Max Dietls Sakko-Tipps, Teil 2


Aus der Serie: Sakko-Tipps

7. Das Sakko, von dem jeder mindestens ein Exemplar haben sollte, ist der dunkelblaue, einreihige Blazer. Der ist für mich das vielseitigste Sakko überhaupt und gerade auf Geschäftsreisen oft die beste Lösung. Beim Meeting mit dunkelgrauer Wollhose, abends beim Drink an der Bar zum offenen Hemdkragen mit Chinos, Kordhosen oder sogar Jeans. Ich habe blaue Blazer in allen Stoffvarianten, aus Kaschmir in verschiedenen Gewichtsstufen von superleicht bis flauschig schwer, aus hochgezwirnter Kammgarnwolle, griffigem Hopsack und im Sommer aus seidiger Baumwolle oder Leinen.

8. Ein schöne Variante beim Innenleben bieten halb- oder ungefütterte Sakkos sowie ganz unstrukturierte Verarbeitungen. Sie sind in Deutschland kommerziell nicht besonders erfolgreich, ich trage sie aber sehr gern, vor allem im Sommer. Viel kühler ist das Sakko ohne Futter nicht, aber rein psychologisch habe ich an warmen Tagen das Gefühl, dass der ungefütterte Stoff ein bisschen mehr Luft durchlässt. Beim Anprobieren von ungefütterten Teilen müssen Sie die Schulterpartie und die Ärmel immer erst ein  bisschen zurechtziehen, weil kein Futter das Hineinschlüpfen erleichtert. Wenn alles sitzt, trägt sich so etwas aber sensationell, wie ein Strickjacke aus federleichtem Kaschmir.

9. Karierte Sakkos könnte ich nicht jeden Tag tragen, ich habe aber eine ganze Menge davon, die ich regelmäßig anziehe. Dabei bevorzuge ich Kaschmirstoffe mit eher dezenten Dessins, z. B. einem feinen Überkaro über einem Fischgratmuster. Auch Tweed ist sehr schön, dann aber richtig urige Stoffe, die ruhig ein bisschen schwerer ausfallen dürfen. Und im Sommer sind Sportsakkos aus Leinen toll. Die irischen Weber sind in dem Bereich wahre Meister, ihre Leinenqualitäten knittern nicht so extrem und der leichte Glanz erinnert fast an Rohseide. Viele Kunden sind erst skeptisch bei Leinen und dann total begeistert, wenn sie es überziehen.

10. Ich trage natürlich nicht nur Sakkos aus unserem Atelier oder aus den Kollektionen, die wir führen, sondern shoppe gern auch mal bei Kollegen. Beim Anprobieren achte ich dann vor allem auf die Schulterpartie, wenn die nicht gut sitzt, lasse ich das Sakko meistens hängen. Es sei denn, ich habe mich so in das Teil verliebt, dass ich meine Schneider bitte, das Teil auseinander zu nehmen und zu ändern. Aber aas ist ein Riesenaufwand und ich muss mich dann immer fragen lassen, warum sie mir nicht einfach ein neues Teil schneidern dürfen. Auch wichtig: Die Gesamtlänge. Deutlich zu kurze oder zu lange Sakkos sehen fürchterlich aus.

11. Viele Ausstatter führen die Größen nur in Zweierschritten, also 50, 52, 54 und so weiter. Ich bevorzuge Läden, die ihre Sakkos in Einerschritten im Sortiment haben, denn oft bedarf es genau dieser kleinen Zwischenstufen, um die Passform perfekt zu machen. Auch Größen für untersetzte, kleine und große Figuren gehören ins Sortiment, schließlich will jeder etwas von der Stange finden. Maßkleidung sollte man nämlich nicht in erster Linie wegen Figurproblemen ordern, sondern aus Spaß am Individuellen und Handgemachten. Jedenfalls wünschen wir uns das als Maßatelier – obwohl Kunden mit schwierigem Körperbau wahnsinnig dankbar sind, wenn sie nach Jahren endlich mal was richtig gut Sitzendes bekommen.

12. Der Schnitt des Sakkos sollte zur Persönlichkeit passen und die Gesamterscheinung positiv unterstreichen. Schlanke und hagere Männer greifen oft zu Sakkos mit sehr schmalen Schultern, dadurch sehen sie aber häufig geradezu spillerig aus. Eine etwas markantere Schulter im römischen Stil kann hier schmeichelhafter sein.

13. Ich persönlich liebe es, wenn man die Ärmelknöpfe öffnen kann. Ich weiß, dass es für viele Leute Snob-Appeal hat, wenn man ein oder zwei davon aufgeknöpft trägt, doch ich stehe dem ganz neutral gegenüber und überlasse es dem persönlichen Geschmack. Weniger schön ist es, wenn die funktionierenden Ärmelknopflöcher nicht von Hand umsäumt sind. Grobe, ausgefaserte Maschinenknopflöcher empfinde ich einfach als hässlich. Das mag für manch einen abgehoben klingen, aber wenn man so wie ich mit der Maßschneiderei aufgewachsen ist, stört einen so was. Was die Anzahl der Ärmelknöpfe angeht: Ich persönlich finde vier am schönsten, bei Sakkos mit drei Knöpfen oder gar nur zwei oder nur einem Knopf am Ärmel graust es mir dagegen, aber auch das ist reine Geschmackssache.

14. Im Moment sind Zweiknopf-Sakkos wieder sehr im Trend, auf lange Sicht bewährt sich die Dreiknopf-Front aber am besten. Allerdings sollten die Knöpfe nicht zu weit auseinander liegen, sonst schließt das Sakko zu hoch und man sieht zu wenig von Hemd und Krawatte. Wahrscheinlich ist es überflüssig zu sagen, dass man immer nur den mittleren oder die beiden oberen Knöpfe zumacht. Ich erwähne es sicherheitshalber aber doch, denn ab und zu sehe ich Männer, die nur den unteren oder alle drei zuknöpfen. Ich mag auch Dreiknopf-Sakkos, bei denen sich die Kante am obersten Knopf leicht umrollt, das verlängert das Revers optisch, bietet aber die Vielseitigkeit der Dreiknopf-Front.

15. Ich lasse meine Sakkoärmel immer so kurz arbeiten, dass sie viel von der Hemdenmanschette zeigen. Ich finde es z. B. sehr schön, wenn die Manschnettenknöpfe gut zu sehen sind, denn neben Uhr und Trauring sind sie für mich der einzig zulässige Schmuck des Herrn.

Aufgezeichnet von Bernhard Roetzel

Kategorie: Sakko

Bernhard Roetzel

Bernhard Roetzel schreibt über Herrenmode und verschiedene Stilfragen. Der Bildband "Der Gentleman. Handbuch der klassischen Herrenmode" ist seine bekannteste Publikation, sie liegt in fast 20 Übersetzungen vor.

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