Immer Anzug, oder auch mal Kombination?

Möchte an der Stelle mal Mariano Rubinacci in den Raum werfen.
Meiner Meinung nach ein ausgezeichnetes Beispiel in Sachen formeller Kombination.

Hier ein paar Beispiele für andere Kombinationen (nicht Hose in Hellgrau, Sakko in Navy), welche sich vor einem Anzug ebenfalls nicht zu verstecken brauchen: https://imgur.com/a/fMBu7av

Gerade in Italien und in der Finanzbranche (Schweiz) scheinen Kombinationen mittlerweile im Geschäftsleben als absolut ebenbürtig wahrgenommen zu werden. Liegt vermutlich am identischen Bedürfnis der beiden Gruppen ein wenig dicker aufzutragen, dabei zu zeigen was man hat und sich deshalb flamboyanter zu kleiden.

Ich kann das Bedürfnis durchaus nachvollziehen, allerdings aus anderen Motiven: Wenn der moderne Arbeitstag den gesamten Tag (und damit auch die "eigentliche" Freizeit) vereinnahmt, bleibt für klassische Freizeitkleidung (ich meine nicht Sportkleidung) immer weniger Raum. Das zeigt sich ja auch an den von Bluesman gebildeten Beispielen - solche Anlässe kann ich pro Jahr an zwei Händen abzählen. Den von dir aufgezeigten Trend der Auflösung dieser strengen sartorialen Grenzen zwischen Geschäft und Freizeit würde ich durchaus begrüßen, wenn er denn nach Deutschland überschwappen würde. Wird aber wohl (zumindest in den konservativen Branchen, die leider nicht auch konservative Arbeitszeiten bieten) nicht passieren.
 
Gerade in Italien und in der Finanzbranche (Schweiz) scheinen Kombinationen mittlerweile im Geschäftsleben als absolut ebenbürtig wahrgenommen zu werden. Liegt vermutlich am identischen Bedürfnis der beiden Gruppen ein wenig dicker aufzutragen, dabei zu zeigen was man hat und sich deshalb flamboyanter zu kleiden.
Ich kann zur schweizer Finanzbranche nichts sagen, aber meine Erfahrungen aus dem (nord)italienischen Geschäftsleben waren sehr konservativer Natur, graue und blaue Anzüge mit einfarbigen Hemden und sehr dezenten Krawatten. Formell, zurückhaltend, wenn auch mit "unseren" Accessoires und tadelloser Passform und Machart, Anti-Pitti sozusagen.
 
Ich kann das Bedürfnis durchaus nachvollziehen, allerdings aus anderen Motiven: Wenn der moderne Arbeitstag den gesamten Tag (und damit auch die "eigentliche" Freizeit) vereinnahmt, bleibt für klassische Freizeitkleidung (ich meine nicht Sportkleidung) immer weniger Raum. Das zeigt sich ja auch an den von Bluesman gebildeten Beispielen - solche Anlässe kann ich pro Jahr an zwei Händen abzählen. Den von dir aufgezeigten Trend der Auflösung dieser strengen sartorialen Grenzen zwischen Geschäft und Freizeit würde ich durchaus begrüßen, wenn er denn nach Deutschland überschwappen würde. Wird aber wohl (zumindest in den konservativen Branchen, die leider nicht auch konservative Arbeitszeiten bieten) nicht passieren.

Hier wird ein ganz wichtiger Punkt aufgezeigt. Der Rückgang von Freizeit und deren Vermischung mit dem Arbeitsalltag ist ein weiterer Grund für die Ausbreitung und Akzeptanz von Kombinationen.

Kann hier meinen ehemaligen Chef (Bank) als Beispiel anführen, welcher eine Schublade im Büro für Kleidung reserviert hatte und ebenfalls oft Kombinationen trug. Dort waren immer mindestens ein Paar schwarze Tassel Loafer und ein weißes Einstecktuch eingelagert.

Bei Gelegenheit verstaute er die Oxfords, Krawatte und das (zur Krawatte passende) farbige Einstecktuch. Stattdessen schlüpfte er dann in die Loafer und steckte das (zum Hemd passende) weiße Einstecktuch in sein Sakko.

Daraus ergaben sich dann je nach Formalitätsgrad die drei verschiedenen Möglichkeiten:
1. Loafer mit Flanellhose und weißem Hemd
2. + Sakko und weißem Einstecktuch
3. + Krawatte, passendem Einstecktuch und Oxfords

Bringt dann je nach Lage entweder einen Komfortgewinn oder passt sogar besser in die Situation. Das 1. Outfit ist für die Büroarbeit ohne Kundenkontakt absolut ausreichend aber kann für einen spontanen Kundenbesuch sehr schnell angepasst werden. Das 2. Outfit ist für ein lockeres Mittagessen mit Geschäftskontakten im nahegelegenen Seerestaurant sogar angemessener.

Der Herr hat sich je nach Tagesplan auch mehrfach wieder umgezogen. So war der Elternsprechtag am Nachmittag, der Cocktail zwischendurch und das anschließende Abendessen mit den Kunden überhaupt kein Problem und jeweils mit passender Kleidung und maximalem Komfort möglich.

Ich kann zur schweizer Finanzbranche nichts sagen, aber meine Erfahrungen aus dem (nord)italienischen Geschäftsleben waren sehr konservativer Natur, graue und blaue Anzüge mit einfarbigen Hemden und sehr dezenten Krawatten. Formell, zurückhaltend, wenn auch mit "unseren" Accessoires und tadelloser Passform und Machart, Anti-Pitti sozusagen.

Die Finanzbranche ist ein ganz eigenes Kapitel. Das Geld dort sorgt oftmals für stilvolle und hochwertige Kleidung aber kann auch komplett in die andere Richtung ausschlagen. Nicht selten bin ich auf einfarbige Anzüge und verzweifelte Kombinationsversuche mit grün/rot/violett patinierten Schuhen inklusive passendem Gürtel gestoßen. Die Spitze von Geldüberfluss, Individualität und schlechtem Geschmack waren aber zweifelsohne die Sportwagen einiger (weniger) Geschäftspartner mit camouflage Lackierung.

Bin bisher nur privat in Mittel- und Süditalien (Rom, Florenz, Neapel, Venedig) unterwegs gewesen und dort ist mir immer die hohe Dichte an Kombinationen, Loafern und Einstecktüchern aufgefallen. Ich kann natürlich nicht eindeutig sagen, ob es sich dabei um locker gekleidete Geschäftsleute oder um Fashionblogger in der Freizeit gehandelt hat. Zeit, Ort und Kontext haben mich aber das Erstere vermuten lassen. In Mailand war ich bereits geschäftlich aber die Stadt dürfte für Norditalien vermutlich nicht repräsentativ sein.
 
Das ist mir im Sommer passiert... Leinenhose, Langarmpolo und Leinensakko und mir sagt doch glatt einerr, dass er das einen super Anzug findet. Ich habe wohl irgendwie irritiert geschaut, mich aber trotzdem höflich bedankt. :oops:
Ist mir erst vor kurzem passiert. Hatte nicht mal eine Krawatte um...und der fragt mich warum ich im Büro mit Anzug herumrennen
Und darin liegt halt auch mein ewiges Lieblingsargument: Je weniger Casualisierung im sartorialen Bereich in der Breite der Bevölkerung verstanden wird, umso weniger lohnt sich auch die Casualisierung mit der Intention, sich nach unten anzupassen, um in der Masse der Herumschlumpfenden nicht aufzufallen. Im Grunde ist es sogar noch schlimmer: Der Mann im formellen grauen Anzug ist ein Berufsgezwungener, also an sich ganz "normal", sobald er sich die Kleider vom Leib reißen und in die Kleidung aller anderen schlüpfen kann. Der Mann in der bunten Kombination (oder auch im Casual Suit) ist jemand, der Kleidung liebt, also mindestens verhaltensauffällig, vielleicht sogar schwul. :eek::D

Ich kann jeden verstehen, der mal eine Kombination statt eines Anzugs anzieht um der Abwechslung willen oder weil man sich auch mal farblich noch mehr austoben will, mache ich selbst auch. Aber zu glauben, dass man sich dem Jogginghosenträger gefühlt annähert, indem man keine Krawatte und ein legeres Sakko mit Chino trägt, ist immer mehr eine absurde Vorstellung. Und wenn es absurd ist, kann man auch gleich den Full Monty geben. Adieu Business Casual oder wie das auch immer heißt. :cool::)
 
Nicht wenige Menschen würden einen Blazer selbst mit Chino kombiniert als "Anzug" bezeichnen. :oops::)
Passiert mir auch relativ oft (liegt eventuell daran, dass ich eigentlich immer Kombinationen trage), da wird dann auch mal gerne der sehr dunkel graue Anzug (oder Sakko) als Smoking tituliert. Ich freue mich in dem Moment aber eher, dass zumeist der Damenwelt auffällt, die Mühe zählt ja eigentlich...
 
Mir wäre es auch lieber, wenn man wieder bei klassischen Arbeitszeiten wäre. Ist dies aber nicht zu realisieren, dann kann man entweder die Freizeitkleidung aufgeben (oder auf das kurze Wochenende beschränken) oder aber tatsächlich die starren Grenzen auflockern. Es ging wohlgemerkt um Blazer, Tuchhose, schwarze Schuhe, nicht um den ausgewaschenen Jogginganzug. Wenn ich weiß, das mein Gegenüber von acht bis nach acht arbeitet, dann habe ich nichts dagegen, wenn der Anzug mal nicht navy oder anthrazit ist, das Einstecktuch nicht im TV-Fold ist oder er eben eine Kombination trägt.

Die von Bluesman vorgeschlagenen gelegentlichen "Ausbrüche" klingen nett, sind aber in der Praxis dann doch nicht so einfach: Woher soll der Kunde wissen, dass ich sonst immer Anzug trage, aber mir heute etwas mehr sartoriale Expression gönnen wollte? Er wird die "Casualisierung" regelmäßig als etwas negatives wahrnehmen. Insofern ist "business casual" im Grundsatz wohl gar kein so schlechter Dresscode (und zwar für den gewöhnlichen Geschäftsalltag, nicht für den "casual friday"), weil er das mögliche Spektrum verbreitert. Leider wird er in der Praxis regelmäßig mit "casual" verwechselt oder führt zu schlimmen Erscheinungen wie Kammgarn-Anzug ohne Krawatte, dafür aber mit T-Shirt und Sneakern.
 
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Das Verschwimmen der Grenze zwischen Arbeit und Freizeit ist natürlich ein nicht gutzuheißender Trend aber dennoch aktuell die Realität. Ein paar zusätzliche Anzugträger werden diese Entwicklung sicherlich nicht stoppen können. Die Jobs ohne Anzugzwang sind von dieser Entwicklung nämlich mindestens im selben Ausmaß betroffen.

Ernst genommen zu werden kann man nicht binär am Kritärium des Vorhandenseins eines Anzuges festmachen.

Wenn sich jemand vom Sparkassenberater und dessen klischeehafter Polyesterkutte ernst genommen fühlt aber bei einer formellen Kombination aus der Bank rennt, würde mich diese Einstellung schon extrem stark verwundern.

Darf der Sparkassenberater dich also mit Kurzarmhemd (inkl. Brusttasche), Sakko mit sackartiger Passform und braunen Schuhen empfangen, weil seine tiefschwarze Polyesterkutte irgendwie in die Kategorie des Anzuges eingereiht werden kann?

Und diesen Herren (siehe Link unten) würdest du in sartorialer Hinsicht zurechtweisen und im Anschluss die Bank verlassen?
https://imgur.com/a/B1fcmq3
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Nurmal eine Frage zwischendurch: Wer arbeitet denn eigentlich in Firmen oder Positionen, in denen zwingend das Anzugtragen gefordert/"befohlen" ist? Kann es nicht vielmehr so sein, daß das freiwillig geschieht oder irre ich da vollkommen?
Anzug trage ich ganz selten, da weder Beruf noch Freizeit dies von mir fordern. Allerdings trage ich fast nie Jeans, dafür sehr gern Cord, gute Hemden, ebensolches Schuhwerk, sehr gern Tweed und immer Krawatte oder Schleife. Auch so ist man in meiner kleinen Welt und in unserer Landeshauptstadt ein absoluter Paradiesvogel.
 
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