Auf die Proportionen kommt es an

Die Farben, die wie tragen, haben einen großen Einfluss auf unsere äußere Erscheinung. Ein blasser Blonder kann in einem beigen Sommeranzug und weißem Hemd äußerst unvorteilhaft aussehen. Neben der Farbe sind die Proportionen der wichtigste Faktor in Sachen gutem oder schlechtem ersten Eindruck. Genauer gesagt kommt es darauf an, ob die Kleidung die Proportionen des Körpers in vorteilhafter oder unvorteilhafter Weise beeinflusst. Ein Anzug von der Stange kann in sich gut proportioniert sein, am Körper eines Trägers kann er dessen Körperformen aber ungünstiger Weise optisch aus dem Lot bringen.

Gute Maßschneider sind Meister im Umgang mit Proportionen. Auch Designer verstehen oft viel davon. Ein Designer optimiert die Proportion aber immer nur die Konfektionsgrößen, auf den einzelnen Körper und seine Besonderheiten kann er nicht eingehen. Der Maßschneider muss die mehr oder weniger immer gleichen Anzugmodelle so an die verschiedenen Körperformen anpassen, dass am meisten aus den Gegebenheiten der jeweiligen Figur gemacht wurde. Ein Zweireiher in Gr. 48 soll allen mittelgroßen Männern mit dem Brustumfang 96 cm passen, ob sie nun lange Arme haben oder kurze Arme, ein breites Becken oder schmale Hüften, ein Hohlkreuz oder einen Rundrücken. Der Maßschneider optimiert den Zweireiher für all diese Besonderheiten. Grob will er dabei immer erreichen, dass sein Kunde in dem Anzug möglichst schlank, möglichst groß und möglichst aufrecht aussieht.

Wer die Proportionen gut hinkriegt, kann deshalb natürlich noch lange nicht zaubern. Ein kleiner Dicker wird auch vom besten Maßschneider nicht in einen großen Schlanken verwandelt. Ein Meister der Proportion wird aber auch beim Mann in Kugelform einen wenigstens flüchtigen Eindruck von Taille, breiter Brust und schlanken Beinen erzeugen. Vor allem sorgen die richtigen Proportionen dafür, dass die absolute Länge des Körpers unwichtiger wird. Wenn wir jemanden ganz allein auf einem großen Platz sehen, also ohne Menschen oder Autos in seiner Nähe, gibt es keinen Maßstab für seine Größe. Man könnte nicht erkennen, ob dieser Mensch anderthalb Meter misst oder zwei Meter. Selbst ein Lulatsch könnte abgebrochen wirken, wenn seine Kleidung ungünstig sitzt. Wer die Grundregeln für den Umgang mit Proportionen kennt, kann jedoch auch schon beim Kauf von der Stange viele Fehler verhindern. Gutes Aussehen hat nämlich mehr mit Wissen zu tun als mit Geld.

Bei kleinen Männern darf die Kleidung ein wenig zu eng und zu kurz sein. Die Senkrechte sollte betont werden, z. B. durch Streifen oder lang heruntergezogene Revers. Die Hosenbeine müssen sich optisch trennen, sollten also dicht am Bein geschnitten sein. Außerdem gut: Ein etwas höherer Schließknopf und eine hohe Crochetnaht, Schulter und Taille sind klar akzentuiert. Große Männer können weitere Kleidung wählen und dürfen ruhig die Waagerechte betonen. Große Flächen wirken kleiner, wenn sie unterbrochen werden. Eine Weste kann z. B. die Hemdbrust zusammenschrumpfen lassen.

Kategorie: Magazin

Bernhard Roetzel

Bernhard Roetzel schreibt über Herrenmode und verschiedene Stilfragen. Der Bildband "Der Gentleman. Handbuch der klassischen Herrenmode" ist seine bekannteste Publikation, sie liegt in fast 20 Übersetzungen vor.

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