Der klassiche Stil - was gehört für euch dazu, was ist verpönt

stef

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Gut, ich weiß das Thema ähnelt wohl dem "immer klassich und korrekt" bereits. Aber ich sehe es doch ein wenig anders.
Mich würde an dieser Stelle interessieren, was für euch zu dem "von uns angestrebenten Stil" (ich nenne ihn einfach einmal so) unbedingt dazugehört, und was dort nichts zu suchen hat.
Die Denglischfans würden es Do's and Don'ts nennen.
Ich denke über Kleidung brauchen wir hier nicht zu reden, die wird bei uns allen in den groben Zügen wohl gleich sein. Aber zum Stil gehört doch weit mehr, als die Garderobe will ich meine ich, oder?

Für mich unbedingt dazu gehören auch entsprechende Etikette. Man muss den Knigge nun nicht komplett auswendig kennen, aber man sollte schon wissen wie. Ein Hemd und Lackschuhe verbergeb eben den Dorftölpel noch lange nicht.

Des Weiteren eine gewisse Bildung. Vorsicht, ich meine hier explizit Bildung, nicht zu verwechseln mit Ausbildung! Es gibt mehr als genug Bauarbeiter mit mehr Anstand etc. als so mancher Akademiker.

Zu meiner Person selbst, oder besser gesagt ich wüsste gerne was eure Meinung heirzu ist.

- Ich kann leider absolut gar nichts mit Klassischer Musik anfangen. Findet ihr das gehört unbedingt mit dazu?

- Was die Haut Cuisine angeht: Ich lebe fast ausschließlich vegan. Ab und an wenn man eingeladen ist muss man aus Höflichkeit jedoch Abstriche machen finde ich. Unerfahrenen (Hobby-)Köchen ist das nicht zu zumuten

- Ich trage auch das ein oder andere Tattoo. Allerdings meiner Meinung nach doch recht stilvolle. Also keine chinesischen Zeichen und Tribals wie man sie so oft sieht. Ich habe Mondnacht von Eichendorff, mein Lieblingsgedicht, und einen großen Schriftzug mit "Die Gedanken sind frei"

Was sagt ihr dazu, bzw was ist eure allgemeine Meinung was zu Stil dazugehört
 
- Ich kann leider absolut gar nichts mit Klassischer Musik anfangen. Findet ihr das gehört unbedingt mit dazu?

Unbedingt. Aber auch Zwölftonmusik und atonaler Free Jazz.

- Ich trage auch das ein oder andere Tattoo. Allerdings meiner Meinung nach doch recht stilvolle. Also keine chinesischen Zeichen und Tribals wie man sie so oft sieht. Ich habe Mondnacht von Eichendorff, mein Lieblingsgedicht, und einen großen Schriftzug mit "Die Gedanken sind frei"

Na, dann ist da doch noch locker Platz für eine Studienpartitur von Beethovens Fünfter.
 
Ich weiß nicht ober die 1. Person plural ("von uns angestrebt") überhaupt Sinn macht. Zwar herrscht hier ein breites Interesse an den klassischen Elementen der Herrenmode, aber doch eher als Bestandteil einer letztlich postmodernen Kultur des individuellen "self-fashioning." M.a.W. heute eine irgendwie verbindliche stilistische und habituelle Einheit von Garderobe, Diät, Kulturkonsum etc. herzustellen, die am Bildungsbürger des 19. bis frühen 20 Jhd. angelehnt ist, wäre IMO ein so abstruses Projekt wie die Neuerschaffung des Don Quijote durch Pierre Menard.
Ich trage gerne vintage-Tweed Anzüge, esse mit Vorliebe Scones, fühle mich aber nicht verpflichtet Elgar zu hören oder den britischen Imperialismus gutzuheißen - ich picke mir aus dieser Kultur heraus, was mir Spaß macht. Ich mag gewisse klassische Musik, spiele aber auch in einer Punk Band, und freue mich in einer Kultur zu leben, wo das widerspruchsfrei möglich ist. Zwischen stilistischen Präferenzen und Etikette, noch gar Ethik, sehe ich keinerlei zwingenden Zusammenhang - höchstens insofern ein bewusster Kleidungstil eventuell Ausdruck einer gesunden Selbstwertschätzung ist, die sich IMO fast immer auch in Respekt gegenüber anderen manifestiert.
 
Was ist Stil? Die Frage werden sich die meisten stellen, wer sie sich nicht stellt kann damit wahrscheinlich sowieso nichts anfangen. Ich gebe dem guten Leben recht. Ich bin wahrscheinlicher britischer als die meisten Tommys, habe aber auch die ein oder andere preussische (Un)Tugend und bin ein großer Freund der japanischen Kultur. So kann es passieren, das ich mit italienischem Wein im Kimono auf meinem englischen Rasen sitze, Ärzte höre und Sunday Roast esse. So what?

Schlechter Stil fängt da an, wo er andere einengt. Ein Gentlemen ist auch ohne Kleidung ein solcher, ansonsten ist er nur ein Depp im Anzug. Stil und Geschmack kann man nicht kaufen. Sicherlich wird es eine Weile dauern, seinen eigenen Stil zu entwickeln. Sicherlich prägt Umwelt und Elternhaus. Sicherlich hat jeder seine Vorlieben.
Ich mag das Art Deco, Filme aus den 50ern und, wie GL auch, England. Also orientiert sich mein Stil daran, ohne es dumpf zu kopieren oder alles gutzuheissen, was man ansonsten mit der Zeit verbindet. Die Jahre verklären sicher vieles. Ich liebe die Musik und die Filme der Achtziger, muss aber nicht in pastellfarbenen Boss Creationen rumlaufen, weil ich Miami Vice gut finde. Persönlicher Stil ist immer auch ein Entwicklungsprozess.

Gutes Benehmen ohne affektiert zu wirken, gute Allgemeinbildung und allgemein Interesse an unserer Welt ist sicherlich eine der Bedingungen. Schlechter Stil ist es aber sicherlich auch, sich n u r an anderen zu orientieren anstatt sich sein eigenes Biotop zu schaffen. Und solange ich nicht die Freiheit eines anderen einschränke ist mir deren Meinung reichlich egal.

Disziplin, Herzensbildung, eine eigene Ethik und Werte, Offenheit, Selbstbeherrschung - das sind Dinge, die ich mit gutem Stil verbinden möchte.
 
Best post ever:

Hallo

Im Karate gibt es im Schwarzgurtbereich DAN-Grade.
Bsp.: 1.Dan bis hin zum 10.Dan

Hier ein Ausschnitt aus Wikipedia:
"In den meisten „gürteltragenden“ Kampfsportarten werden die „Schwarzgurte“ (1. bis 5. Dan) aufgrund technischer Prüfungen verliehen. In vielen Sportarten gelten die höheren Grade der Meisterschaft auch als „geistige“ Meisterschaft, bei der der Träger eines entsprechenden Dan beginnt, die intellektuellen Hintergründe, Werte und Einsichten, die ein Kampfsport bzw. eine Kampfkunst vermittelt, zu verinnerlichen."

Gestern erzählte mir ein Kumpel, was für ihn der "höchster Punkt vom Stil" sei.
Für ihn gehörte zum Stil nicht nur entsprechende Kleidung zutragen, sondern auch das Aussehen, entsprechende Auto, Haus, Intelligenz, Humor, Selbstverteidigung, akademischer Grad, "Soziale Ader" und andere materielle Dinge und Eigenschaften dazu.
Als Beispiel des höchsten Punkt des Stils nannte er sogar "James Bond". :D
Das wäre also im Prinzip der 10. Dan im Karate, meinte mein Kumpel.
Nur halt auf Stil bezogen.

Ich konnte nachvollziehen was er meinte.

Was sagt ihr dazu?

Stimmt ihr ihm zu?
Völliger Schwachsinn?
Doch nur Utopie?
Oder doch möglich?

Freue mich auf eure Meinung
 
Die Frage ist berechtigt, allerdings gibt es keine allumfängliche Antwort, die allen gerecht wird und jeden befriedigt. Wie man hier in diversen Threads sehen kann, gibt es verschiedene Ansichten über alle möglichen Themen, am besten sucht man sich das raus, was einen persönlich am meisten anspricht. Denn letztlich geht es doch darum, seinen eigenen Stil zu finden und nicht darum, jemand anderen zu kopieren, nur um irgendetwas darzustellen. Das gilt nicht nur für die Kleidung, sondern für alle Bereiche, selbst die Accessoirs. Wieso sollte ich z.B. viel Geld für eine Uhr ausgeben, wenn ich mir aus Uhren nichts mache? Nur weil irgend jemand sagt, zum "Stil haben" gehört mindestens ein Chronograph dazu? Oder ein Smartphone der Firma XY? Und wenn nächste Woche jemand sagt, Stil hat man nur, wenn man regelmäßig Polo spielt oder zur Fuchsjagd nach England fliegt, dann kaufen sich alle ein Pferd?

Was die Klassik angeht: ich würde es eher zum Thema Allgemeinbildung zählen, dass man sich in einem gewissen Rahmen auskennt. Vielleicht entdeckt man bei der Beschäftigung damit auch das eine oder andere Stück, was einem abseits aller Stildiskussionen gefällt. Das wäre doch gut. Wenn man der Musik aber nun überhaupt nichts abgewinnen kann, warum sollte man sich damit den rumquälen?
 
... also Anlauf nehmen und hiein in die Fettnäpfchen ...
:D

@Proteus:
Für mich ist dein Beitrag so ziemlich das Beste, was ich zu diesem Thema bisher gelesen habe!


@Stef:
Für mich unbedingt dazu gehören auch entsprechende Etikette. Man muss den Knigge nun nicht komplett auswendig kennen, aber man sollte schon wissen wie.
Freiherr von Knigge hat keine "Benimmregeln" aufgestellt oder "Etikette" definiert.
Sein Buch "Über den Umgang mit Menschen" ist eine scharfsinnige Abhandlung soziologischer Fragen - und nicht das, was sich heutzutage so viele, die es nicht gelesen haben, darunter vorzustellen scheinen.
;)


@OnAir:
Hier ein Ausschnitt aus Wikipedia:
"In den meisten „gürteltragenden“ Kampfsportarten werden die „Schwarzgurte“ (1. bis 5. Dan) aufgrund technischer Prüfungen verliehen. In vielen Sportarten gelten die höheren Grade der Meisterschaft auch als „geistige“ Meisterschaft, bei der der Träger eines entsprechenden Dan beginnt, die intellektuellen Hintergründe, Werte und Einsichten, die ein Kampfsport bzw. eine Kampfkunst vermittelt, zu verinnerlichen."
Tut mir leid, aber das ist der typische Wikipedia-Unfug.
Das hat jemand verfaßt, der WEDER japanisch spricht NOCH sich mit dem Sprachgebrauch auskennt NOCH Ahnung von japanischer/okinawanischer Geschichte NOCH von Militärgeschichte (Japans) noch von japanischen Kampfsystemen NOCH vom Dan-Kyû-System (Dan-i) irgend eine Ahnung hat.
Sehr wahrscheinlich wurde der ganze Unsinn aus entsprechend miserabel recherchierten Büchern abgeschrieben, dann bei Wiki reingestellt und damit zur "Wahrheit" veredelt.
Das ändert aber nichts daran, daß der ganze Artikel auf Wiki einfach nur Unfug ist und Legenden und selbsterdachte "Erklärungen" statt Fakten wiedergibt.
Schöne Idee, das mit der "geistigen Meisterschaft" - und vollkommener Blödsinn.
Leider hat sich dieser Quatsch derartig in den Köpfen der meisten Europäer und Amerikaner festgesetzt, daß es nahezu unmöglich ist, mit belegbaren historischen Fakten dagegen anzuargumentieren.
Traurig, aber wahr ...
:mad:

STIL ist für mich auch, sich kritisch mit FAKTEN auseinanderzusetzen, statt sich mit Märchen zufriedenzugeben.

Das geht ausdrücklich nicht gegen dich, OnAir.
:)

Bertie
 
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