Die Preise eines Handwerkers

Mir ist erstens unklar, warum Handarbeit bei einem Anzug überhaupt einen Wert darstellt und zweitens warum die Handarbeit eines Frankfurter Handwerkers einen höheren Wert darstellt als die eines Chinesen.

Ist ein von Hand gedengeltes Auto besser als ein industriell hergestelltes?
Ist eine Uhr mit handgefeilten Zahnrädern genauer als eine mit industriell hergestellten?
Sind Frankfurter mehr Wert als Chinesen? Ist ihre Arbeit mehr wert, oder kostet sie nur mehr?

Was genau ist der Mehrwert von Handwerksarbeit?
Teurer ist die Handwerksarbeit, das ist klar. Was macht sie besser? Die höhere Ausschussquote? Die Ungenauigkeiten? Die menschlichen Fehler?

Maßanfertigung bezieht ihren Mehrwert aus der Passgenauigkeit und der Individualität. Beides lässt sich aber auch mit industrieller Fertigung erreichen, es ist nicht an Handwerk und Handarbeit gebunden.
Ich verstehe nicht was du meinst.
Ich gehe davon aus, dass du schon grundsätzlich weißt warum wir in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Lohnsteukturen und vor allem Lebensunterhaltumstände haben.
Weiter gehe ich davon aus, dass du verstehst warum ein auf deinen Körper zugeschnittener Anzug etwas anderes ist als ein Maßkonfektionirter. Letzteres ohne Wertung der Qualität.

Das hat nichts damit zu tun ob man etwas braucht. Ob ich mir vom Tischler einen Tisch anfertigen lasse, oder bei Ikea was kaufe, sind ja auch zwei Paar Schuhe. Ganz unabhängig der Qualität.



Aber bitte, darum soll es hier nicht gehen :)
Über Sinn und ob etwas nötig ist, warum es Porsche gibt und wir nicht alle Golf fahren, kann an anderer Stelle sehr gerne diskutiert werden.
 
Ich verstehe nicht was du meinst.
Ich gehe davon aus, dass du schon grundsätzlich weißt warum wir in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Lohnsteukturen und vor allem Lebensunterhaltumstände haben.
[...]
Das hat ja zunächst einmal nichts mit der Qualität zu tun. Sondern es geht darum, ob eine Ware von einer ausgebildeten Person unter bestimmten Qualitätsstandards mit entsprechenden Materialien und Werkzeugen hergestellt wird. Wo wir immer wieder zu den Autos abdriften (hihi): In der Fertigung von Mercedes S-Klassen werden völlig andere Abweichungen in den Spaltmaßen der Karosseriebauteile toleriert als bei günstig produzierten Kleinwagen. Wo sie hergestellt werden, ist zweitrangig. Dass nun qualitativ hochwertigere Waren (noch) in den Industrieländern hergestellt werden und die anderen Waren in Schwellen- und/oder Entwicklungsländern ist imho eine Frage der Ausbildungsstrukturen. In Bezug auf das Schneiderhandwerk: Warum nimmt ein Maßschneider in Deutschland nicht Maß und die restliche Fertigung bis zu einer ersten Anprobe findet in Fernost statt? Ich denke nicht, dass es eine Frage der Logistik ist - die Maße sind schneller um die Welt geschickt als man schauen kann, der Versendung der Ware dauert auch nicht lange. Ich vermute es mangelt an entsprechend ausgebildeten Schneidern, die einen Anzug nach britischem, italienischem, etc. Vorbild schneidern können. Und hier kommen wir wieder dort an, was das Schneiderhandwerk in Europa legitimiert: Wie soll es ein Schneider lernen, ohne direkt am Kunden zu arbeiten?
 
Weiter gehe ich davon aus, dass du verstehst warum ein auf deinen Körper zugeschnittener Anzug etwas anderes ist als ein Maßkonfektionirter. Letzteres ohne Wertung der Qualität.

Das ist mir schon klar. Unklar ist mir, warum eine Handnaht besser sein soll als eine Maschinennaht. Auf den Zuschnitt hat das keinen Einfluss, auf den Preis schon.

Unverständlich sind meine Fragen übrigens nur, wenn der Leser Wert und Preis gleichsetzt. Differenziert man zwischen Wert und Preis, wird sofort klar, was ich meine.
 
Mir geht es dabei um Transparenz für den Kunden! Um eben das Handwerk bzw. Handwarbeit beim Anzug wieder nahe zu bringen :)

Unverständlich sind meine Fragen übrigens nur, wenn der Leser Wert und Preis gleichsetzt. Differenziert man zwischen Wert und Preis, wird sofort klar, was ich meine.

Das ist genau das Problem, das Regent immer wieder das Genick bricht: die Fokussierung auf den Preis, den Herstellungsaufwand. Dieser stellt aber für den Kunden keinen inherenten Wert dar. Die Romantik haben, wenn überhaupt, die Neapolitaner schon für sich reklamiert.

Für mich als Bespoke-Kunden liegt der Wert in Schnitt und Service. Zusätzlich habe ich das gute Gefühl, dass mein Geld nicht zu großen Teilen einem Immobilieninvestor zugute kommt.
 
Knize zahlt 1300€ brutto für einen ausgebildeten Kleidermacher mit Erfahrung. So zu lesen auf deren Webseite.
 
Das ist mir schon klar. Unklar ist mir, warum eine Handnaht besser sein soll als eine Maschinennaht. Auf den Zuschnitt hat das keinen Einfluss, auf den Preis schon.
Wer hat denn jemals behauptet, dass eine Handnaht besser sein soll? Ich habe in dieser Richtung noch nie (hier) was gelesen ... teurer ist sie, da sie zeitaufwändiger ist. Zeit ist nun mal Geld.

Rein technisch gesehen ist es logisch, dass eine Rückenmittelnaht oder Hosenseite maschinell genäht besser hält. Was einige sehr hochpreisige Italiener dazu verleitet erst mit der Maschine, dann mit der Hand drüber zu nähen ... was wir dann beim ändern wirklich ausbaden müssen beim auftrennen^^
 
Ganz ehrlich, diese Diskussion um Kosten und Stundenlöhne geht komplett an der Sache vorbei. Menschen treffen weder Investitions- noch Konsumentscheidungen auf Basis von Herstellungskosten. Genausowenig, wie es einen H&M Kunden interessiert, ob so ein Lappen mit 5 EUR im Verhältnis zum Gesamtaufwand fair bepreist ist, spielt der Stundenlohn eines Schneiders wirklich eine Rolle. Die einzige Rolle spielt, welchen (erlebten) Wert man für das Geld bekommt und welche Waren welchen gegenüber substituierbar sein.

Hier hat der Friseur den Vorteil, dass seine Tätigkeit nicht substituierbar ist und es deutschen Kunden nichts nutzt, wenn man in Bangladesh für 2 EUR die Haare geschnitten bekommen kann und das gleiche gilt auch für Arbeitslöhne von KFZ-Mechanikern.

Der Schneider hat das Problem, dass die Konfektion ein Substitut für seine Leistung geschaffen hat, die ihn nicht mehr als primären Dienstleister erscheinen lässt, sondern vor allem als Händler. Das hat das Schneiderhandwerk schon die letzten 50 Jahre bedrängt, als gehobene Konfektion noch im Inland oder in der EU hergestellt wurde. Die Globalisierung hat das ganze nochmal beschleunigt. Und man kann tagelang diskutieren, warum der Maßanzug von hier viel besser ist, aber wer versuchen will, einheimische Schneiderei als Alternative zu Konfektion oder Maßkonfektion zu positionieren, indem er den Preisunterschied zu reduzieren versucht, wird scheitern. Der Schneiderei bleibt die Positionierung als „ultra premium“, bei der der Stundenlohn des Schneiders dann wenig Bedeutung für die Preisgestaltung haben muss. Wettbewerber eines Maßschneiders ist nicht Suitsupply, sondern der Rolex- oder Bentley-Händler oder die Sternegastronomie (letztere steht nämlich auch nicht in Wettbewerb mit McDonalds).

Oder ökonomischer gesprochen, der „marginal advantage“ eines Maßanzugs gegenüber Anzügen die weniger als die Hälfte kosten, ist einfach nicht groß genug, um darüber zu verkaufen, den Preis zu verargumentieren. Niemand erwartet, dass Schneider für 5 EUR die Stunde arbeiten sollen, das heißt aber nicht, dass Leuten ein vom Aufwand her bepreistes Produkt nicht trotzdem zu teuer ist, vor allem wenn günstigere Substitute existieren.
 
"Wettbewerber eines Maßschneiders ist nicht Suitsupply, sondern der Rolex- oder Bentley-Händler oder die Sternegastronomie"

Glaube ich weniger. Wer sich schnell 3, 4, 5 Vollmaßanzüge zu europäischen Preisen leisten kann (Kleidung = Verschleißobjekt), hats meist hinter sich. Da fällt eine Rolex nicht auf und auch nicht das 150 EUR Menü. Ich würds sogar umgekehrt sehen. Genau diese Klientel ist Zielgruppe eines Schneiders.

Aber das Verhalten und das Angebot haben sich grundlegend geändert. RTW mit etwas Rumfummeln reicht vielen. Zudem gibts ja Klamotten im Überfluss. Jedes Jahr wird 4x was Neues in den Markt gedrückt, der Markt für Kleidung wird regelrecht ersäuft. Vor 50 Jahren gabs noch überhaupt keine flächendeckende Serienfertigung in allen Preislagen, die mal eben 50.000 Stück und mehr in Quartalsabständen ausspuckte.

Das Wissen, was man noch mehr mit einem guten Schnitt herausholen kann, schwindet obendrein.
 
"Wettbewerber eines Maßschneiders ist nicht Suitsupply, sondern der Rolex- oder Bentley-Händler oder die Sternegastronomie"

Glaube ich weniger. Wer sich schnell 3, 4, 5 Vollmaßanzüge zu europäischen Preisen leisten kann (Kleidung = Verschleißobjekt), hats meist hinter sich. Da fällt eine Rolex nicht auf und auch nicht das 150 EUR Menü. Ich würds sogar umgekehrt sehen. Genau diese Klientel ist Zielgruppe eines Schneiders.
Genau das soll damit gesagt sein, denn die Konsumentscheidung ist eben nicht SuSu oder Maßanzug, sondern lasse ich mir noch zwei Anzüge machen oder brauche ich noch eine Daytona.
 
Das ist ja eigentlich ein ganz anderes Thema ... es gibt ja nicht “den Suitsupply“ Kunden. Ich kenne Männer die über ein siebenstelliges Jahresgehalt gehen und dennoch nur Boss tragen. Genauso wie es einig gibt, für die 1.200€ so richtig viel Geld ist und sie dennoch sich einen MtM leisten wollen von Scabal ...

Sehr viele Kunden, die aktuell bei angesagten MTM Anbieter zwischen 800€ - 2.000€ lassen, “könnten“ sich sehr wohl und ganz leicht finanziell einen Maßanzug vom Schneider leisten!

Bei der ganzen Preisdiskussion geht es ja darum, einen Preis erklärbar, attraktiv (damit ist nicht günstig gemeint!!! Ich bin ein großer Verfechter davon Angestellte überdurchschnittlich zu bezahlen!) und transparent zu gestallten.
 
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