gaumenreparatur, fast schon ovid'sche lautmalerei, chapeau!Was wollte ich heute trinken? Winzerchampagner von Bergeronneau-Marion aus einem Dörfchen nahe Reims, kannte ich vorher noch nicht. Aber dazu kam es nicht, ein deutlicher, nachhaltiger Milchsäurestich (kräftig-deftiger Geruch nach frischem Sauerkraut) ließ den Inhalt der Flasche in den Ausguss wandern. Das ist ein Weinbereitungsfehler in Verbindung mit der malolaktischen Gärung des Grundweins, der Erzeuger ist somit für mich nicht mehr existent.
Da denkt man, das gehört eigentlich in den Jammerfaden, aber zur fälligen Gaumen-Reparatur wurde schnell sehr interessanter Single Malt Whisky aus der Speyside herangeführt: 2003/2018 Glenlivet von Gordon&MacPhail (Banane, Crème Brulée, Pfeffer, ein wenig Mousse au Chocolat), 1995/2017 Glenburgie (süßer Bratapfel, Limette, Anis, Früchtekuchen) und 1997/2017 Linkwood (Trockenpflaume, Zimt, Gewürznelke, Vanille), jeweils von Signatory Vintage, alles in Fassstärke aus deren Top-Serien, die ersten beiden im Ex-Bourbon-Cask, letzterer im Refill Ex-Sherry-Cask gereift.
Ich sag' mal: Reparatur gelungen. Da müssen erst die Schotten aus dem kalten, klammen Hochland kommen, um französische Schlampereien aufzuräumen.
Meine letzte Dienstreise für eine ganze Weile hat wieder viel Wein auf den Gaumen gebracht, es ging nach Auckland/Neuseeland und damit in eine Weinregion genau auf der gegenüberliegenden Seite der Welt, wo jetzt angenehme Frühlingstemperaturen herrschen.
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Vor Ort schwelgte ich vor allem in den Freuden der nahen Weininsel Waiheke Island im Hauraki-Golf, 40 Fährenminuten östlich von Auckland. Waiheke ist überwiegend Rotweinland und zwar nicht Pinot Noir wie in Neuseeland gern auf der kühleren Südinsel genommen, sondern Bordeaux-Rebsorten und Syrah im kühlen Hermitage/Côte Rôtie-Stil des nördlichen Rhônetals, teils auch mit der typischen Viognier-Beigabe des letzteren. Am Wochenende bin ich da auch mal rüber geschippert und tauchte mit der Hilfe eines lokalen Guides ein wenig in drei der dreißig Boutique-Weingüter der Insel ein.
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Auch interessant das größte Weingut im Osten der Insel, Man'o'war in der gleichnamigen Bay (James Cook höchstpersönlich war der Namensgeber, als er dort 1769 landete, weil er die uralten Kauri-Bäume dort gerne als Masten der britischen Man'o'war-Linienschiff-Serie gesehen hätte). Der Dreadnought Syrah 2014 des Gutes harmonierte großartig zum lokalen Filetsteak mit cremiger Blaukäsesauce und in Entenfett gebackenen Kartoffeln genauso wie der feste, pflaumenkräuterige Ironclad 2012 aus 45% Merlot, 20% Cabernet Franc, 14% Malbec, 13% Cabernet Sauvignon und 8% Petit Verdot mit leichten 15 Umdrehungen. Wie beim Land selbst, wo man sich angesichts der üppigen grünen Hügel und der reichen Laubwaldbestände beim oberflächlichen Anblick an das Loiretal oder Cornwall erinnert fühlt, bis man beim näheren Hinsehen erkennt, dass man keinen der vielen Baum- und Gewächstypen je in Europa gesehen hat , erinnerte der Ironclad ein bisschen an bekannte St. Emilion, aber eben nur einen Moment lang, bis sich eine völlig eigenständige Bordeaux-Interpretation zeigte.
Man o'War Ironclad aus dem Jahrgang 2011
Das kennt auch kaum einer, weil die Erzeugungsmenge gering ist und hauptsächlich in der Region weggesoffen wird. Die Insel ist aber auch neben dem Wein wunderschön, sie ist ein entspanntes Hideaway für wohlhabende Aucklander und zieht einige Tagestouristen an, die dann typischerweise auch Weingut-Hopping machen wie ich damals.vielen Dank! Von Waiheke Island wusste ich bislang noch gar nicht.
Heute zum TV-unterstützten California Dreaming (WDR Wunderschön Highway 1 Reportage), während fiese Stürme draußen tosen, ein formidabler deutsch-kalifornischer Chardonnay aus der Carneros-Region direkt an der Nordküste der San Francisco Bay Area. Der Gründer Walter Schug, der im Jahrgang 2015 mit 80 Jahren starb, war gebürtiger Assmannshäuser und Önologie-Absolvent aus Geisenheim. Er ging nach Kalifornien, arbeitete bei Gallo im Weinanbaumanagement und entwickelte für den weininteressierten Bauunternehmer Joseph Phelps dessen heute hochrenommiertes Spitzenweingut inkl. dessen Aushängeschild, der Bordeaux-Rebsorten-Cuvée Insignia, bevor er in Carneros sein eigenes Weingut mit Schwerpunkt Pinot Noir und Chardonnay aufbaute.
Entsprechend ist dieser Chardonnay trotz 14,5% Alkohol keine schlappe, honigbuttrige Vanillebombe, sondern ein konzentrierter, mineralischer Vertreter seiner Art mit kräftig stützender Säure dank fehlender malolaktischer Gärung, die bei Chardonnays internationaler Bauart ja nicht selten ist.
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