Gut zu(m) Fuß

„Want to know if a guy is well-dressed? Look down.“ So lautet ein englisches Sprichwort. Nicht zu Unrecht gilt die Wahl adäquaten Schuhwerks als Ritterschlag für jedes Outfit. Erst wenn die Hosen des gutgewählten Anzuges auf perfekt geputzte, qualitativ unanfechtbare Schuhe fallen, darf sich der Gentleman rechtmäßig als gut gekleidet verstehen.

Ein wirklich guter Schuh ist eine Anschaffung fürs Leben. Richtige Pflege und regelmäßige Auffrischung beim Schuster vorausgesetzt kann sich der Käufer mehrere Jahrzehnte an ihm erfreuen. Spätestens an dieser Stelle dürfte klar sein, daß der Schuh das letzte Kleidungsstück des Mannes sein sollte, das mit modischen Extravaganzen in Berührung kommt. Klassisch gestaltete Schuhe sind länger ansehnlich und dadurch haltbarer. Vor dem Kauf Ihres nächsten – oder möglicherweise ersten wirklichen – Schuhpaars sollten Sie sich noch etwas eingehender mit den verschiedenen Verarbeitungsvarianten und vor allem den benötigten Modellen befassen.

Der gute Schuh ist rahmengenäht, holzgenagelt oder zwiegenäht, wobei die beiden letzteren Macharten fast ausschließlich im Süddeutschen, Österreichischen und Ungarischen Raum zu finden sind; hier hat diese Bauweise ihren Ursprung. Das Gros der infragekommenden Schuhe wird rahmengenäht sein. Hierbei wird der gesamte Schuhaufbau von einem schmalen Lederstreifen – dem sogenannten Rahmen – und zwei bis drei Nähten – der Rahmen- und der Laufsohlen-, eventuell der Zwischensohlennaht – zusammengehalten. Schuhe dieser Machart sind extrem belastbar, äußerst langlebig und viele male zu reparieren. Eine Rahmennaht wird traditionell von Hand gemacht – die allermeisten Rahmennähte sind heutzutage jedoch maschinell – nach dem sogenannten Goodyear-Verfahren – gefertigt.

Goodyear welted shoes sind nicht zwangsläufig schlechter: Gerade dem Käufer mit etwas knapperem Budget können Sie als gute Preis-Leistungs-Alternative zum handgemachten Schuh dienen. Die Haltbarkeit wird kaum beeinträchtigt, die maschinelle Reparatur ist zudem meist günstiger zu bekommen als die Auffrischung in Handarbeit. Dennoch: Die besten Schuhe werden immer die in reiner Handarbeit gefertigten sein.

Auf den ersten Blick einer der großen Nachteile solcher Schuhe: Sie sind teuer. Doch die Investition lohnt! Anders formuliert: Die geizigsten Menschen kaufen Maßschuhe. Warum? Vergleicht man die Lebenszeit eines rundum verklebten, minderwertigen Schuhs mit derjenigen eines handrahmengenähten Maßschuhs, relativiert sich der Preis schnell. Letztendlich entpuppen sich diese vermeintlich teureren Schuhe auf lange Sicht als regelrechte Schnäppchen. Haben Sie solch einen Schuh ersteinmal anprobiert, werden Sie ohnedies nie wieder schlechtes Schuhwerk tragen wollen. Nur ein wirklich guter und hochwertiger Schuh garantiert eine anatomisch-korrekte Abrollbewegung aller Zehengelenke und sorgt für eine gleichmäßige Durchblutung auch während langer Tragezeiten – ein „Gesundheitsschuh“ im besten Wortsinne.

Für den Anfang dürfte man mit zwei bis drei Paar Schuhen jede Arbeitswoche überstehen. Essentiell sind ein Paar schwarze captoe oxfords, die sich durch die geschlossene und dadurch förmlichere Schnürung und die aufgesetzte Zehenkappe auszeichnen. Darüberhinaus ist man mit einem Paar brogues mit Lochmuster auf Schnüblatt ound Zehenkappe für informellere Anlässe stets gut beraten. Ein Paar brauner plain derbies mit offener Schnürung und glatter Zehenkappe komplettiert die Schuhgarderobe des Einsteigers. Kaufen Sie einen Schuh aber nie, weil er Ihnen rein äußerlich gut gefällt – die Grundvoraussetzung, die erfüllt sein muß, bevor die Optik eines Schuhs beurteilt werden sollte, ist die perfekte Paßform. Haben Sie die für Sie perfekte Leistenform gefunden, können Sie sich um die Äußerlichkeiten den Schuhs kümmern.

Ist man dem Reiz schöner Schuhe ersteinmal verfallen, offenbaren sich schnell zahlreiche Investitionsmöglichkeiten: Wie wäre es beispielsweise mit einem Paar ochsenblutfarbener halfbrogues, hirschlederner loafer oder aufwändig patinierter wholecuts? Das Repertoire der Möglichkeiten wird mit jedem Neuerwerb steigen, wenn Sie Schuh um Schuh in die Welt feiner Herrenschuhe eintauchen. Sollten Sie jetzt auf den Geschmack gekommen sein: Kaufen Sie nicht zu viele Schuhe auf einmal, tragen Sie Ihre Schuhe stets gut ein und sammeln Sie lagen Trageerfahrungen, bevor Sie nachkaufen. Ihre Füße werden es Ihnen danken!

Zuguterletzt noch ein paar Worte zur Pflege: Ein Schuh ist stets nur so elegant wie sein Pflegezustand makellos ist. Bürsten Sie Staub und Verschmutzungen nach jedem Tragen gründlich ab und gönnen Sie Ihren Schuhen sooft wie nötig eine Politur mit Emulsionscreme und Hartwachspolitur – gründliches Glanzbürsten inklusive. Meiden Sie selbstglanzprodukte und imprägnierer wie auch Produkte mit langen Listen chemischer Zusätze. Experimentieren Sie ruhig hin und wieder mit Schuhcremen, die im Farbton etwas heller oder dunkler als die Lederfarbe sind, so erreichen Sie im Laufe der Zeit die schönsten Farbeffekte. Schwarzes Leder erwacht durch ab und zu verwendete ochsenblutfarbene oder burgunderrote Creme erst zum Leben, auch einige Tupfer dunkelbrauner Schuhcreme auf den Nahtstellen hellbraunen Oberleders können die Wirkung des Schuhs vollkommen verändern.

Natürlich würde ich mich freuen, einige Ihrer Schuhe im Forum zu sehen – teilen Sie Ihre persönlichen Lieblingsstücke doch mit der Community!

Kategorie: Herrengarderobe

Florian S. Küblbeck

Florian S. Küblbeck ist freier Journalist und schreibt vor allem über Mode, Stil und Genuss. Mit seinem Erstwerk "Was Mann trägt: Gut angezogen in zwölf Schritten" gab er 2013 sein Debüt als Buchautor.

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