Das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Entschuldige die abrupte Einleitung in das Thema, aber es gibt einen Unterschied zwischen Nachhaltigkeit und nationalem Protektionismus. Die Nachhaltigkeit von Geschaeftsmodellen haengt einzig und allein von deren Erfolg ab, das deckt sich also nicht mit dem Begriff der sozialen/oekologischen Nachhaltigkeit der weithin gemeint ist. Wenn in Indien bspw. Masshemden produziert werden, die Schneider relativ gesehen mehr bekommen als beim Naehen der H&M Jeans und dabei allein auf Grund des Produktionsverfahrens erstens geringeren gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt sind und zweitens ein Handwerk neu erlernen, das sie weitere Jahre ausfuehren und mit grosser Wahrscheinlichkeit auch weitergeben werden, ist das fuer mich Nachhaltigkeit pur. Nicht nur das, es ebnet sogar den Weg in einen sozialen Wandel in Billiglohnlaendern und damit auch an die Anpassung der Loehne. Ganz abzusehen davon, dass in diesen Produktiosnketten keine drei Zwischenhaendler mit tausendfachen Margen dazuverdienen.
Billiglohn ist sehr, sehr relativ. Ein Schneider, der in Deutschland Hemden fuer 7€/h produziert - das ist Billiglohn. Ein Schneider aus Bangladesh, der fuer 1€/h Hemden produziert - das ist absolut kein Billiglohn.
Da setze ich gleich nochmal eins drauf, mal ganz provokativ: Deutschland geht es im internationalen Vergleich vor allem deswegen gut, weil hier nicht mehr so viele Textilien produziert werden. Ohne das echte Schneiderhandwerk schlecht zu reden - was eine ganz andere Tätigkeit ist - ist das bloße Zusammennähen von Textilien mit der Maschine eine relativ banale Arbeit, für die man kein besonders qualifiziertes Personal braucht. Das in Deutschland vorhandene allgemeine Qualifikationsniveau der Werktätigen ist erfreulicherweise vergleichsweise hoch und deswegen ist es der hiesigen Wirtschaft möglich, hochwertige Autos und Industriemaschinen zu bauen und ins Ausland zu verkaufen.
Da Export nur funktioniert, wenn entweder a) umgekehrt etwas importiert wird oder man b) das Ausland durch Kreditierung zum Kauf der Exporte in eine Art "Schuldknechtschaft" treibt, ist es sogar wünschenswert, dass etwas importiert wird und warum sollte das nicht Kleidung sein?
Wir haben gar nicht genug Ressourcen, um alles zu produzieren was wir jetzt produzieren und zusätzlich noch die ganze Kleidungsproduktion wieder in Deutschland darzustellen.
Das heißt jetzt umgekehrt nicht, dass es okay ist, dass irgendwas in Sweatshops unter menschenunwürdigen Bedingungen und Gesundheits- und Umweltbelastung hergestellt wird. Aber der Reflex: "Nicht aus Deutschland, also böse" ist wirklich Quatsch - vor allem wenn es auch noch um EU-Länder geht. Und das Transportargument zieht noch bei Lebensmitteln, aber nicht bei ein paar hundert Gramm Stoff die einmal verschifft werden müssen, um dann jahrelang getragen zu werden.
Überspitztes Statement zum Schluss: Wer Trigema kauft, schadet der deutschen Volkswirtschaft, da er verhindert, dass die dort tätigen Arbeiter eine höhere Wertschöpfung in der Maschinenfabrik nebenan schaffen und [Produktionsland der Wahl] durch Textilexport das Geld einnehmen kann, dass es zur Abnahme solcher Waren bräuchte.