Winter-Basics: Mäntel

Spätestens jetzt, wo uns die ersten kalten Tage auf den kommenden Winter einstimmen, sollte man sich Gedanken über einen passenden Mantel machen. Welches Material eignet sich? Welcher Schnitt ist vielseitig, aber zeitlos? Was unterschiedet einen guten von einem mittelmäßigen Mantel? Wie viele Mäntel brauche ich eigentlich? Mit dem folgenden Wegweiser finden Sie sicher das richtige.

Ganz wichtig: Einsatzzweck bestimmen
Kein Mantel, auch wenn er noch so gut ausgesucht ist, ist für absolut jeden Tragezweck geeignet. Ein Duffelcoat wird beispielsweise zum Anzug eine Ähnlich schlechte Figur machen, wie ein Frackhavelock zum Tweed. Einige Mäntel sind jedoch vielseitiger als andere und eignen sich daher als Erstanschaffung oder verhältnismäßig kleine Garderoben auch besser. Wer nur wenig Kleidung kaufen möchte, sollte zwei Mäntel besitzen: einen knie- oder besser wadenlangen Mantel für formellere Anlässe und zusätzlich einen Trenchcoat oder sonstigen Regenmantel. Damit ist man für die meisten Zwecke gerüstet. Für nachfolgende speziellere Einkäufe sollte man sich im voraus genau klar machen, welchen Zweck der Mantel erfüllen soll. Formell oder sportlich? Wärmend oder in erster Linie vor Verschmutzung schützend? Wasserdicht? Mit variablem Innenfutter? Die Liste der möglichen Konfigurationen ist schier endlos, den einen Mantel für alle Zwecke zu finden also entsprechend unzweckmäßig. Gründliches Überlegen im Vorfeld kann so unnötige Zeitverschwendung und nervenaufreibende Debatten mit dem Lieblingsverkäufer beim Herrenausstatter ersparen.

Konstruktion, Qualitäten und Materialien
Ein Mantel ist meist ein mehr oder minder stark verlängertes und mehr oder weniger stark abgewandeltes Sakko, weshalb man hinsichtlich des Innenlebens grundsätzlich die gleichen qualitativen Ansprüche an die beiden Kleidungsstücke stellen kann — und im Sinne einer langen Haltbarkeit auch sollte. Die Schultern eines Mantels sollten nicht zu stark gepolstert sein, um auch mit einem darunter getragenen Sakko noch elegant auszusehen. Die Schultern an Mänteln mit sogenannten Raglanärmeln, einer Schnittvariante, bei der der Ärmel nicht an der Armkugel endet, sondern bis zum Halsausschnitt verlängert wird, sind in der Regel nicht mit Schulterpolstern verstärkt, sondern fallen lose über die Schulter des Sakkos. Formelle Mäntel verfügen meist über ein Revers, für das die gleichen Kombinationsmöglichkeiten und Formalitätsgrade gelten wie auch bei Sakkos und Anzügen. Formelle einreihige und alle zweireihigen Mäntel verfügen also über steigende Revers, sportlichere Mäntel über fallende. Eine sportliche Variante stellt der reverslose Kragen dar, der bis zum Hals hin geschlossen werden und mit oder ohne Kragenbündchen — eine Stoffbahn, die wie auch beim Hemdkragen zwischen Kragen und Rumpf um den Hals verläuft — gearbeitet sein kann. Auch bei der Wahl der Materialien gilt es den Verwendungszweck zu beachten. Da fast jedes Anzug-, Hosen- oder Sakkotuch auch in einer gewichtigeren Variante als Mantelstoff verfügbar ist, sollte auf beabsichtigte Kombinationen Rücksicht genommen werden. Ein mittleres und relativ vielseitiges Spektrum von Donegal Tweeds, grobem Fischgrät und kernigeren Flanellstoffen wird um die anlassgebundeneren Extreme von weichem, dünnen Kammgarn einerseits und rauem, schwerem Tweed andererseits erweitert.

Die wichtigsten Mantelformen im Überblick
Eine gute Option für den ersten Mantel ist ein klassischer Chesterfield Coat, so benannt, weil er im Umfeld des Earl of Chesterfield erstmals in Auftrag gegeben worden sein soll. Dieser Mantel sieht, mit Ausnahme der Länge, einem Sakko relativ ähnlich und kann ein- oder zweireihig gearbeitet sein. Die meistgetragene Variante ist jedoch einreihig, auf drei Knöpfe zu schließen und häufig mit einem Oberkragen aus Samt versehen. Spätestens in dieser Konfiguration wird die nahe Verwandtschaft zum Covert Coat deutlich, der aus festen und groben, für einen Mantel aber eher leichtem Twill gearbeitet ist. Der Chesterfield sieht in einer Reihe verschiedener Oberstoffe gut aus, für einen vielseitigen Einsatz eignen sich grobe Fischgrättuche oder ein unauffällig gemusterter Tweed in Grau-, Blau-, oder Brauntönen. Für’s Wochenende oder zum Tweedanzug kann auch eine Variante in grünem Twill interessant sein. Der Duffelcoat ist eine der sportlichsten Mantelformen und zeichnet sich unter anderem durch seine charakteristischen Schließen aus einer Schlinge und einem Gegenstück aus Horn, Bein oder Holz, die üppige Weite und eine Kapuze mit Sturmriegel aus. Er passt nicht zum Anzug und eigentlich auch nicht zum Sportsakko und bleibt am besten der Freizeitgarderobe vorbehalten. Für diese ist er jedoch eine der besten — und wärmsten! — Empfehlungen für die kalte Jahreszeit. Der Trenchcoat entstammt der Garderobe des britischen Militärs und stellt nur eine von mehreren möglichen Regenmantelformen dar. Immer zweireihig und mit bis zum Hals hin zuknöpfbarem Revers, Sturmriegel und Taillengürtel ausgestattet, ist ihm seine funktionale Natur von weitem anzusehen, weswegen er auch nicht gut zu formeller Garderobe tragbar ist. Sehr formelle Mäntel, die man zum Frack, Smoking oder auch zur formellen Tagesgarderobe trägt, sind in der Regel aus dem Stoff des darunter getragenen Anzuges oder einer schwereren Variante gefertigt. Abendmäntel können zudem über die vom Frack und Smoking bekannten Revers mit Seidenspiegel, Taschen mit Seidenpaspeln und mit Stoff bezogene Knöpfe verfügen.

Zum Schluss noch ein Wort der Warnung: Gerade Kleidungsstücke, die wie der Mantel häufig Schmutz und Staub ausgesetzt sind und in geheizten Räumen gelagert werden, sollten regelmäßig und gründlich gelüftet und ausgebürstet werden, damit Motten erst gar keine Chance bekommen, sich in Ihrer Kleidung einzunisten.

Kategorie: Herrengarderobe

Florian S. Küblbeck

Florian S. Küblbeck ist freier Journalist und schreibt vor allem über Mode, Stil und Genuss. Mit seinem Erstwerk "Was Mann trägt: Gut angezogen in zwölf Schritten" gab er 2013 sein Debüt als Buchautor.

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