Tipps zu klassischer Musik gesucht

Ich würde jetzt nicht sagen, dass die Lieder Tostis "seicht" sind. Ich finde, dass Tosti es wunderbar geschafft hat, einen Melos zu entwickeln, der zwar in gewisser Weise einfach ist (was nicht schlecht ist), aber nicht unter Einfachheit (das wäre dann "seicht") leidet. Dem Sänger bieten solche Melodien die Möglichkeit, eine Vielzahl von Farben und Facetten zu zeigen. Hier ist man als Interpret natürlich sehr gefordert. Man beachte auch die subtile Rhythmik in der Klavierbegleitung und die wirklich nicht seichte Harmonisierung. Insofern sind diese Stück sehr klassisch.

Einfach mal selbst probieren: Komponiert mal eine "einfache" Melodie oder singt mal so ein Lied. Die Probleme treten innerhalb kürzester Zeit auf. Viel Spass.

Aber das stimmt natürlich, dass eine Oper viel mehr Facetten auch verlangt als es Romanzen und Canzonetten fordern.

Dennoch: Deutsche Ohren. Für Menschen diesseits der Alpen kann es doch verwirrend sein, wenn eine Figur in einer italienischen Oper sein Leid über z. B. eine verlorene Liebe oder über das eigene Schicksal in strahlender Dur-Tonalität fünf Minuten ausbreitet. Da bedarf es schon einer gewisser Hörerfahrung, um das subtile Sentiment wahrzunehmen und einzuordnen. Man ist da sehr schnell bei den Begriffen "Kitsch" oder "Salonmusik". Wobei der Begriff "Salonmusik" mich nicht stört, deutet er ja nur auf den Ort der Aufführung hin. Wenn man weiß, wer in diesen Salons so verkehrte, konnte sich diese Musik eines illustren Publikums erfreuen, welches Qualitäten nach drei Takten bereits erkennen konnte. Leider ist der Begriff negativ konnotiert. Zuweilen auch mit Recht...
 
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Es lohnt nicht darüber zu streiten. Schön dass es Dir gefällt. Mir gefällt es auch, obwohl ich es nicht für klassische Musik halte. Ich mag auch Gershwin-Songs, auf die der erste Absatz Deines letzten Beitrags passt (allerdings ohne Pathos, was Du wohl mit Melos meinst). Trotzdem sind die Songs keine klassische Musik.
 
Melos ist eine bestimmte Art von Melodik, die einen bestimmten Charakter und bestimmte Merkmale hat und die man immer erkennt. So hat Puccini einen eigenen Melos, den man sofort erkennt.

Man kann sagen, eine eigene melodische Handschrift. Dies zeichnet sehr gute Komponisten aus.
 
Ich weiß nicht, ob die Debatte sehr ergiebig wird...ich habe Tostis delikate Musik als Zugaben von Tenören wie José Carreras und Alfredo Kraus glücklicherweise live erleben könnnen. Enrico Caruso, der mit Paolo Francesco Tosti befreundet war, hat die Musik in seine Arienabende aufgenommen. Seither gehört sie wie selbstverständlich zum Repertoire vieler Opernsänger. Die Italiener nennen Kompositionen wie Malia "Romanza da salotto", also "Salon-Romanze", wobei das nie abwertend, sondern eher wie ein Ritterschlag gemeint ist.

Für mich gehört Tostis Musik jedenfalls zu den Perlen an der Peripherie der klassischen Musik. Genauer: innerhalb der klassischen Musik, falls unbedingt eine Grenzziehung sein muss.
Über die Definition, was Klassische Musik sei, hat Dieter Brenzke, so ein Professor aus Heidelberg (Copyright Gerhard Schröder) einen lesenswerten Essay geschrieben, dem ich mich in groben Zügen gerne anschließe.
http://www.kammermusik-heidelberg.de/perch/resources/klassik-was.pdf
 
Volle Zustimmung, Bergamotte. Bin absolut deiner Meinung. Alfredo Kraus live - das ist schon die Krönung!

Zum Begriff Salon: man muss halt wissen, was damals ein Salon war und wer da verkehrte. Hat nichts mit kleinbürgerlichen Wohnzimmern von heute zu tun, in denen der bevorzugte Gesprächspartner ein 50 Zoll Panasonic ist. Für die Insassen solcher Räumlichkeiten kann Tosti dann schon seicht klingen.
 
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Hier sind noch einige ganz großartige Werke:

-Die Kunst der Fuge, op. 1080 BWV, vor allem die Contrapuncti 1, 3,4,6,10,11, hervorragend sind die Interpretationen von Gould, Koroliov und Ishizaka.

-Das musicalische Opfer, op. 1079 BWV, da sind besonders die Canones hochinteressant, aber auch die verschiedenen Varianten des RICERCAR.

-Die Motetten von Anton Bruckner sowie seine Messe Nr.2 in e-Moll. Von außergewöhnlicher Schönheit ist die Aufnahme des SWR-Vokalensembles unter der Leitung von Marcus Creed.

Kürzlich bin ich außerdem auf das Ensemble La Poème Harmonique gestoßen, das im letzten Jahr ein großartiges Album, Anamorfosi: Allegri, Monteverdi, mit wunderbarer früher Barock- und Renaissance-Vokalmusik, veröffentlicht hat.
 
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