Einstecktücher in der Politik

techam

New Member
Guten Tag,

jeder hier kennt das wahrscheinlich, kaum beschäftigt man sich ein wenig mit dem Thema klassische Herrenmode, schon wird bewusst und unbewusst jeder Anzugträger der einem unter die Augen kommt gemustert.

Nun gehören die Politiker aller Herrenländer, tagtäglich in den Nachrichten ja auch dazu.

Dabei ist mir aufgefallen, das ein Einstecktuch in dieser Berufgruppe verpönt zu sein scheint, denn in allen Ebenen von Kommunalpolitiker bis hin zu Staatsführern, findet man kaum einen, der ein solches trägt.
Nun sollte man doch bei der großen Männern unserer Zeit erwarten, dass diese über Stilberater verfügen und in der Regel genauestens auf die Wirkung ihres Outfits achten.

Daher scheint es bald so, als würde das Einstecktuch absichtlich weggelassen werden. Nur warum?

Haben diese Politiker Angst, ein solches Accessoire würde beim Proleteriat zu aristokratisch wirken?


Besonders schockiert hat mich dabei, dass selbst der ehemalige britische Premier darauf verzichtet. Aber auch ein sonst so stilsicherer Guttenberg, der ganz sicher über Berater verfügende Obama usw.

MfG Christian
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun, in den 70er Jahren gab es noch desöfteren EST bei Politikern, nachdem das EST aber in der Bevölkerung immer mehr zurückging, verzichteten eben auch Politiker darauf. Hier eine Bildserie, auf die ich schon einmal hingewiesen habe: http://www.faz.net/aktuell/politik/...03/bundeskanzler-helmut-schmidt-13905591.html

Inzwischen sieht man wieder häufiger EST, aber für einen Politiker besteht die Gefahr eher darin, als zu gut, denn als zu schlecht gekleidet zu gelten. Naheliegend, dass man darauf verzichtet. Vor ein paar Wochen wurde z.B. MP Kretschmann im Landtag Baden-Württemberg von dem Abg. Meuthen vorgeworfen "überteuerte Anzüge" zu tragen.

PS: Von Stilberatern in der Politik habe ich noch nichts gehört, von Ehefrauen oder Sekretärinnen mal abgesehen.
 
Politiker. Einer schlimmer gekleidet als der andere. Falsch verstandene Volksnähe. Ganz unten die Grünen, etwas weiter oben die Partei, die Linken, die SPD, dann knapp darüber die CDU, dann knapp darüber die FDP.
 
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PS: Von Stilberatern in der Politik habe ich noch nichts gehört, von Ehefrauen oder Sekretärinnen mal abgesehen.

Politiker in höheren Funktionen haben Imageberater, in dessen Arbeit Stilberatung quasi inkludiert ist. Hinsichtlich von Kleidung bedeutet dies, dass deren Semantik von entscheidender Bedeutung ist.

Wie ich das bereits an anderer Stelle einmal erwähnte: Auch in unserem Hause sind aus o.g. Semantik selbst Anzüge ergänzt durch Krawatte und Einstecktuch bis in die mittlere Führungsebene hinein nicht mehr gewünscht, fundamental ausgelegt sogar unerwünscht. Grund dafür ist ein Imagewandel, den sogenannte Businessgarderobe in den letzten Jahrzehnten im „Mainstream“ erfahren hat. Unsere Entscheidung dahingehend basiert auf sozio-psychogischen Expertisen. So wirken laut diesen Anzüge häufig als Kontaktbarriere oder als abgrenzendes Distinktionsmerkmal – insbesondere unter den Jüngeren.

Anmerken möchte ich noch, dass diese Entscheidung sowohl von Mitarbeitern als auch von Kunden äußerst positiv aufgenommen wurde.
 
Nun, in den 70er Jahren gab es noch desöfteren EST bei Politikern, nachdem das EST aber in der Bevölkerung immer mehr zurückging, verzichteten eben auch Politiker darauf. Hier eine Bildserie, auf die ich schon einmal hingewiesen habe: http://www.faz.net/aktuell/politik/...03/bundeskanzler-helmut-schmidt-13905591.html

Inzwischen sieht man wieder häufiger EST, aber für einen Politiker besteht die Gefahr eher darin, als zu gut, denn als zu schlecht gekleidet zu gelten. Naheliegend, dass man darauf verzichtet. Vor ein paar Wochen wurde z.B. MP Kretschmann im Landtag Baden-Württemberg von dem Abg. Meuthen vorgeworfen "überteuerte Anzüge" zu tragen.

PS: Von Stilberatern in der Politik habe ich noch nichts gehört, von Ehefrauen oder Sekretärinnen mal abgesehen.

Maas scheint einen Stilberater zu haben seit er Minister ist.

Lindner ist ganz ansehnlich gekleidet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kleidungstechnisch ist mir z. B. Guido Westerwelle sehr positiv in Erinnerung.

Wenn ich mit dagegen Herrn Hofreiter anschaue, ... ohne Worte.

LG
Matz
 
Haben diese Politiker Angst, ein solches Accessoire würde beim Proleteriat zu aristokratisch wirken?


Genau das ist der Hintergrund. Man erwartet von ihnen meist, gut angezogen zu sein, aber sobald der Eindruck aufkommen könnte, dass man mit politischen Ämtern tatsächlich Geld (des Volkes) verdient, gibt es eine Mehrheit von Wählern, die das an sich schon unverschämt finden, unabhängig davon, ob der jeweilige Staatsdiener fähig ist oder nicht. :)

Dandyeske Accessoires wie das EST gehören dazu, sie sind ja besonders aufdringliche Zeichen des Müßiggangs. Für all die, die ein ästhetisches Interesse nicht verstehen, die anständigen Bürger halt. ;)
 
Politiker in höheren Funktionen haben Imageberater, in dessen Arbeit Stilberatung quasi inkludiert ist. Hinsichtlich von Kleidung bedeutet dies, dass deren Semantik von entscheidender Bedeutung ist.



Wie ich das bereits an anderer Stelle einmal erwähnte: Auch in unserem Hause sind aus o.g. Semantik selbst Anzüge ergänzt durch Krawatte und Einstecktuch bis in die mittlere Führungsebene hinein nicht mehr gewünscht, fundamental ausgelegt sogar unerwünscht. Grund dafür ist ein Imagewandel, den sogenannte Businessgarderobe in den letzten Jahrzehnten im „Mainstream“ erfahren hat. Unsere Entscheidung dahingehend basiert auf sozio-psychogischen Expertisen. So wirken laut diesen Anzüge häufig als Kontaktbarriere oder als abgrenzendes Distinktionsmerkmal – insbesondere unter den Jüngeren.



Anmerken möchte ich noch, dass diese Entscheidung sowohl von Mitarbeitern als auch von Kunden äußerst positiv aufgenommen wurde.



Darf man nach der Branche fragen?

Und die Argumentation ist mir nicht ganz zugänglich - auf was wolltest du hier genau hinaus?

Dafür sind einige schöne modische Business-Vokabeln darüber gestreut! ;-)
 
In der Weltzentrale des Egalitarismus ist es verdächtig, gut gekleidet zu sein, höchst verdächtig zu gut gekleidet zu sein. ( Wobei es diese Einschränkung sicher auch nur in Deutschland gibt )

Und nur in dem Land, das den Unterschied zwischen Zivilisation und Kultur erfand und das heute den Begriff "Warmduscher" als Schimpfwort benutzt, konnte die Diktatur der Socken-in-Sandalen-Träger gedeihen. Wir leiden unter der Herrschaft der Geschmacklosigkeit.

Heute darf man doch froh sein, wenn überhaupt ein Sakko getragen wird, oder der Aspirant nicht zum Anzug die Krawatte weglässt, je nach Lesart um harte Arbeit, lockere Erscheinung oder Volksnähe zu vermitteln. Ich bin nach wie vor sicher, Scharpings Fall begann nach der Story über seinen "Kleidungsberater" samt Großeinkauf. Schröder wurde als "Brioni Kanzler" angefeindet und/oder verspottet ( richtig ist jedoch, die Kledage reisst es bei dem auch nicht raus ) und von Gutenberg war per se verdächtig ( keine Frage, was er gemacht hat, war Betrug, aber nur in der deutschen neidgetriebenen Erregungsdemokratie werden sofort Wikileaks Bürgerinitiativen gegründet, die akribisch jeden Schulaufsatz von Politikern bis zur Grundschule auseinandernehmen - und meist nicht einmal Abitur haben )

Die Selbstermächtigung des deutschen Kleinbürgers zur geschmacksbestimmenden Größe erfolgte aber schon im Nationalsozialismus.
Der begann sehr schnell, systematisch die Eliten auszuwechseln. Adel, Militär, Bildungsbürgertum, Kirche und, als wesentliches Element des Bildungsbürgertums, Juden: das alles wurde ebenfalls an den Rand gedrängt, eingeschüchtert, teilweise verfolgt. Was von diesen Milieus übrig blieb, befand sich in der Defensive und gewissermaßen zwischen den Stühlen, die neuen bundesdeutschen Eliten, die ja oft nur ihre politische Kultur wechselten, aber habituell und geschmacklich die kleinbürgerlichen Töchter und Söhne der Nazis blieben, waren vorgestrig. Noch dazu besaßen die alten Eliten den Makel, dass sie den deutschen Zivilisationsbruch nicht hatten verhindern können.

Da, wo es protestantisch geprägt war, zog sich vor allem das deutsche Bildungsbürgertum den Schuh sogar an und wurde kleinlaut, vorsichtig, spielte gesellschaftlich immer weniger mit.

Und so blieben die sozial siegreichen Kleinbürger ohne Korrektiv, sie siegten sogar in jenen Milieus, die ihnen früher Paroli boten. Künstlern, Schauspielern, Dichtern und Gelehrten.

Aus diesen Kreisen rekrutierten sich ja einmal Bürger und Intellektuelle. Und heute? Spätestens seit der Bildungsreform ist die Universität als stilbildende Institution tot, geprägt von 68er geprägten Salonsozialisten, die Ihre moralische Überheblichkeit wie eine Monstranz tragen.

Der Rest ist banales, unauffälliges Theater. Von Film und Fernsehen wird ohnehin niemand etwas erwarten wollen. In Sport und Musik dominiert das Proletariat.

Jedes Land bekommt die Politiker, die es verdient - nicht nur satorial, wichtiger wäre ein wenig Rückgrat, moderate Ahnung von den vertretenen Themen und die Vertretung des Volkes statt der eigenen ( Partei ) Interessen.
Als ich noch in der Politikberatung war, haben sich Szenen abgespielt, man glaubt nicht, es mit denkenden Menschen zu tun zu haben.

Heikles Thema in diesem Umfeld, weil es die Politik streift und hier natürlich sicherlich wieder für Proteststürme sorgen wird.
 
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