Das Atelier Bechtloff ist keine dieser Hochglanz-Boutiquen in den Stadtzentren der Metropolen.
Ich habe vor meinem ersten Besuch angerufen und ein Gespräch von mindestens einer Viertelstunde mit Herrn Bechtloff geführt um zu klären, ob man grundsätzlich zueinander passt.
Als dies positiv ausfiel, haben wir am darauffolgenden Tag einen Termin vereinbart.
An der Mörfelder Landstraße gelegen, klingelt man an der Tür eines etwas im Hof zurückgesetzen Hauses und klimmt dann einige Stufen einer schmalen Treppe empor.
Herr Bechtloff empfängt jeden Kunden persönlich im ersten Stock.
Das Ambiente ist sehr heimisch, nicht so steril wie in einem durchdesignten Verkaufsraum.
In der Produktion kann man ganze Rollen von Stoffen und die schönen, alten Nähmaschinen, mit denen alles zusammengeführt wird, begutachten.
Terminvereinbarungen gibt es telefonisch oder "gesmst", wie der Meister es ausdrückt, da er um meine teils etwas undurchsichtige telefonische Erreichbarkeit weiß.
Hierzu eine Anekdote, die sehr schön zeigt von welchem angenehmen Schlag Mensch Herr Bechtloff ist, wenn mir die Situation, als ich sie endlich realisiert hatte, doch reichlich unangenehm war.
Irgendwann während meines ersten Besuchs muss ich fallen gelassen haben, dass ich seinerzeit unter der Woche etwas eingespannter war als gewöhnlich.
Freitagnachmittag bekomme ich eine SMS, dass das erste Probehemd fertig sei und sich gerade am folgenden Samstag ein freier Termin ergeben hätte und ob ich nicht vorbei kommen möchte.
Voller Vorfreude habe ich das Angebot sofort angenommen, nur um vor Ort festzustellen, dass sich da kein Termin "ergeben" hat, sondern, dass Herr Bechtloff, der für gewöhnlich nicht am Wochenende arbeitet, extra für mich ins Atelier gefahren ist um die Anprobe für mich so angenehm und ungehetzt wie möglich zu machen.
Nun aber zu den Probehemden.
Noch habe ich die Erstbestellung nicht gänzlich durchlaufen, aber bis dato stellt sich alles dar wie beschrieben.
100€ Anzahlung/Sicherheit, welche anschließend mit den Gesamtkosten der drei Hemden verrechnet wird.
Klar ist, dass die Bechtloffs im Fall eines während des Probehemdenprozesses abspringenden Kunden Verlust machen werden.
Nicht nur wegen des verbrauchten Materials und der zu bezahlenden Arbeitskraft, sondern auch durch die viele Zeit, die persönlich in die Beratung geflossen ist.
Nach meinen Erfahrungen halte ich es jedoch für äußerst unwahrscheinlich, dass ein potentieller Kunde abspringt.
Schon das erste Probehemd war in der Passform so viel besser als alle ~15 Hemden, die ich über verschiedenste MTM-Wege gekauft habe.
Dazu immer als erstes die Frage nach dem Wohlbefinden des Kunden im Hemd -im Stehen, beim die Arme heben, beim Sitzen und jedweder weiteren gewünschten Verrenkung.
Die offene, aber dabei immer taktvolle Art selbst auf Problemzonen hinzuweisen und somit selbst ein weiteres Probehemd zu provozieren.
Und schließlich die Bereitschaft und das Können, wirklich alles das umzusetzen, was der Kunde wünscht oder benötigt.
Auch die Mindestabnahmemenge wird keinen großen Gewinn für die Bechtloffs bereit halten, aber das Konzept zielt ganz klar auf die Bindung des Kunden auf unbeschränkte Zeit und ich glaube sie sind bei mir, trotz der für mich ungewohnt hohen Preise, auf dem besten Weg dahin.
Ich habe vor Herrn Bechtloff kein Geheimnis darauß gemacht, dass ich es mir nicht leisten kann im Jahr 10 Hemden bei ihm abzunehmen.
Er meinte darauf, dass das für ihn kein Problem sei und dass ihm wichtig ist, er aber auch an seine Fähigkeit glaubt, ein Hemd produzieren zu können, das so gut ist, dass ich als Kunde gerne zurück komme und wenn es nur für ein Hemd im Jahr ist.
Im Übrigen werden die Probehemden nicht aus anderem Material gefertigt als die Verkaufsware.
Es werden Überreste von vorhandenen Stoffrollen genutzt und sicherlich auch nicht das Teuerste vom Teuren, aber theoretisch könnte mein Probehemd aus dem Material sein, das der Kunde vor mir regulär in Auftrag gegeben hat.