehandlung)
- Bezugsquellen im www oder im Raum Köln oder erreichbarer Entfernung.
- gerne auch Restaurierungs- oder Pflegetipps

Gruß
Serge
 
Kann das Buch "Möbel, die große Enzyklopädie" empfehlen.
Von Judith Miller

Aber eine passende antike Kommode habe ich für mich leider auch noch nicht gefunden...
 
Alte Möbel / Tips

Einfach mal so unsortiert, wie mir´s als dilettierendem Laien durch denn Kopf geht:

Einen guten Preisüberblick über die gängigsten Möbeltypen und -stile bieten dem Einsteiger Auktionskataloge mit Zuschlagspreisen, z. B. von Henry´s (Achtung beim Lesen, ob Aufgeld von ca. 20 % schon enthalten).

Wer sich nicht auskennt, aber dem Preis angemessene Qualität sucht, sollte den renommierten Fachhandel bevorzugen. Vermeintliche Schnäppchen aus Trödelläden haben u. U. das Zeug sich zur veritablen Katastrophe auszuwachsen, z. B. bei aktuellem Anobienbefall an verborgener Stelle.

Doch auch im Fachhandel ist man nicht zur Gänze gegen unliebsame Überraschungen gefeit. Am besten also erfahrenen Bekannten mitnehmen. Und sich beim Kauf zusätzlich zur Quittung in einer bebilderten Expertise schriftlich bestimmte Eigenschaften zusichern lassen (z. B. originalgetreue fachmannische Restaurierung, Entstehungsgegend, Material, Alter, beseitigter Anobienbefall, Originalschlösser und -beschläge, Originalfüße etc.). Je teurer das Möbel, desto wichtiger werden solche Faktoren.

Achtung verdient auch die Harmonie des Möbels und ggf. seines Furnierbilds. Stört da irgendwas? Das gilt besonders bei zweiteiligen Möbeln, die gerne aus zwei nicht zusammengehörigen Teilen zur Mariage verbastelt wurden oder aktuell werden. Auch beim einteiligen Möbel muß man mit zurückliegenden Eingriffen in die ursprüngliche Substanz rechnen, z. B. durch Reduzierung von Höhe, Breite, Tiefe. Drum suche man nach solchen Spuren. Englische Antikmöbel waren zeitweise (heute noch?) berüchtigt für "aus zwei mach drei". Wenn man ein blödes Gefühl hat: Finger weg.

Was nur der Geübte feststellen Kann: Wurde beim polierten Möbel mit Schellack restauriert oder mit synthetischem Spritzlack? Letzteres ruiniert die Oberfläche unrettbar (außer wenn, seltenst, drunter noch Schellack; nur wer weiß das?) und entwertet das Möbel drastisch. Für Liebhaber ist es dann nahezu wertlos.

Das restaurierte antike Möbel darf nicht wie ladenneu aussehen. Die originale Patina spiegelt die Geschichte des Möbels wieder.Davon darf und soll man was sehen (außer bei richtigen Schäden). Liebhaber suchen deshalb gerne gut erhaltene unrestaurierte Möbel.

Wenn das Möbel unangehmen Geruch verströmt, z. B. nach Lösungsmitteln, dann lieber sein lassen. Möbelkauf ist also auch eine Aufgabe für die Sinne.

Und vor allem: Erst mal umsehen. Nicht überstürzt kaufen. Vergleichen. In Ruhe überlegen.

Nun hoffe ich, nicht nur erschreckt zu haben, und wünsche viel Spaß sowie eine glückliche Hand beim Kauf. Und natürlich langjährige Freude daran.
 
Vielen Dank für die vielen hilfreichen Tipps, besonders dir, Dyanam für den ausführlichen "Einkaufsratgeber". Erstaunlicherweise sehen einige rennomierte Antikhändler die Sache mit Schellack vs. Spritzlack nicht so eng - gerade bei beanspruchten Oberflächen ist Spritzlack deren Aussage nach die bessere Alternative, weil er deutlich pflegeleichter und resistenter gegen Flüssigkeiten ist (bezog sich aber auch nur auf relativ "einfache" Möbel, z.B. Weichholztische).

Der DuMont-Schnellkurs ist in der Tat eine gute Einführung und ein praktisches Nachschlagewerk zur Stilkunde. Von Judith Miller gibt es zahlreiche Werke, u.a. auch umfangreiche Nachschlagewerke zu einzelnen Stilepochen.

Inzwischen habe ich auch (überraschend schnell) 1 1/2 Küchenbuffets (Eiche, späte Gründerzeit bzw. Jugendstil) zum Schnäppchenpreis erstanden (das halbe Buffet hat seinen Oberschrank eingebüßt und gibt jetzt eine ansehnliche Kommode ab...). Als nächstes steht ein Salontisch mit passenden Stühlen auf der Suchliste...
 
Für Möbel dieser Art kannst du in Köln z.B. bei Auktionshäusern fündig werden, www.auktion-huell.de, Dein Glück ist das "normale" alte Möbel zur Zeit keinen interessieren und du somit schöne Stücke zum Preis eines IKEA Tischs bekommst.
 
Mich würde mal interessieren, wie man einschätzen kann, ob der Preis eines antiken Möbelstückes gerechtfertigt ist.

Auktionskataloge geben da auch nur eine sehr grobe Richtung vor, da ja jedes Stück anders ist und oft nur schwer vergleichbar.

Woran erkennt man, ob fachgerecht und "hochwertig" restauriert wurde?
 
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Woran erkennt man, ob fachgerecht und "hochwertig" restauriert wurde?


Da wären schon vertiefte kunsthistorische Kenntnisse nebst langjähriger Erfahrung nötig, um sichere Analysen treffen zu können. V. a.: In welcher Epoche und welcher Region wurde welche Gestaltung gewählt und welches Material in welcher Weise konstruierend verarbeitet. Das schließt auch Materialkunde samt Kenntnissen über die jeweiligen Alterungserscheinungen mit ein. Es ist ncht anders als beim Gebrauchtwagen- oder gar Oldtimerkauf: Der Gegenstand hat einige Zeit auf dem Buckel und oft was mitgemacht, das der Laie ihm nicht notwendig ansieht.

Zwar dilettiere ich seit über 40 Jahren, also schon seit Kindheit. Doch "höhere" Kenntnisse beanspruche ich nicht mal annähernd für mich. Vor allem hilft dem Laien nur andauerndes Sehen von qualitätvollen Originalen und sie miteinander zu vergleichen, z. B. im Kunsthandel und in Museen. In Letzteren kann man sich die Möbel zwar nahezu unendlich besehen, doch nicht betasten geschweige denn öffnen oder ihre Schubladen herausnehmen und sie auch nicht von allen Seiten (also auch von Rück- und Unterseite) in Augenschein nehmen.

Zusätzlich ist Lektüre von Fachliteratur eigentlich unverzichtbar. Und es ist wie bei fast allem: Selbst zu besitzen und im Lauf der Zeit die eigenen Stücke in Bezug auf die eingangs genannten Kriterien zu begreifen, fördert Verständnis wie auch Gespür. Man nähert sich einem Möbel zwar am sinnigsten mit gleichermaßen Verstand wie Gespür, und überprüft dann das eine jeweils mit dem anderen. Der Laie muß sich aber meist mehr aufs Gespür verlassen, und das kann auch grausam ins Auge gehen.

Meine Einrichtung stammt fast gänzlich aus den letzten vier Jahrhunderten, Schwerpunkt im vorletzen. Ähnliche Stücke sind mir dann schon mal vertrauter und deshalb leichter zu verstehen. Wer sie - wie zumeist - nicht erbt, muß Antikmöbel kaufen, und d. h. u. U. auch mal schmerzlich Lehrgeld zahlen, ich übrigens ebenso (der edelste Weg des Wachstums ist ja der der Erkenntnis, der schmerzlichste der der Erfahrung, und den gehen die meisten). Drum hatte ich vor etwas mehr als einem Jahr den meist teuereren Weg zum renommierten Fachhandel angeregt. Billiger heißt Chance - aber auch Risiko. Natürlich gibt´s immer wieder echte Trouvaillen, die selbst für Laien erkennbar derart günstig sind, daß man gar nichts falsch machen kann. Nur: Die sind extrem selten. Wer von Preis und Gegenstand hellauf begeistert ist, begegne sich selbst deshalb ziemlich kritisch. Begeisterung kann selbst beim Fachmann (vgl. Affaire Beltracchi) das Sehvermögen bis zur Stockblindheit schädigen. Also lieber zehnmal zuviel denn einmal zu wenig prüfen. Mit Antikmöbeln lebt man i. d. R. lange. Und ebenso lange erinnert ein Fehlkauf.

Wer erleben will, wie jeweils ein Sachverständiger aus dem Kunsthandel und einer aus dem Museumsbereich an ein Möbel (und andere Antiquitäten sowie Kunstgegenstände) herangehen, sollte sich im Bayerischen Fernsehen am Samstag zwischen 19:45 und 20:15 "Kunst und Krempel" zu Gemüte führen (Möbel kommen jedes zweite oder dritte Mal dran). Da erfährt man ungemein viel Basiswissen - und man begreift, was alles man nicht weiß .... Um weiter zu kommen hilft wie überall nur eins: Üben, üben, üben!

All das gilt selbstredend v. a. für qualitätvolle Antikmöbel von einigem Formenanspruch, und nicht z. B. für die, fast stets abgelaugten, Weichholzmöbel (vulgo und meist falsch: "Bauernmöbel") der Zeit zwischen ca. 1880 und 1920 oder auch die meisten Historismusmöbel (welch Letztere mir wegen ihrer eklektizistischen Zitate einer oder gleich mehrerer unverstandener früherer Formensprachen meist unverdaulich sind). Hier passen Kaufpreis und Gebrauchswert meist zusammen, und ob die Substanz verändert wurde ist wegen fehlender kunsthistorischer Bedeutung nicht so bedeutsam.

Abzuschrecken ist nicht meine Absicht, sondern nur Enttäuschungen vermeiden zu helfen. Mit alten Möbeln lebt sich´s einfach herrlich. Und wenn mir schon kein altes Haus vergönnt ist, dann wenigstens alte Möbel. Ein eigener Kosmos, wie Kleidung.
 
Mich würde mal interessieren, wie man einschätzen kann, ob der Preis eines antiken Möbelstückes gerechtfertigt ist.

Auktionskataloge geben da auch nur eine sehr grobe Richtung vor, da ja jedes Stück anders ist und oft nur schwer vergleichbar.

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Preisbildende Faktoren sind i. W.: Alter, Seltenheit, Erhaltung (in Bezug auf Substanz, Oberfläche, Innenausstattung, Beschläge, Schlösser), Qualität des Entwurfs und seinerhandwerklichen Umsetzung, Größe i. S. Benutzbarkeit, Art des Möbels, Oberflächenmaterial und -farbe, Verzierungen (v. a. i. S. v. Bemalung oder Marketerie/Intarsie aus Metall, Holz, Schildpatt oder Stein), ev. Name eines bedeutenderen Tischlers, Entstehungsort, bei bedeutenden Stücken auch Auftraggeber/Herkunft, Vollständigkeit bei größeren Ameublements, wirtschaftliche Gesamtlage. Und - nicht zu vergessen - der Marktgeschmack. Letzterer ist dauerndem Wandel unterworfen. Augenfällige Beispiele aus den vergangenen beiden Jahrzehnten: Der Preisrückgang bei Biedermeier- und Barockmobiliar, der schlechterdings dramatische Preisverfall bei Rustikalantiquitäten gleich welcher Art oder die genau umgekehrte Entwicklung bei Antiquitäten russischer Entstehung. Der Marktgeschmack ist auch von regionalen Vorlieben abhängig. Z. B. werden bestimmte Holzarten, Möbeltypen oder Stilepochen in einzelnen Regionen höher oder auch geringer geschätzt. Das kann sich im Preis sehr spürbar niederschlagen.

Spitzenstücke, die sich in vielen Kriterien von der Masse deutlich abheben, nehmen an Marktschwankungen kaum Teil und steigen stetig im Wert. Nur diese taugen als Wertanlage, die aber wegen der erschwerten Transportierbarkeit auch eingeschränkt ist.

Wer sich mit der Thematik nachhaltig befaßt, wird bald ein Gespür für das ungefähre Preisgefüge bekommen. Feste Preise gib es aus o. g. Gründen nicht, sondern allenfalls Preisspannen für bestimmte Möbeltypen, z. B. für hartholzfurnierte und frontal mehrfach geschwungene Barockkommoden, kirschholzfurnierte Biedermeierochsenkopfstühle, Biedermeiersekretäre à abattant, hartholzfurnierte Frankfurter Nasenschränke, Rokoko-Bureau-Plats einfacherer Art etc. Und es gibt immer wieder Ausreißer nach oben und unten, v. a. wenn sich auf Auktionen Bieter Gefechte liefern.

Die wichtigsten Kriterien für den Kauf von Durchschnittsmobiliar sind: Art, Erhaltung, Verwendbarkeit, nachhaltiges Gefallen am Stück und schließlich ein hieran wie auch am Markt gemessen akzeptabler Preis. Und der tritt im Lauf der Zeit, wenn man Jahrzehnte täglich Freude hat, immer mehr in den Hintergrund.
 
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