Was ist denn mit den Einstecktüchern los?

Andreas Gerads

Stilmagazin-Inhaber
Manche wissen, ich habe eine Vergangenheit im "Einstecktuch-Business". Bevor das Tüchlein wieder mainstream wurde habe ich mal einen Online-Shop für Einstecktücher gehabt. Meine Einbildung damals: 50€ für ein Einstecktuch von G. Inglese wäre teuer und der Kauf kaum mehr zu rechtfertigen gewesen, außer durch pure Lust. Diese Meinung vertrete ich auch heute noch.

Was ich jetzt aber beim Herrenausstatter Braun entdeckt habe, das hat mir kurz die Sprache verschlagen: Einstecktücher! - für die, die es nicht wissen, das ist so ein Stück Stoff, typischerweise in der Größe ca. 30x30cm - zum Preis von 169,50€. Ok, es ist von Brunello Cucinelli (lesenswertes Interview in der ZEIT), aber auch wenn man 20% seines Gewinns in die Rekultivierung von Brachflächen in seiner Region steckt: Rechtfertigt das diesen Preis? Oder ist das einfach "weil man`s kann" und weil es offensichtlich bezahlt wird. das scheint mir schon fast kein Preis für ein Stück Seide zu sein, sondern vielmehr - eigentlich nur noch - der Preis für eine Eintrittskarte in die Cucinelli-Welt.

Nicht falsch verstehen, kein Sozialneid, dafür habe ich noch ausreichend von den Inglese Tüchern im Schrank, aber das ist doch zu viel?!? Oder verkenne ich etwas?
 
Wie bei fast allen Luxusmarken zahlt man eher für den Namen als für das Produkt.

Der Preis ist definitiv nicht gerechtfertigt, das Produkt erfüllt diesen Wert nicht, aber das ist ja nun auch eine Grundlage des Kapitalismus.

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Man zahlt den Aufpreis fürs Gefühl dabei zu sein, bei Leibe kein Einzelfall. Außerdem: es wird bezahlt, damit ist der Preis iO
 
Ich glaube, diese Produkte richten sich bei unbestritten hoher Qualität vom Angebot her an eine Klientel, für die der Preis eines beliebigen Kleidungsstücks einfach keine Kategorie darstellt, über die sie im Alltag nachdenken müssten. Wir optimieren auch nicht endlos den Preis eines Kaugummis, wir kaufen ihn einfach, wenn uns der Sinn danach steht.

Einkäufe eines solchen ESTs entziehen sich einer ökonomischen Betrachtung durch die Mittelschicht-Brille. Damit will sich auch keiner aufspielen, der das kauft, er findet das einfach nur schön genug, es mitzunehmen und legt es in irgendeine Schublade auf seiner Yacht.
 
Habe mir Ende letzen Jahres mein erstes Einstecktuch bei einem Herrenausstatter gekauft. Den Preis in Höhe von 69,95 fand ich zwar auch nicht ganz niedrig, habe ihn aber gern bezahlt.
Mehr würde/möchte ich allerdings auch nicht ausgeben für ein solches Zierstück. Egal, welcher Name nun drauf oder dahinter steht.
 
Ich kann mich noch eine Zeit erinnern zu der est 30 euro bei Shibumi gekostet haben. Das waren gute Zeiten.
Wer für Krawatten nen Hunni hinlegt kann für est auch nen fuffi ausgegeben. Irgendwann wird es aber nur noch absurd.

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Es ist dann doch meist etwas komplizierter, als „da zahlt man nur für den Namen“ etc ...

Natürlich zahlt man auch für den Namen von sogenannten namenhaften Hersteller. Die haben sich den Ruf ja meist teuer erkauft.

Es gibt aber dennoch eine Vielzahl an Gründen warum es massive Preisunterschiede macht.

Es gibt Anbieter die kaufen quasi fertige Produkte und somit vorgegebene Designs.
Dann gibt es Anbieter die designen selbst, haben Personal dafür. Manche Produzieren selbst. Also gibt es neben dem Materialkauf- der ja schon für große preisliche Unterschiede sorgt, der Produktion (Einkauf, Standort, Verarbeitung, Spezialisierung) einige weitere Gründe wie Preise steigen können.

Ein Anbieter von hochwertigen, handrollierten und eigens designten Einstecktücher, die er in Deutschland oder Italien von gut bezahlten Facharbeiter produzieren lässt, wird sich wohl sehr schwer tun diese für unter 50€ im Laden zu verkaufen ... man darf ja auch nicht den Sprung bzw. die Kalkulation vom Hersteller zum Laden der es anbietet vergessen. Und ob es nur online per Post oder am POS in bester/teurer Lage durch Fachpersonal amgeboten wird ... es ist nicht so ganz einfach mit den Preisen ...
 
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