Des Prinzen geflickte Kleider....

Hier wird seitenweise über Nachhaltigkeit und Haltbarkeit sowie Qualität fernab jeglicher modischer Strömungen lamentiert, also können wir davon ausgehen, das es jedem von uns in 10-20 Jahren ähnlich gehen sollte, wenn es sich nur um Lippenbekenntnisse handelt. ( Abgesehen davon, das mein 30 Jahre alter Scabal Anzug keinem ernstzunehmenden Blatt eine Schlagzeile wert sein wird.)

Ich freue mich ja heute schon, wenn ich Anzüge aus den 60er Jahren in einem guten Zustand erwerben kann, also auch schon mindestens 40 Jahre alt. Der Duke of Windsor hat in den 60ern noch Anzüge getragen, die er in den 30ern fertigen liess. Finde ich toll und hoffe, mir geht es ähnlich.
 
Hier wird seitenweise über Nachhaltigkeit und Haltbarkeit sowie Qualität fernab jeglicher modischer Strömungen lamentiert.

Prinzipiell d'accord.

Allerdings kann man die Nachhaltigkeit auch ad absurdum führen.

Ein paar (guter) Schuhe 10 Jahre tragen zu können und damit 10 Paar billige Treter einzusparen ist Nachhaltigkeit. Schuhe wieder zu besohlen und aufzuarbeiten ist Nachhaltigkeit. Aber ist es nachhaltig, die Schuhe jenseits von Ästhetik und Funktion bis zur kompletten Auflösung zu tragen, um es zu überspitzen ? Zumindest fragwürdig...

Die hier entstehende Diskussion transzendiert natürlich jetzt das aktuelle Erscheinungsbild des PoW (und das ist wahrscheinlich auch gut), aber um nochmal auf ihn zumindest als Metapher zurückzukommen: Ist es nachhaltig, die Anzüge von einem eigens dafür ein- und abgestellten Valet jeden Tag aufbügeln zu lassen (hier also jemandem Arbeit zu geben), diesen Anzug dann bei jedem Wetter terrainunabhängig auszuführen, um ihn dann nach einer Trageperiode von vielleicht 20 Jahren für teures Geld flicken zu lassen ? Genauso könnte man von Nachhaltigkeit sprechen, die lokal agierende britische Schneiderei und Wollstoffproduktion (deren Schirmherr er ist) gelegentlich durch einen neuen Anzug zu unterstützen.

Natürlich ist es schön, bestimmte Kleidungsstücke zu bewahren, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es der deutschen Mentalität (oder der nicht-britischen generell) entspricht, offizielle Anlässe in geflickter Kleidung wahrzunehmen. Das traditionalistische Bewahren von Werten (nicht nur von Kleidung, sondern auch von Cottages ohne fließendes Wasser oder von zeremoniellen Abläufen) ist eben sehr britisch - und manchmal für Außenstehende schwer nachvollziehbar.
 
Also wir haben wöchentlich Anzüge in der Werkstatt die älter sind als ich.
Vollstes Verständnis für Nachhaltigkeit, Kleiderliebe und Gewohnheit.

Wenn aber ein Teil so defekt ist das quasi jeder die Reparatur sehen kann,
gehört das Teil in die Altkleidersammlung und ein neues Teil muss her!

In der Tat spielt das Geld da eine wichtige Rolle. Aber wenn man es nicht muss, oder irgendwie Spaß daran hat (gibt es ja durchaus), kann ich es nicht verstehen warum es in irgendeiner Weise stilvoll sein soll kaputte Anzüge zu tragen.

In diesem speziellen Fall könnte er sich einfach bei seinem Schneider noch einen machen lassen. Sollte kein Problem darstellen, und mir fällt auch nichts ein was in dem Fall dagegen sprechen würde.
 
Aber ist es nachhaltig, die Schuhe jenseits von Ästhetik und Funktion bis zur kompletten Auflösung zu tragen, um es zu überspitzen ? Zumindest fragwürdig...

Also mich zumindest stört das in der Ästhetik nicht im Geringsten, wenn die Schuhe 40-50 Jahre getragen oder gar geflickt sind. Ich finde, daß das auch einen großen Charme hat.
 
Also mich zumindest stört das in der Ästhetik nicht im Geringsten, wenn die Schuhe 40-50 Jahre getragen oder gar geflickt sind. Ich finde, daß das auch einen großen Charme hat.
Neenee, Patina ist auch für mich etwas ganz Großartiges, Lebendiges, aber derart geflickte, abgeranzte, ausgelatschte Schuhe sind definitiv das Gegenteil von lebendig. Morbider Charme ist nicht mein Ding, ich mag auch keine Zombie-Filme. :D ;)
 
Vielleicht muß man hier differenzieren. Wenn ich einen völlig heruntergetragenen Schuh nur deshalb flicke, weil es günstiger ist als ein neuer, dann sieht das nicht gut aus und der Schuh ist tot. Aber nur, weil man sofort die Intention dahinter erkennt.
Bei Prince Charles erkennt man (zumindest ich) jedoch, daß er das aus Liebe zu dem Schuh oder dem Sakko tut. Er verbindet damit viele Erinnerungen und hat die Schuhe über die 40 Jahre liebgewonnen, egal wie abgetragen sie sind. Dennoch pflegt er sie und lässt sie sogar flicken. Dadurch entsteht neues Leben in den Schuhen und der Charme des Morbiden ist für mich verflogen zugunsten eines höchst lebendigen, wenn auch sentimentalen Charmes.
 
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Bei Prince Charles erkennt man (zumindest ich) jedoch, daß er das aus Liebe zu dem Schuh oder dem Sakko tut.
Vielleicht sollte er lieber mit jemanden über seine Erinnerungen um Schuh und Sakko sprechen.
Z.B. mit seinem Schuhster oder Schneider....und hach, wenn er grad da ist könnte er die Liebe zum Handwerk manifestieren in dem er das Handwerk am Leben hält mit seiner nächsten Bestellung :)
 
Bei Prince Charles erkennt man (zumindest ich) jedoch, daß er das aus Liebe zu dem Schuh oder dem Sakko tut. Er verbindet damit viele Erinnerungen und hat die Schuhe über die 40 Jahre liebgewonnen, egal wie abgetragen sie sind.

Das mag durchaus sein (wenn wir auch nur spekulieren), allerdings sollte hier auch der Rahmen einer Benutzung solcher Kleidungsstücke nicht unberücksichtigt bleiben.

Viele von uns haben Kleidungsstücke, die sie über Jahre (vielleicht sogar Jahrzehnte) begleitet haben und zu denen eine gewisse emotionale Bindung aufgebaut wurde. Natürlich werden wir uns auch schwertun diese Stücke zu entsorgen, und so wird hier sicherlich der eine oder andere noch eine weitere Verwendung im privaten Bereich, bei der Gartenarbeit oder bei der Ausübung bestimmter Hobbies finden. Bei offiziellen Anlässen und Publikumsverkehr sind multipel reparierte Kleider und Schuhe jedoch immer Anlass zu Diskussionen oder Kritik, und entsprechend spricht bei entsprechenden materiellen Möglichkeiten vieles dafür, sie hier zu ersetzen. Alles andere -insbesondere ein so offensives Zurschaustellen- ist (misverstandene) Exzentrik.

Würden wir anderen Figuren des öffentlichen Lebens, Frau Merkel oder selbst Mr. Cameron Flicken auf dem Jackett so leicht durchgehen lassen ?
 
Was wolltest du dagegen denn tun, sie einsperren? Das wäre halt ein neuer Lacher für die BILD Leser und gut.

Ein wahrhaft fundierte Anmerkung, Hut ab ! Wenn Du meine Aussagen nicht verstehst, verstehen willst oder verstehen kannst, kann man Dir eben nicht helfen. Vielleicht schaffen wir es aber trotzdem, diese Diskussion wieder auf eine sachliche und damit sinnvolle Ebene zurück zu bringen, ohne dass man ständig auf Tabloid-Niveau sinkt...

Zurück zur Sache: "Sympathisch" (mit diesen Worten wurde dieses Thema eingeleitet) fänden die meisten von uns ein Auftreten von Personen des öffentlichen Lebens in geflickter Kleidung in der Öffentlichkeit realiter nicht. Im Endeffekt kaufen wir dem Prinzen sein Auftreten nur deshalb als unproblematisch ab, weil wir ihn weniger als Repräsentanten seines Staates als vielmehr als Relikt einer alten, vielleicht von einigen insgeheim idealisierten Epoche und Klasse sehen.

Nichtsdestotrotz ist Exzentrik leider häufig das Gegenteil von Seriosität.
 
Würden wir anderen Figuren des öffentlichen Lebens, Frau Merkel oder selbst Mr. Cameron Flicken auf dem Jackett so leicht durchgehen lassen ?

Nein. Quod licet Iovi, non licet bovi gilt immer noch. Oder auch in einer beliebten Stilweisheit: Nur wer die Regeln kennt darf sie brechen. Der zukünftige Karl III. beweist selbst mit dem hier gezeigten Outfit genügend Stil, um die geflickte Tasche zur liebenswürdigen Exzentrik zur reduzieren; liefen die üblichen stilbefreiten deutschen Politiker (nicht nur die oben erwähnten) so herum, wäre es dagegen entweder Nachlässigkeit oder Geltungsbedürfnis.

Crouchback
 
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