Die Masse macht’s eben doch

Spiegel Online berichtete am vergangenen Mittwoch über die Angst des Bundesverbandes der Deutschen Schuhindustrie vor Lieferengpässen. Neben steigender Nachfrage im eigenen Land trüge besonders die Schuhverliebtheit in Asien zur Knappheit auf dem Weltmarkt bei. Da das Gros der in Deutschland verkauften Schuhe genau von dort kommt, ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Deutsche Markt erst nach dem für den Produzenten heimischen bedient wird. Es scheint, als müssten sich Frauen und Männer in Deutschland demnächst darauf einstellen, weniger als die bisher üblichen sechs, beziehungsweise zwei Paar pro Jahr zu erstehen.

Was sagt uns dieser Aufreger der Woche nun, abgesehen von den darin zur Sprache gebrachten Fakten und Zahlen? Mir sagt er vor allem eines: Die Masse macht’s eben doch. Wir rufen uns nochmals kurz die Zahlen in Erinnerung. Sechs Paar Schuhe zum —wie uns der Artikel lehrt— durchschnittlichen Preis von 62 Euro. Als Qualitätsfetischist wird mir an dieser Stelle latent schwindelig. Führt man sich lediglich vor Augen, wie die Kalkulationen vieler Textil- und Schuhdiscounter (vulgo Billigheimer) aussehen, wird man sich schnell bewusst, wie wenig ein Schuh zu diesem Preis mit einem handwerklichen Qualitätsprodukt zu tun haben kann. Den meisten Deutschen Käufern scheint das herzlich egal zu sein, solange nur die Sensationslust, das Verlangen nach ständig neuen Aufregern im eigenen Schuhregal gestillt zu werden verspricht.

Dabei wäre genau das Gegenteil viel sinnvoller: Konzentration auf wenige Neuerwerbungen pro Jahr, dafür aber genau die, die man zum ersten wirklich braucht, zum zweiten produktionsethisch bedenkenlos kaufen kann und zum dritten lange behält, liebt und pflegt. Stinklangweilig? Vielleicht, dafür aber reflektiert. Denn von einer solchen Einkaufsmoral profitieren alle Parteien: Die Schuhfabriken in China können ihre Primärmärkte beliefern, ohne sich um Engpässe sorgen zu müssen. Die heimische Schuhindustrie mit Fertigungstechniken, die seit Jahrhunderten erprobt sind, erlebt einen Aufschwung durch steigende Nachfrage und damit die Rettung aus der miserablen Lage ohne Auslastung und Lehrlinge. Der Käufer wird mit einem haltbaren, qualitativen Produkt belohnt. Und schließlich: Der Branchenverband kommt ohne Schreckensmeldungen aus.

Schöne neue, alte, Schuhwelt — machen Sie den Anfang.

Kategorie: Herrenschuhe

Florian S. Küblbeck

Florian S. Küblbeck ist freier Journalist und schreibt vor allem über Mode, Stil und Genuss. Mit seinem Erstwerk "Was Mann trägt: Gut angezogen in zwölf Schritten" gab er 2013 sein Debüt als Buchautor.

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