Tweed für die Freizeit

Das Sportsakko oder die Sportjacke zeichnet sich in erster Linie durch die Abwesenheit einer Hose und Weste aus demselben Stoff aus. Die Beachtung einiger grundlegender Richtlinien beim Einkauf vorausgesetzt werden Sie es bald als leicht zu kombinierenden, in der Pflege dankbaren und unanfälligen Begleiter in allen Lebenslagen schätzen.

Das Sportsakko dient als Teil der Oberbekleidung überall dort, wo ein Anzug zu formell, ein blankes Hemd allerdings unerwünscht ist. Im Berufsleben findet diese Sakkoform zwar immer häufiger Verwendung, ihr eigentliches Einsatzgebiet ist und bleibt aber die Freizeit.

Zunächst sind einige essentielle Dinge zu Stoff und Verarbeitung zu sagen. Sollten Sie meinen Rat befolgt und einen dunkelblauen Anzug für den Arbeitsalltag erworben haben, dürfen Sie sich jetzt glücklich schätzen: Sie können auf die Anschaffung eines dunkelblauen Blazers gänzlich verzichten und stattdessen allenfalls die Knöpfe an Ihrer Anzugjacke – die hoffentlich aus Büffelhorn bestehen – durch solche aus Edelmetall, hellem Perlmutt oder emailliertem Metall ersetzen, sofern der Anlaß es verlangt.

Ihr Mantra während des Sportjackenkaufes darf also getrost folgendermaßen lauten: Tweed. Kein anderer Stoff verkörpert einen sportlichen Charakter in derart hohem Maße und ist dabei so facettenreich. Fragen Sie einmal beim Maßschneider nach einem braunen Tweed und sie werden sehen, was ich meine: Donegal mit feiner Noppenstruktur, herringbone mit dem charakteristischen Fischgrät, shepherd’s check oder houndstooth sind nur einige der Varianten dieses Englischen Klassikers. Die Materialfülle und Vielfalt ist schier überwältigend.

Die Englischen Originale wie Harris oder Breanish Tweed werden auf den Äußeren Hebriden vorwiegend in Handarbeit hergestellt. Diese Gewebe zeichnen sich durch die hohe Festigkeit, charakteristisch rauhe Oberfläche und enorme Haltbarkeit aus. Namen wie thornproof sind hier mehr als nur Marketingstrategie. Auch italienische Stoffhersteller wie zum Beispiel Loro Piana offerieren mittlerweile eine – an den kontinentaleuropäischen Geschmack angepaßte – Variante des Tweeds, der meist deutlich weicher und fließender daherkommt als sein etwas kratzbürstiges Englisches Gegenstück sodaß dem Suchenden auf jeden Fall mit einem Material nach seinen Vorlieben gedient werden kann.

Der Charakter des Gewebes sollte sich auch in den Details der Jacke spiegeln: Aufgesetzte Taschen sind hier eine gute Wahl. Auch Details wie eine sogenannte Golferfalte auf dem Rücken oder hinter den Schultern können hier eingesetzt werden. Lederknöpfe werden finden ebensohäufig Verwendung wie Ärmelflicken – die jedoch eigentlich erst Sinn machen, wenn besagter Jackenärmel tatsächlich bereits einmal „blank“ gescheuert war. All jene Details, die den Busineßanzug zu sportlich oder exzentrisch wirken lassen, können der Tweedjacke erst die nötige legerezza verleihen. Vor übertriebener Anwendung zu vieler solcher Details im gleichen Kleidungsstück sei an dieser Stelle jedoch ausdrücklich gewarnt.

Hinsichtlich der Kombinationsmöglichkeiten sind dem Träger einer Tweedjacke nahezu keine Grenzen gesetzt: Cordhosen in allen Farben und Materialstärken, Gabradinehosen, Flanell, Baumwolle, Cavalry Twill, sogar Denim sind nur einige der denkbaren Paarungen. Die naturgegebene Vielfarbigkeit eines Tweeds macht eine Jacke daraus zum Dankbaren Partner fast jedes Stückes Ihrer Garderobe. Greifen sie aber nicht allzu förmlichen Hemden, das kann schnell deplaziert wirken. Oxford oder das klassisch-Englische Tattersall Check sind dagegen optimale Begleiter Ihres Freizeit-Outfits. Ein Wollpullover und etwas rustikaleres Schuhwerk – idealerweise ein Brogue, leicht zu erkennen am typischen Lochmuster – komplettieren den Eindruck.

Die allermeisten Tweeds sind typische Winter- oder Herbststoffe, was aber keinesfalls bedeutet, daß Sie deshalb in den heißen Sommermonaten auf eine Sportjacke verzichten müssen. Dies ist traditionell die Zeit leichter Mischgewebe aus Wolle, Leinen, Seide und Baumwolle, wobei hier zumeist eine Unartigkeit eines Garnes durch ein anderes ausgeglichen werden soll. Eine Mischung aus Seide und Leinen kombiniert beispielsweise die Offenporigkeit und Atmungsaktivität des Leinengewebes mit der Knitterunempfindlichkeit der Seide. Achten Sie bei Sommerstoffen nicht unbedingt auf das absolute Gewebegewicht! Viel entscheidender ist die verwendete Webart. Lose, offene Gewebe wie Panama- oder Leinwandbindung sind luftdurchlässiger und können deswegen in höherer Materialstärke getragen werden, um Knittern des Stückes zu vermeiden.

Gepaart mit einem dünnen Hemd aus Fil-à-fil-Baumwolle, Batist oder Voile und hellen Hosen zu leichtem Schuhwerk steht die Sommergarderobe ihrem Winterpendant in nichts nach. Der Weg zur individuellen Lieblingskombination führt hier übers Experiment. Probieren Sie’s aus!

Kategorie: Herrengarderobe

Florian S. Küblbeck

Florian S. Küblbeck ist freier Journalist und schreibt vor allem über Mode, Stil und Genuss. Mit seinem Erstwerk "Was Mann trägt: Gut angezogen in zwölf Schritten" gab er 2013 sein Debüt als Buchautor.

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