Roter Bordeaux

utala

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Eigener Artikel, teilweise übernommen aus NAS.de

Meine ersten Erfahrungen mit roten Bordeauxweinen begann Anfang der 70er Jahre. Damals kaufte ich zur „Dekoration für einen Getränkeschrank“ 12 Flaschen Bordeaux wegen der roten Flaschenkapseln. Preis bei Aldi: um die 5 Mark. Zehn passten ins Regal, zwei mußten in den Keller.
Im Laufe der nächsten paar Jahre verschwand der Inhalt der Flaschen aus dem Getränkeschrank im Rotkohl. Immer eine gute halbe Flasche, der Rest wurde als holziger, herber Tischwein konsumiert.

Die zweite Erfahrung mit Bordeauxweinen machte ich zehn Jahre später. In einem gehobenen Restaurant gab es zum Menü einen roten St. Emilion, Jahrgang 1975.
Der Wirt schaffte es nach dem Essen, mir 6 Flaschen a 55 Mark zu verkaufen.
Dieser damals für mich hohe Preis weckte mein Interesse an Weinen von der Gironde.
Beim Einlagern der (natürlich zu teuren) Tropfen fand ich, welch Wunder, zwei jetzt über zehn Jahre alte Flaschen mit Aldi-Bordeaux!
Sie hatten sich durch die Lagerung zu hervorragenden runden Weinen entwickelt.

Für mich war das der erste Merksatz: Roter Bordeaux ist erst nach 10-jähriger Lagerung ein Genuss!
Mein Interesse an Bordeaux war geweckt. Ich begann Bordeaux zu sammeln wie andere Leute Briefmarken oder Schuhe.
Alexis Lichine war damals der Weinpapst in Frankreich. Sein Buch „Die Weine und Weingärten Frankreichs“ führte zunächst zum zweiten Merksatz: kaufe nur Haut Medoc (Margeaux, St. Julien, Pauillac, St. Estephe), Graves, Pomerol und St. Emilion und zum dritten Merksatz: kaufe in schwachen Jahren große Weine, in Spitzenjahren dagegen kleinere, denn in diesen Jahren sind alle hervorragend.

Der mittlerweile über 30-jährige "Bestand" wird jetzt langsam „aufgelöst“, sprich: getrunken.

Ein Tipp für Leute, die diese ersten zehn Jahre noch überbrücken müssen oder die Karte in Restaurants studieren, welche oft nur junge Jahrgänge anbieten:
Bordeauxweine sind aus mehreren Rebsorten verschnitten. Weine mit hohem Merlot-Anteil reifen schneller. Einen hohen Merlot-Anteil haben Weine aus St. Emilion, Pomerol und Graves, sie sind daher früher trinkbar.

Ich habe die Wartezeit mit deutschem Riesling überbrückt. Aber das ist ein anderes Thema.

Als Anhang gibt es für Interessierte eine Liste der TOP-300 Weingüter für Rote Bordeaux als XLS-Datei.
Die angegebene Einstufung entspricht Johnson bzw. Lichine, es bleibt Platz für die eigene Wertung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Bordeaux hat sich ja nun auch vieles geändert. Inzwischen sind die Satellitenappellationen teils sehr interessant geworden, die Weine der großen Chateaus sind ja sowieso nur noch Spekulations- und Prestigeobjekte mit lächerlichen Preisen. Schön, wenn man das Geld hat, aber guten Wein gibt es auch anderswo. Aldi Bordeaux ist aus meiner Erfahrung (00er Jahre) nie sein Geld wert - das mag in den 70ern anders gewesen sein, obschon die Bordelaiser Qualität damals ja generell ziemlich am Boden lag. Einen Billigbordeaux zu 5 Euro kann man IMHO nach 10 Jahren nur noch wegschütten, meistens auch sofort :D. Aber in guten Jahren kann man natürlich schöne Sachen zu guten Presien finden, aber eher in Frankreich bei den großen Sales. Ich erinnere mich an einen schönen 96er Ch. Hanteillan, hat 2000 15 Mark gekostet. Und der 2000er Tronquoy-Lalande, in der Subskription damals bei ca. 25 DM war auch eine gute Investition. Ich trinke aber noch lieber unpopuläre klasssiche Riojas, da kriegt man heutzutage schon ab 15 Euro echte Schätze.
 
Ich bitte um Tipps zu eher preiswerteren Riojas und Bordeaux...wäre nett..und gerne als PN...

Die ursprünglich angehängte Datei ist fort...
 
Noch ein Versuch, die Datei anzuhängen:
 

Anhänge

  • Top-Chateaus.DOC
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Hat ja jetzt doch geklappt mit der Datei.:)

Mit dem Hinweis, Bordeauxweine seien viel zu teuer, habt ihr natürlich recht.
Allerdings sind auf der Liste auch Chateau mit * oder ** zu finden, deren Weine man oft unter 20 € kaufen kann. Leider werden alle zu früh getrunken!

Wer nicht warten kann, der sollte tatsächlich zu Riojas und anderen Roten aus Australien, Südafrika und Südamerika greifen. Hier gibt es viele sofort trinkbare Weine, die ihre Entwicklung im Fass erlebt haben und in der Flasche nicht mehr zugewinnen.

In Sachen ITALIENISCHER ROTWEIN haben wir ja einen absoluten Spezialisten unter uns!

Hallo Sandro, wie wär's mit einem Thread? :D
Brunello, Barolo und seine Brüder sind auch einen Tipp wert!
 
Hallo Amanpuri,

die von Dir angesprochene Einstufung von 1855 hat heute nur noch Werbewert, daher ist sie heute völlig irrelevant.
Hinter meiner -alphabetischen- Auflistung findest Du jedoch zwei Tabellen: die erste stellt die Klassifizierung nach A. Lichine dar, entstanden 120 Jahre später nach den vergeblichen Bemühen eines Önologenkreises, die 1855er Liste zu überarbeiten und um die St. Emilion-Weine zu ergänzen.

Die zweite Tabelle reflektiert die Aussagen und Einschätzungen des von Dir angesprochenen H. Johnson: klassifiziert mit einem bis fünf Sternen.
Erstaunlich, das die Spitze von damals immer noch an der Spitze ist.

Natürlich spielt der Jahrgang eine große Rolle, doch lange nicht mehr so wie früher.
Warum auch immer, die Anzahl der schwachen Jahrgänge hat rapide abgenommen (was mir zu denken gibt).
Beispiele:
in den 70er-Jahren waren gut: 1975, 76, 78 und 79
in den 90ern alle außer 1991 + 1992.

Gruss
utala
 
Warum auch immer, die Anzahl der schwachen Jahrgänge hat rapide abgenommen (was mir zu denken gibt).

Gruss
utala

Einerseits sind seit den 70ern enorme Fortschritte in der Weinbergsarbeit gemacht worden (gut), andererseits wird eben auch in Bordeaux mit allen Tricks der modernen Kellertechnik gearbeitet (persönlich nicht immer mein Ding). Ist z.B kein Geheimnis, dass viele Chateaux Mostkonzentration, Vakuumdestillation, Fraktionierung u.ä. einsetzen. Da trink ich dann lieber gleich am Reißbrett entworfene Australier oder Chilenen für 15 Euro. Für das Dreifache oder mehr verlange ich einen Wein, der "im Weinberg" entstanden ist und nach artisanalen Methoden gekeltert wurde. Die Analogie zu überteuerter industriell produzierter Designermode und teurer aber wertiger Handarbeit ist IMO offensichtlich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kreuzigt mich gern: Unser Lieblingswein (rot) seit Jahren ist der Cabernet Pinotage aus Südafrika von Aldi, den wir uns nie übergetrunken haben. Das ist unser Alltagswein, er ist natürlich immer gleichbleibend wohlschmeckend, da jahrgangsunabhängig und industriell auf perfektem Reproduktionsniveau gefertigt. Was soll's, er schmeckt uns und kostet (glaube ich!) läppische EUR 1,99 die Flasche, ein Witz. Ich muss ganz ehrlich sagen - und ich trinke wirklich sehr gern guten Wein, sammle ihn auch für Herrenabende und sonstige schöne Gelegenheiten -, wenn ich einen Franzosen oder Italiener (gern auch teurer) als Alltagswein gefunden hätte, der mir besser schmecken würde, dann hätte ich ihn schon deswegen gewählt, weil er europäisch ist und ich mein Geld lieber europäischen Produzenten überlasse.

LG
Heinz
 
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