Der Artikel Sammelthread

https://www.faz.net/aktuell/stil/mo...on-einen-anzug-schneidern-liess-16875503.html

Ein wenig nettes Geschreibsel über die letzten Maßschneider in Lissabon.
Auch dieser Zeitungsbeitrag kann die Romantik der Anfertigung und das, was sartoriale Kleidung mit einem macht, wunderbar vermitteln. Ich denke auch, dass jeder das Konzept versteht, wenn ihm das so aufbereitet und von dem in Deutschland immer reininterpretierten Drang zur sozialen Distinktion gelöst wird. Aber wenn es dann um den Preis dafür geht, kaufen die Menschen, die nicht erleuchtet wurden ;), im Zweifel lieber was anderes, cooleres, den Mitmenschen im Umfeld besser vermittelbares. Oder sie können es sich schlicht nicht leisten und sehen es als Teil eines für sie fremden Oberklasse-Lifestyles.

Ich muss zugeben, ich weiß auch nicht, was ich täte, wenn ich für den ganzen sartorialen Kram aktiv sparen und auf andere Dinge, die ich auch gerne konsumiere, verzichten müsste. Vielleicht wäre ich dann stattdessen in einem Bierdeckel-Sammelforum. :D
 
Es scheint halt ein Thema zu sein, dass den durchschnittlichen deutschen, nicht-anzugtragenden Journalisten schwer innerlich umtreibt. Solange noch irgendeiner Anzug und Krawatte trägt, womöglich noch völlig unverständlicherweise freiwillig, ist das ein sozialer Stachel in seinem Fleische. :D Von daher muss das unbedingt weggeredet werden.

Dass im Moment das Coronavirus erheblich zu den Retailer-Schwierigkeiten beiträgt (und das für alle Retailer gilt, nicht nur für Herrenausstatter, ich denke, es werden im Moment auch sehr viel weniger Jeans & T-Shirts verkauft), wird nur im Hintergrund erwähnt (Homeoffice etc.). Auch dass wir hier von international agierenden Unternehmen reden, die in unterschiedlichen Nationen auf eine deutlich unterschiedliche Nachfrageentwicklung bzgl. sartorialer Produkte treffen, spielt im Text keine Rolle.
 
„Heute wird formelle Kleidung gerne mit Casual Wear kombiniert“, spielt er auf die eher lockere, aber nicht nachlässige und eher von Freizeitkleidung inspirierte Männermode fürs Büro an. Ein Sakko und darunter vielleicht eine einfarbige elegante Jeans

Der klassische Anzug liege zwar in den Genen des Unternehmens, sagte Müller, werde aber von den Modemachern neu interpretiert: „Wir liegen voll im Trend.“
Mi digusta.

Nun ja, Hugo Boss ist seit Beginn der 90er Jahre sartorial nicht mehr zu gebrauchen.
 
Es scheint halt ein Thema zu sein, dass den durchschnittlichen deutschen, nicht-anzugtragenden Journalisten schwer innerlich umtreibt. Solange noch irgendeiner Anzug und Krawatte trägt, womöglich noch völlig unverständlicherweise freiwillig, ist das ein sozialer Stachel in seinem Fleische. :D Von daher muss das unbedingt weggeredet werden ...
Och, lieber Bluesman, vielleicht siehst Du aber auch einfach gern bestätigt, was Du Dir halt so denkst über den deutschen, nicht Anzug tragenden Journalisten. Michael Gassmann ist mir aus gemeinsamen Redaktionszeiten durchaus als geübter Anzugträger und Krawattenwähler in Erinnerung. Wie er es heute in Düsseldorf mit der Arbeitskleidung hält, weiß ich nicht. In der Berliner Zentrale allemal begegnet er in Büro, Kantine und Café so vielen Anzug tragenden Kollegen (siehe meine gelegentlichen „Kreuzberg“-Bilder), dass die kaum „soziale Stachel“ sein werden. Und tatsächlich redet er doch in seinem Artikel keineswegs etwas weg, sympathisiert oder hadert nicht mit der von ihm recht glaubwürdig am Beispiel mehrerer Unternehmen dargestellten momentanen Dresscode-Entwicklung, zeigt deren ökonomischen Niederschlag in Facts and Figures. Und dass die gesamte Textilbranche zur Zeit furchtbar leidet (wie auch die Uhrenhersteller, die Gastronomie, der Printjournalismus …), ist dem Leser des Wirtschaftsteils hinreichend bekannt – und bedeutet doch nicht, dass man nicht ein einzelnes Thema aus diesem Komplex herausgreifen darf: das Schwächeln der Anzughersteller und mögliche Verschwinden klassischer Herrenkleidung in den Büros zum Beispiel, das ich so beklagenswert finde wie Du. Aber nichts für ungut: Kennte ich Deine Bilder und Passionen nicht, ich hätte da auch ein einschlägiges Bild von (deutschen) Informatikern im Kopf …
:)
 
Och, lieber Bluesman, vielleicht siehst Du aber auch einfach gern bestätigt, was Du Dir halt so denkst über den deutschen, nicht Anzug tragenden Journalisten.
Dafür bin ich ja nicht selbst verantwortlich, die entsprechenden Artikel werden ja seit Jahren immer wieder in dieser tendenziellen Form lanciert, ohne dass es einem dringenden Informationsbedürfnis der Bevölkerung entspräche. Dass sich dahinter der Wunsch nach Erfüllung der eigenen Prophezeiung versteckt, den auch ein nicht kleiner Ausschnitt der Leserschaft teilt (Applaus ist damit also zumindest in Deutschland immer gesichert) ist naheliegend, eventuell in der taz mehr als in der FAZ. ;)

Wenn Dein Kollege persönlich anderer Meinung ist, kann er das im Artikel auf jeden Fall gut verbergen. Es wäre ja ein Leichtes gewesen, ästhetische oder qualitative Differenzierung bzgl. Boss und Brooks Brothers im Vergleich zu erfolgreicheren Mitbewerbern einzubringen. Dafür hätte es nur keine Bonuspunkte der Leser gegeben, sondern nur bestenfalls Unverständnis und schlimmstenfalls Ablehnung. So blieb es bei der bewährten journalistischen Erfolgsformel.

Aber nichts für ungut: Kennte ich Deine Bilder und Passionen nicht, ich hätte da auch ein einschlägiges Bild von (deutschen) Informatikern im Kopf …
:)
Das im Übrigen völlig richtig wäre. :eek: :) Die schreiben darüber nur nicht, außer vielleicht in den Kommentarspalten unter solchen Artikeln (wobei das hier in der Welt wohl eher eine Mixtur von Rentnern und russischen Trollen anzieht, letztere eher bei den politischen Themen, die den rechten Rand ansprechen).
 
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